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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Susanne Eickenfonder22. April 2006

Italienische Verhältnisse / Atomstreit mit dem Iran

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Das Kassationsgericht in Italien hat nach der Prüfung von Stimmzetteln das oppositionelle Mitte-Links-Bündnis unter Romano Prodi zum Sieger der Parlamentswahl erklärt. Mit den innenpolitischen Verhältnissen in Rom sowie mit dem anhaltenden Streit um das iranische Atomprogramm beschäftigen sich auch die Kommentatoren der ausländischen Zeitungen.

Zur Lage in Italien schreiben die SALZBURGER NACHRICHTEN:

"Nun endlich gibt es Klarheit. Doch die Ruhe, die Italien am Rande des wirtschaftlichen Abgrunds und mit seiner tiefen gesellschaftlichen Spaltung dringend nötig hätte, wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Das knappe Resultat bremst individualistische Flausen in der neuen Mitte-Links- Regierungsmehrheit. Jeder, der seiner Neigung zur Profilierungssucht nachgäbe, würde die Rückkehr Silvio Berlusconis an die Macht fördern. Und das ist genau das, was die Wähler der ganzen breiten Union Romano Prodis nicht wollen."

Im CORRIERE DELLA SERA aus Mailand lesen wir:

"Die wichtigste Karte, die Prodi spielen kann, ist seine Führungsqualität. Der Sieg von Mitte-Links war sicherlich nicht berauschend, aber man muss zugeben, dass es nur die Präsenz Prodis war, die den weiten Bogen der Kräfte der 'Unione' zusammengeführt und zusammengehalten hat. Nur in seiner Person haben alle Kräfte etwas gefunden, mit dem sie sich mehr oder weniger identifizieren konnten. Einmal abgesehen vom Wahlergebnis hat sich Prodi also politisch ganz und gar die Führung der Koalition verdient."

Die britische Tageszeitung FINANCIAL TIMES befasst sich mit der anhaltenden Weigerung des scheidenden Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, seine Niederlage anzuerkennen. Zitat:

"Mit seinen Zweifeln am Wahlausgang scheint Berlusconi darauf zu setzen, dass er Prodis Koalition von Anfang an destabilisieren und damit deren Leben verkürzen kann. Wenn dem so ist, beweist er eine arrogante Missachtung der Entscheidung der Wähler an den Urnen. Es hat den Anschein, als ob Silvio Berlusconi seine eigenen Interessen mal wieder über die seines Landes stellt - und das hat er in der Vergangenheit schon viel zu oft getan."

Abschließend noch DER STANDARD aus Wien, der auf die verheerende Wirtschaftslage in Italien eingeht:

"Dem Bericht des Internationalen Währungsfonds zufolge sieht es für die Italiener ziemlich finster aus. Weder der vor einigen Wochen diskutierte Ausschluss Roms aus der Eurozone noch ein so genanntes Argentinien-Szenario werden dadurch unwahrscheinlicher. ...Die Integrationsdichte der EU ist so hoch, dass die verfahrene Situation in Italien ein ernstes Problem auch für die Union ist. Noch einmal: Italienische Innenpolitik ist europäische Innenpolitik, italienische Wirtschaftspolitik ist europäische Wirtschaftspolitik."


Themenwechsel. Die internationale Gemeinschaft ist sich weiter uneinig, wie sie im anhaltenden Atomstreit mit dem Iran vorgehen soll.

Das französische Blatt RÉPUBLIQUE DU CENTRE aus Orléans fragt:

"Wird die Frage des iranischen Atomprogramms die internationale Solidarität 'atomisieren'? Nach dem Irak könnte der Iran gut ein neuer Zankapfel werden und die internationale Gemeinschaft genauso spalten wie es der 'amerikanische Krieg' gegen Saddam Hussein getan hat. Wir müssen feststellen, dass sich trotz der iranischen Provokationen weder die Diplomaten der G8-Gruppe noch die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland, die die letzten Tage in Moskau tagten, auf Sanktionen einigen konnten. Der Regierung in Teheran sind diese Differenzen nur zu gut bewusst und sie macht sich einen üblen Spaß daraus, mit immer neuen Entgleisungen den Druck noch zu erhöhen."

Die BASLER ZEITUNG stellt fest:

"Die Iran-Diplomatie steht... am Scheideweg. Nicht Krieg oder Diplomatie lauten die Alternativen. Wohl aber: Soll man weiter versuchen, eine geschlossene internationale Front gegen Teheran aufzubauen, wenn der kleinste gemeinsame Nenner nur freundliche Ermahnungen sind? Oder muss der Druck erhöht werden notfalls einseitig, eben mit einer 'Koalition der Willigen', die das Teheraner Regime politisch und wirtschaftlich auf eigene Faust isoliert? Beides birgt Risiken."

Die dänische Tageszeitung POLITIKEN meint:

"Es gibt keine leichten Lösungen beim iranischen Problem. Aber es gibt gleichzeitig auch Grund zur Annahme, dass die atomare Abschreckung gegenüber einem mit Atomwaffen ausgerüsteten Iran so funktionieren würde, wie sie im Kalten Krieg funktioniert hat. Die Welt hat keinen Bedarf an weiteren militärischen Abenteuern in Nahost. Die Welt braucht eine ausbalancierte Kombination aus Entspannung und Abschreckung."

In der österreichischen Zeitung DIE PRESSE lesen wir:

"Ein Einsatz taktischer Nuklearwaffen, um zu verhindern, dass der Iran die Atombombe baut? 40.000 zum Selbstmord bereite junge Iraner? All dem fehlt jegliche Glaubwürdigkeit... Es ist an der Zeit, das Spiel hinter den Kulissen aufzugeben und das Personal auf die Bühne zu schicken. Wollen sie die Konfrontation vermeiden, werden Amerikaner und Iraner wohl irgendwann direkt miteinander reden müssen."

Abschließend noch die russische Zeitung KOMMERSANT, die zu dem Schluss kommt:

"Alle haben ein Interesse an diesem Krieg. Die Amerikaner fühlen sich verpflichtet, den Umbau des Nahen Ostens nach ihren Vorstellungen abzuschließen. In Teheran ist man davon überzeugt, dass den Amerikanern ein Sieg über das islamische Regime nicht gelingen wird. Der Staatsführung käme ein Krieg gelegen. Die iranische Nation wirkt geeinter als noch vor einigen Jahren."