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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Gerhard M Friese26. August 2006

Europas Entscheidung für Libanon-Truppe/ Antwort des Iran im Atomstreit

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Die Verständigung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union über ihren Beitrag zur UN-Friedenstruppe im Libanon und die Antwort des Iran auf das Angebot der Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrats und Deutschlands im Atonmstreit waren in dieser Woche die herausragenden Themen der Kommentare in der Auslandspresse.

Zur Einigung in der EU schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz:

"Hauptproblem der in der Europäischen Union zusammengeschlossenen Staaten bleibt, ob sie neben einem Krisenmanagement auch für eine gefährliche Mission zur Erzwingung eines Friedens wirklich fähig sind. Das bedeutet unter anderem militärische Gewaltanwendung, unweigerlich Verluste, Parteinahme, Druck auf die Zusammenarbeit mit den übrigen Partnern und politischen Druck auch an der Heimatfront. Anderseits bietet sich bei einem Erfolg eine Chance, den europäischen Zusammenschluss auf einem wichtigen Feld real voranzubringen und überdies eine sich abzeichnende transatlantische Arbeitsteilung noch zu verstärken. Doch die Zeichen dafür stehen nicht sonderlich gut."

Der ebenfalls in Zürich erscheinden TAGES-ANZEIGER meint mit Blick auf den Einigungsprozess in der EU:

"Wem von all diesem Vor und Zurück noch nicht schwindlig geworden ist, der dürfte nüchtern feststellen, dass die EU eine große Chance verpasst hat, in dieser Region einen überzeugenden Friedensbeitrag zu leisten. Das wäre umso wichtiger gewesen, als Europa eine Mitverantwortung für die Probleme im Nahen Osten trägt, die von den Folgen des europäischen Kolonialismus und Antisemitismus geprägt sind." Die italienische Zeitung LA STAMPA sieht das anders:

"Für Europa handelt es sich um eine unverhoffte Auferstehung, angesichts der Tatsache, dass das 'Herz' der internationalen Truppe europäisch sein wird. Vielleicht befinden wir uns ja am Beginn eines echten Multinationalismus, nach all den Jahren der amerikanischen Vorherrschaft."

Das französische Blatt LE FIGARO verweist auf den kritischen Teil des Auftrags:

"Den UNIFIL-Einsatz macht noch heikler, dass er unter der aufmerksamen Überwachung der israelischen Armee erfolgt, die sich das Recht vorbehält, bei der geringsten 'Verletzung' der Resolution 1701 einzugreifen. Der Hisbollah-Verbündete Syrien, über den die Waffenlieferungen laufen, will eine UNIFIL-Positionierung an seinen Grenzen als 'feindlichen' Akt ansehen. Der Rahmen ist also gegeben für eine Zuspitzung bei der geringsten Provokation."

Wenig Chancen für einen Erfolg der UN-Truppe sieht die bulgarische Zeitung SEGA:

"Es gibt keinen Politiker, der es wagen würde, einen baldigen Frieden im Nahen Osten zu prognostizieren. Dort ist der permanente Krieg ein normaler Zustand seit bereits 60 Jahren. Hinter dem schönen Gedanken, dem Frieden mit einem internationalen Einsatz eine Chance zu geben, verbirgt sich noch eine Rechnung, die nicht aufgeht."

Der Iran hat im Atomstreit keine klare Antwort auf das Angebotspaket der fünf Veto-Staaten des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands gegeben. Die Regierung in Teheran taktiere und spiele auf Zeit, so die Meinung der meisten ausländischen Tageszeitungen.

Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA bemerkt:

"Auf die einzige Frage, die wirklich alle interessierte, gab es keine Antwort. Aber dafür ist das Dokument, mit dem der Iran überaus geschickt die Forderung des UN-Sicherheitsrates nach Unterbrechung seines Atomprogramms umgeht, überaus lang, raffiniert und gespickt mit Details... . Aber nicht einmal die Amerikaner scheinen es derzeit in dieser Frage eilig zu haben. Weder der US-Botschafter bei den UN noch Präsident Bush wollen, dass die Krise wie eine Privatsache zwischen den USA und dem Schurkenstaat im Visier der amerikanischen 'Neocons' erscheint."

Die österreichischen SALZBURGER NACHRICHTEN sehen den Iran in einer Position der Stärke:

"Wenig drängt die Iraner derzeit, in diesem Streit nachzugeben und das von Europäern und Amerikanern geschnürte Kompromissangebot zu akzeptieren. Zunächst hat der Machtwechsel im Irak die regionale Balance zu Gunsten der Schiiten-Vormacht verschoben. Dann haben die Iraner davon profitieren können, dass den USA durch das andauernde Irak-Fiasko die Hände gebunden sind. Die Schwäche anderer Spieler auf der Weltbühne lädt die Iraner zu einem auftrumpfenden Auftreten geradezu ein."

Und das französische Blatt DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE schreibt: "Keine einzige westliche Macht, angefangen bei den USA, glaubte daran, dass Iran sein Nuklearprogramm nicht fortsetzen würde. Viel mehr als eine arrogante Absage an den erklärten Feind ist es eine Botschaft, die Ayatollah Ali Khamenei an die ganze Welt gerichtet hat:... Heute muss sich der Westen damit abfinden, den Iran als regionale Großmacht anzuerkennen, an der auf der Suche nach einem Frieden im Nahen Osten kein Weg vorbeiführt."

Auch für die russische Zeitung KOMMERSAT ist der Vorgang längst erledigt: "Die Frage, ob die Werte der internationalen Gemeinschaft eine Erweiterung des Atommächteclubs um den Iran zulassen, ist schon nicht mehr interessant. Unausweichlich werden die meisten Länder, die industriell wenigstens auf dem Stand der 1970er Jahre stehen, sich die Technik der Herstellung von Kernbrennstoffen und Atomwaffen beschaffen. Das einzige Mittel, den Iran bis 2025 noch am Erwerb von Nukleartechnologie zu hindern, ist eine Liquidierung seines politischen Systems - oder des ganzen Landes."

Die österreichische Zeitung DIE PRESSE sieht da noch Zwischenschritte:

"Keine Alternative darf es sein, eine iranische Atombombe zu dulden. Denn bei der Islamischen Republik handelt es sich eben nicht um ein Regime wie jedes andere. Einer Regierung, die wiederholt damit droht, Israel auszulöschen, muss man zutrauen, dass es die Atombombe auch einsetzt. Dieses Restrisiko ist derart unerträglich, dass auch die allerletzte Option, eine Militärintervention, nicht vom Tisch genommen werden kann. Doch noch bleibt Zeit zum Verhandeln."