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In Turbulenzen

Karl Zawadzky23. April 2008

Wohl und Wehe in der Luftfahrtbranche liegen dicht beieinander: Während Alitalia wirtschaftlich ins Trudeln geraten ist befindet sich die Lufthansa auf einem einsamen wirtschaftlichen Höhenflug.

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Lufthansa-Flugzeug in der Luft - Unternehmensfoto: Foto: Rebenich/Lufthansa
Einem schwierigen Markt zum Trotz bleibt die Kranichlinie stabil auf KursBild: dpa

Mit einem Überbrückungskredit von 300 Millionen Euro versucht die italienische Regierung, einen Konkurs der schwer angeschlagenen Fluggesellschaft Alitalia abzuwenden. Fast alle großen Fluggesellschaften in Amerika und Europa fliegen derzeit rote Zahlen ein und suchen ihre Rettung in Fusionen. Allein die Deutsche Lufthansa kann sich gut behaupten.

Alitalia-Flugzeuge auf dem Flughafen (AP Photo/Antonio Calanni)
Das Unternehmen Alitalia ist schwer angeschlagenBild: AP

Am Dienstag (22.04.2008) stand Alitalia, einst der Stolz des Landes, vor leeren Kassen. Nur mit einem Mega-Kredit des Staates konnte der Zusammenbruch der Fluggesellschaft vermieden werden. Der künftige Ministerpräsident Silvio Berlusconi sucht bereits nach neuen Investoren, nachdem Air-France-KLM-Präsident Jean-Cyril Spinetta sein Übernahmeangebot mit einer knappen Mitteilung zurückgezogen hatte. Berlusconi bevorzugt den Einstieg italienischer Industriekonzerne, Branchengespräch sind aber auch neue Sondierungen über einen Einstieg der deutschen Lufthansa oder der russischen Aeroflot. Eine schnelle Lösung muss her, denn Alitalia macht pro Tag eine Million Euro Verlust und der 300-Millionen-Euro-Kredit ist bis Dezember befristet.

Hoher Konsolidierungsdruck

Vor allem an den italienischen Gewerkschaften und an Berlusconi ist der Einstieg von Air-France-KLM bei Alitalia gescheitert. Denn die Gewerkschaften wollten die unumgängliche Sanierung der maroden Fluggesellschaft über einen massiven Arbeitsplatzabbau nicht mittragen. Berlusconi hat im Wahlkampf versprochen, den Verkauf an die ausländische Konkurrenz zu verhindern. Deswegen hatte die Lufthansa, die bei der notwendigen Konsolidierung der Branche in Europa eine aktive Rolle spielen will und dies wegen ihrer herausragenden wirtschaftlichen Position auch kann, erst gar kein Angebot für einen Einstieg bei Alitalia abgegeben.

Die Luftfahrtbranche in Europa, aber mehr noch in den USA befindet sich in schweren Turbulenzen, was den Konsolidierungsdruck weiter erhöht hat. Kleinere Gesellschaften verschwinden vom Markt, größere suchen ihr Überleben in Fusionen. So hat Lufthansa in Europa die Swiss übernommen und sich in den USA bei JetBlue als Minderheitsgesellschafter eingekauft. Delta und Northwest, die drittgrößte und die sechstgrößte amerikanische Fluggesellschaft, haben ihre Fusion zur größten US-Airline angekündigt, was freilich noch von den Aktionären und den Kartellbehörden genehmigt werden muss. In der Branche wird ebenfalls über eine Fusion von United und Continental spekuliert.

Kostenfaktor Kerosin

Vor allem die rekordhohen Kerosinkosten drücken die amerikanischen Fluggesellschaften immer tiefer in die roten Zahlen. Auch europäischen Wettbewerber leiden unter den hohen Spritkosten. Da diese in Dollar abgerechnet werden, kommt ihnen jedoch der Wertverfall der amerikanischen Währung zugute. Zum Beispiel sind bei der Lufthansa die Treibstoffkosten 2007 gegenüber dem Vorjahr von 3,4 auf 3,9 Milliarden Dollar gestiegen; gleichzeitig wurden jedoch durch den Umtausch von Euro in Dollar beim Kerosinkauf 245 Millionen Dollar gespart. Amerikanische Gesellschaften leiden zudem unter den Spätfolgen der Terroranschläge vom 11. September 2001. Denn auf die tiefe Krise der amerikanischen Luftfahrt nach den Terroranschlägen reagierten die Fluggesellschaften mit einem Investitionsstopp. Heute fehlen ihnen die spritsparsamen neuen Flugzeuge.

Hinzu kommen die Konjunkturkrise in Amerika und der an Schärfe zunehmende Konkurrenzkampf vor allem durch das Anfang April wirksam gewordene Open-Skies-Abkommen, das den Markt für Transatlantikflüge liberalisiert hat. Von den drei großen europäischen Fluggesellschaften Lufthansa, British Airways und Air France/KLM ist die Lufthansa nach Einschätzung von Branchenexperten am besten für den schärferen Wettbewerb gerüstet. Air France/KLM haben sich zu sehr von den Schwankungen im Touristik-Bereich abhängig gemacht, British Airways leidet auf der Atlantik-Strecke unter der amerikanischen Konjunkturkrise, von der auch der Finanzplatz London schwer betroffen ist. Lufthansa hat sich als Premium-Marke etabliert und zieht immer mehr gut zahlende Kunden an. Die First- und die Business-Class spielen mittlerweile 52 Prozent der gesamten Ticketerlöse ein, ein einsam hoher Wert.

Mayrhuber rechnet mit weiteren Fusionen

Während die Konkurrenz mit roten Zahlen zu kämpfen hat, befindet sich Lufthansa auf einem stabilen Höhenflug. Im vergangenen Jahr nahm die Zahl der Passagiere um knapp 18 Prozent auf 63 Millionen zu, der Umsatz konnte um 13 Prozent auf 22,4 Milliarden Euro erhöht werden, der Gewinn wurde auf mehr als 1,6 Milliarden Euro nahezu verdoppelt.

"Es wird weitere Konsolidierungsschritte in den USA und in Europa geben", meint Lufthansa-Vorstandschef Wolfgang Mayrhuber. Die Lufthansa wolle sich an diesem Prozess aktiv beteiligen, freilich dabei sehr genau Chancen und Risiken abwägen. "Sowohl vom Management her als auch von der finanziellen Ausstattung her sind wir dazu jederzeit in der Lage", erklärte Mayrhuber in Berlin.

Der Lufthansa-Chef erwartet vor allem in den USA weitere Mega-Fusionen. Daran können europäische Gesellschaften nur eingeschränkt mitwirken, denn aufgrund gesetzlicher Bestimmungen können ausländische Unternehmen sich nur bis zu 24,9 Prozent an amerikanischen Fluggesellschaften beteiligen. Deswegen will Lufthansa vor allem bei der Branchenkonsolidierung in Europa eine aktive Rolle spielen, wo sie derzeit die zweitgrößte Fluggesellschaft ist. Allerdings will Mayrhuber nur zukaufen, wenn – wie zuletzt bei der Übernahme der Swiss - drei Bedingungen erfüllt sind: Der Markt einer zum Verkauf stehenden Fluggesellschaft muss attraktiv sein, eine Übernahme muss als freundlicher Akt verstanden werden, und durch den Kauf müssen sich Kostenvorteile ergeben.

Deswegen hat die Lufthansa im Falle der absturzgefährdeten Alitalia keine Pläne, doch noch ein Angebot zu unterbreiten. Denn Silvio Berlusconi sucht gezielt nach italienischen Investoren. Und: die italienischen Gewerkschaften sträuben sich weiterhin gegen den unumgänglichen Arbeitsplatzabbau bei der Sanierung der Airline. Doch ohne Sanierung macht die Übernahme keinen Sinn, denn nach einer Berechnung der römischen Zeitung "La Repubblica" hat Alitalia in den vergangenen 15 Jahren insgesamt 15 Milliarden Euro Verlust eingeflogen – "270 Euro für jeden Bürger Italiens, Neugeborene eingeschlossen".