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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Zusammengestellt von Michael Wehling.25. März 2006

Gewaltvezicht der ETA // Weißrussland nach manipulierter Präsidentenwahl

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Zwei zentrale Themen bestimmen die Kommentare in den ausländischen Tageszeitungen in dieser Woche: Die Ankündigung eines dauerhaften Waffenstillstands durch die baskische Terrororganisation ETA und die Lage in Weißrussland nach Wiederwahl von Präsident Lukaschenko, die nach Überzeugung internationaler Beoabachter manipuliert worden ist.

Zunächst zum Gewaltverzicht der ETA. Die in Rom erscheinende LA REPUBBLICA' führt aus:

'Ein Waffenstillstand, der 'dauerhaft' sein soll. Ganz Spanien klammert sich an dieses Eigenschaftswort und träumt, dass das Ende des Terrorismus tatsächliche nahe ist. ... Aber alle sind sich dennoch wohl bewusst, dass der Weg zum Frieden noch weit ist. Und unter vielen Sorgen ist vor allem die Unbekannte, die auf der Zukunft der möglichen Friedensverhandlungen lastet.'

Ähnlich argumentiert die britische Zeitung THE TIMES:

'Alles hängt davon ab, was die ETA unter 'dauerhaft' versteht. Der vorige Waffenstillstand von 1998 - der zehnte - dauerte nur ein Jahr. Aber es gibt gute Gründe zur Annahme, dass man der ETA dieses Mal glauben darf ... Die Frage ist nun, wie viel Autonomie die Regierung geben sollte. Sie hat schon mehr gegeben als viele andere europäische Länder je bereit wären.'

LE MONDE aus Frankreich analysiert die Politik der spanischen Regierung:

'Der spanische Regierungschef José Luis Zapatero hat sich strikt davor gehütet, die Ankündigung der ETA triumphierend aufzunehmen. Und doch hat er seit Wochen darauf gewartet, bringt die Entscheidung der ETA-Führung doch die Hoffnung mit sich, diesen in den letzten Jahren des Franco-Regimes begonnenen Konflikt zu beenden. Seit dem Wahlsieg der Sozialisten im März 2004 hatte Zapatero diskret Kontakte mit den Vertretern der ETA geknüpft. Er hatte dabei das irische Vorbild vor Augen, Londons Vereinbarung mit der IRA ...'

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG mahnt:

'Vorsicht ist auch dann berechtigt, wenn die Separatisten in ihrem zweiten Communiqué vom Donnerstag den schönen Satz hinschreiben, sie wollten einen demokratischen Prozess anregen, damit 'mittels des Dialogs, der Verhandlung und des Abkommens' der politische Wechsel Es fehlt aber jeder Hinweis, dass unter dem 'politischen Wechsel' etwas anderes gemeint ist als die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von Euskal Herria, zu dem die ETA nebst den drei spanischen baskischen Provinzen und der Region Navarra das französische Baskenland zählt.'

Nach Aufassung des Pariser Blatts LE FIGARO kann Frankreich zu einer Friedenslösung beitragen:

'Die ETA hat zunehmend versucht, Paris in den Konflikt mit einzubinden. In diese offensichtliche Falle werden aber diesseits der Grenzen nicht allzu viele tappen. Paris kann zu einem definitiven Frieden im Baskenland nur beitragen, indem es sich in der Frage in den Dienst der wohlverstandenen Interessen von ganz Spanien stellt.'

Für die dänische Tageszeitung JYLLANDS-POSTEN markiert die Erklärung der ETA das Ende einer Epoche:

'Als letzte der nationalistischen Terrororganisationen Europas hat die ETA nun die Waffen gestreckt. ... Alle anderen von den Separatisten in Südtirol und Flandern bis zur nordirischen IRA taten dasselbe. ... Selbst die Militantesten sind zu der Einsicht gekommen, dass es viele Wege zum Ziel geben kann, aber dass Terror jedenfalls nicht dazu gehört.'

Damit zum nächsten Thema, der Lage in Weißrussland:

Die Moskauer KOMMERSANT sagt dem Regime von Lukaschenko noch eine längere Lebensdauer voraus:

'Das Beispiel Weißrussland zeigt, wie ein autoritäres Regime die politische und wirtschaftliche Konjunktur geschickt nutzen kann. Natürlich beruht das weißrussische 'Wirtschaftswunder' auf billigem Gas aus Russland und Zugang zum russischen Markt für Exporte. Alexander Lukaschenko nutzt den Konkurrenzvorteil des Transitlands Weißrussland zwischen der EU und Russland ... Ohne Anstoß von außen kann ein antidemokratisches Regime selbst im 21. Jahrhundert seine Nische in der Welt finden und über längere Zeit stabil sein.'

Nach Auffassung der SALZBURGER NACHRICHTEN ist Lukaschenko in Weißrussland durchaus populär:

'Das Entsetzen über seinen im Westen unerträglichen Herrschaftsstil ändert nichts an der Tatsache, dass eine klare Mehrheit Lukaschenko im Präsidentenpalast haben will. Stabiles Grundgehalt, pünktliche Rente: So hält er seine schützende Hand über Millionen Anhänger, die ihm vertrauen. Selbstredend müssen OSZE und EU dennoch auf mehr Menschenrechte in Weißrussland drängen. ... Moskau hätte die richtigen Hebel in Minsk. Entzieht Wladimir Putin dem Despoten alle Subventionen, beginnen in Weißrussland andere Zeiten.'

Ähnlich argumentiert die niederländische Zeitung TROUW:

'Der Weg zu Reformen in Minsk führt über Moskau. ... Westliche Sanktionen gegen Weißrussland bleiben erforderlich und sollten vielleicht ausgeweitet werden, haben letztlich aber nur einen begrenzten Effekt. ... Die Kunst ist es, Russland zu überzeugen. Moskau wird wenig Interesse daran haben, in einem seiner wenigen noch verbliebenen Hintergärten westlichen Einfluss zuzulassen.'

Die bulgarische Zeitung SEGA erläutert:

'Der Kreml will nicht, dass noch eine ehemalige Sowjetrepublik in den westlichen Einflussbereich gerät. Nach den Spannungen in den Beziehungen mit der Ukraine und mit Georgien will die russische Seite keinen weiteren problematischen Nachbarn haben. Lukaschenko rechtfertigt Moskaus Vertrauen: er erstickt noch im Keim die 'orangene Revolution' in seinem Land und gibt den Amerikanern keine Möglichkeit, in Weißrussland Fuß zu fassen. Das geht nur mit Repression.'

Der GUARDIAN aus Großbritannien fordert eine konsquente Haltung Europas und würdigt die Rolle Polens:

'Es ist bemerkenswert, dass die lauteste Kritik an der Regierung Weißrusslands aus Polen kommt. Polen ist jetzt EU-Mitglied und ein Land, das in der jüngsten Geschichte für seine Freiheit gekämpft hat, während seine Nachbarn noch immer unterdrückt werden. Die Europäer dürfen der Regierung in Minsk nicht nachgeben ...'