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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Martin Muno3. Juni 2006

Polen-Reise von Papst Benedikt / Gastgeberland Deutschland

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Wenige Tage vor Beginn der Fußball-WM rückt das Gastgeberland Deutschland zunehmend in den Blickpunkt der internationalen Presse. Außerdem befassen sich viele Leitartikler der europäischen Zeitungen in dieser Woche mit der Polen-Reise von Papst Benedikt XVI.

Dazu schreibt der TAGES-ANZEIGER aus Zürich:

"Benedikts Polenreise wurde zur Hommage an seinen Vorgänger Johannes Paul II. Mit dem Besuch in Auschwitz-Birkenau setzte er dessen Versöhnungspolitik mit dem Judentum fort. Es hat ein besonderes Gewicht, dass im deutschen Vernichtungslager ein Papst aus dem Land der Täter das Terrorregime der Nazis verurteilte."

Leise Kritik wird in der Pariser Zeitung LA CROIX geäußert:

"Der Papst wollte nicht die Deutschen kollektiv für das verurteilen, was unter dem Zwang einer 'Gruppe von Kriminellen' begangen wurde. Und im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat er auch die Rolle nicht ansprechen wollen, die die anti-jüdische Stimmung in christlichen Kreisen beim Anstieg der Judenfeindlichkeit spielte."

Das französische Blatt LE MONDE wird da etwas deutlicher. Wir lesen:

"Und doch ruft die Rede, die er dort gehalten hat, Unbehagen hervor. (...) Indem der Papst für den Vernichtungsplan nur eine 'Schar von Kriminellen' verantwortlich machte, erweckte er den Eindruck, er wolle das deutsche Volk aus seiner Verantwortung entlassen - was kein Historiker mehr hinnehmen kann."

Der CORRIERE DELLA SIERRA aus Rom bemerkt dagegen:

Der deutsche Papst hat sich an den Besuch des polnischen Papstes in diesem Lager im Jahr 1979 angelehnt, und seine Gesten und Worte waren ganz auf der Höhe des Ereignisses (...). Er hat nach dem 'Schweigen' Gottes gefragt: 'Wo war er in jenen Tagen? Warum hat er geschwiegen?'."

In der britischen TIMES heißt es:

"Mit dem Gebet für Vergebung und Aussöhnung, das er im ehemaligen Nazi-Konzentrationslager Auschwitz in seiner deutschen Heimatsprache gehalten hat, hat ein düster blickender Papst Benedikt XVI. ein Tabu zwischen Christen und Juden gebrochen. Im Bewusstsein, dass dies für die ältere Generation immer noch die Sprache der früheren Besatzer ist, hat es der Papst während seiner viertägigen Pilgerreise vermieden, Deutsch zu sprechen. (...) Die Entscheidung für Deutsch in Auschwitz war eine bewusste Geste - eine Bestätigung, dass er nicht nur als Oberhaupt der katholischen Kirche ins Lager kam, sondern auch als Individuum und als Deutscher."

Und ein Blick in den DAILY TELEGRAPH aus London:

"Der Besuch von Papst Benedikt VXI. in Auschwitz ist die Krönung im langen Aussöhnungsprozess zwischen seinem Heimatland Deutschland und dessem östlichen Nachbarn. 1970 kniete Willy Brandt als Kanzler des Landes, das den Blitzkrieg begann, vor dem Denkmal zur Erinnerung an die Helden des Warschauer Ghettos nieder. Jetzt betete der Papst, der früher ein Mitglied der Hitler-Jugend war und kurzzeitig auch in der Wehrmacht diente, an der berüchtigtsten Stätte des Holocaust (...) für Frieden. (...) Es war ein Moment von tiefer historischer Bedeutung."

Beim zweiten Thema - dem Image des WM-Gastgeberlandes steht sowohl das Problem der Zwangsprostitution während des Turniers als auch die anhaltende rechtsextreme Gewalt gegen Ausländer im Blickpunkt.

Dazu schreibt die österreichische Zeitung KURIER:

"Deutschland 2006 läuft Gefahr, durch tretende und prügelnde, gar Waffen tragende Rechte einen Image-Schaden zu erleiden. Junge Menschenverächter mit Nazi-Gehabe machen immer wieder Schlagzeilen. (...) Bitter an der Debatte in Deutschland ist aber nicht nur die Ursache, nämlich rechte Gewalt, sondern vor allem, dass diese Debatte regelmäßig nach einschlägigen Ereignissen wohl erschrocken, aber ebenso kurzatmig geführt wird. (...) Das die zu Ächtenden den Takt der Debatte vorgeben, ist auch schon ein Teilsieg für sie."

Die britische TIMES bemerkt zu diesem Thema:

"Mode, Eleganz und Leichtigkeit - willkommen bei der neugestalteten Marke Deutschland. Die Fußballweltmeisterschaft offeriert der Lokomotive der europäischen Wirtschaft eine beispiellose Chance, alte Klischees zu beerdigen und Deutschland als dynamisches, ungezwungenes und heiteres Land herauszustellen. (...) Die Organisatoren hoffen auch, dass Millionen von Touristen Deutschland und die Deutschen mögen werden. Doch das könnte schwer werden. Deutschland hat sich 60 Jahre bemüht, die Verirrung von 12 Jahren Wahnsinn zu überwinden und es kämpft immer noch gegen dieses Image."

Die dänische Tageszeitung INFORMATION meint zur Debatte um die massiv erwartete Zwangsprostitution während des Turniers:

"Die Fußball-WM wird neben internationaler Aufmerksamkeit wahrscheinlich auch etwa 40.000 osteuropäische Prostituierte anziehen. Sie sollen in den Spielorten installiert werden, damit das auf Fußball und Sex hungrige Publikum alle Bedürfnisse gleichzeitig befriedigen kann. Dass Prostitution auch bei großen Sportereignissen stattfindet, kann nicht verwundern. Aber die Reaktion der deutschen Behörden zeigt das gewaltige moralische Problem, mit dem Europa es zu tun hat. Man hat nicht nur die Augen vor diesem Sexgeschäft geschlossen, sondern den osteuropäischen Mädchen sogar noch Einrichtungen zur Verfügung gestellt."

Und in der französischen Zeitung REPUBLIQUE DU CENTRE heißt es:

"Wozu ist es gut, jedes Jahr heuchlerisch einen Tag der Frau zu feiern, wenn man jede erstbeste Gelegenheit nützt, um die schmutzigsten Klischees zu verbreiten? In jedem Fussballfan soll also ein Schwein schlummern. Warum bietet man dann eigentlich keine Kombi-Tickets 'Stadium-Bordell' an? Sicherlich, die Prostitution ist in Deutschland legal, doch es ist schon bedauerlich, dass ein sportlicher Wettbwerb zum Vorwand für eine Sex-Werbekampagne genommen wird."