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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Christoph Schmidt21. Oktober 2006

EU-Gipfel in Lahti / Atomstreit mit Nordkorea

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Beim EU-Gipfel im finnischen Lahti standen die Gespräche mit Russlands Präsident Putin im Mittelpunkt. Europa ist auf Gaslieferungen aus Russland angewiesen. Putin versprach ausreichende Versorgung, Garantien wollte er aber nicht geben. Ein weiteres Thema dieser Presseschau ist abermals der Atomstreit mit Nordkorea.

LA REPUBBLICA aus Italien zieht eine gemischte Bilanz der europäischen Gespräche mit Russland:

"Der EU-Gipfel von Lahti hat nicht zur Lösung der Probleme zwischen der energiepolitischen Supermacht Russland und der EU geführt. Zwar herrschte Optimismus nach außen, doch in der Sache herrscht unveränderte Distanz. Das gemeinsame Abendessen der EU-Politiker mit Putin wurde teilweise zum Erfolg, betrachtet man die Tatsache, dass die Mitgliedsländer nicht vor ihrem Gast politisch auseinander gebrochen sind, wenn Europa auch nicht sonderlich scharf gegen Moskau vorging."

Die bulgarische Zeitung DEWNIK kommt zu einem anderen Ergebnis und sieht zwei Gründe für das schwierige Verhältnis beider Seiten:

"Der erste liegt darin, dass Europa nicht mit einer Stimme redet und jeder Staat sich selbst mit Wladimir Putin abspricht. Der zweite ist, dass die wirtschaftlichen Argumente nicht enscheidend für den Kreml sind, der seine Energiewirtschaft als starke geopolitische Waffe benutzt. Und wenn es um die politischen Meinungsverschiedenheiten mit Russland geht, sind beide Seiten offenbar verurteilt, ewig verschiedene Sprachen zu sprechen."

Hierzu wirft der französische LE MONDE einen Blick auf die Menschenrechte in Russland:

"Es war ein Fehler zu glauben, Wladimir Putin würde in Russland die Ordnung wiederherstellen. Nichts dergleichen. Die Zahl politisch motivierter Verbrechen ist nicht gesunken. Eher im Gegenteil. Der Mord an Anna Politkowskaja hat Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil sie für ihren Mut berühmt war. Aber sie ist nur eine von vielen. Seit den Spannungen zwischen Moskau und Tiflis sind die Georgier Opfer des offiziellen Rassismus'. In Putins Augen ist der Staat kein Schiedsrichter. Nach alter russischer Tradition - geerbt von Zar und Sowjetregime - ist der Staat ein Zwangsinstrument, dem die Menschen zu huldigen und sich zu unterwerfen haben."

Und die italienische LA STAMPA blickt sorgenvoll auf den kommenden Winter:

"Was die Worte angeht, ist alles in Ordnung, was die Tatsachen betrifft, so wird man noch ein paar Monate warten müssen. Europa bietet politischen Dialog an und verlangt stabile und gesicherte Energielieferungen Russlands, damit die Wohnungen in Europa nicht kalt bleiben. Und Wladimir Putin schwört, dass die Ressourcen ausreichen, aber fordert zugleich, nicht allzu viel Druck auf Russland auszuüben. Aber ob unsere Heizungen warm bleiben, das ist, trotz der schönen Worte, riskant vorherzusagen."


Themenwechsel: Im Atomstreit mit Nordkorea war US-Außenministerin Rice in dieser Woche unterwegs von China bis Russland, um für eine konsequente Umsetzung der beschlossenen UN-Sanktionen gegen das kommunistische Land zu werben.

Die französischen DERNIÈRES NOUVELLES D´ALSACE analysieren die Motive der USA:

"In den Augen der Welt sind die USA im Irak schachmatt. Es ist also besser, anderswo Erfolg zu haben, um glaubwürdig zu bleiben. Diese Logik scheint Condoleezza Rice zu beflügeln. Für Washington steht viel auf dem Spiel. Ein weiterer nordkoreanischer Atomtest wäre eine Ohrfeige. Er könnte einige Zweifel an der amerikanischen Entschlossenheit bei den Japanern und Südkoreanern wecken. Und deshalb bemüht sich die Außenministerium, diese Allianzen zu festigen, die für die USA ebenso wichtig sind, wie für die betroffenen Länder."

Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN meint zu den Sanktionen:

"Handelsboykotte haben selten die gewünschten Resultate gebracht. Trotzdem kann man sich nur schwer Alternativen vorstellen. Die Hoffnung besteht darin, dass die Drohung mit fast vollständiger Isolation Nordkorea zur Revision seiner bisherigen Haltung bringt. Wenn nicht, muss man sich auf eine Zuspitzung des Konfliktes einstellen. Für die internationale Gemeinschaft ist wichtig, dass ein solcher Konflikt nicht durch einseitige Maßnahmen der USA oder anderer Länder ausgetragen wird."

Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich bezweifelt die Wirksamkeit wirtschaftlicher Repressalien und schreibt:

"Ganz sicher wird sein, dass die Sanktionswaren teurer werden. Es verdienen die Lieferanten großartig. Nicht selten sind es Leute aus den Staaten, die sanktionieren. Man erinnere sich, was so alles öffentlich wurde über verbotene Lieferungen an Saddam Husseins Irak. Wenn gemeint wird, der Diktator Kim Jong Il werde um seinen Bordeaux gebracht: Er wird wohl genug Vorräte im Keller haben. Gesichert ist: Sanktionen kosten und das Volk zahlt die Kosten."

Der britische DAILY TELEGRAPH sieht bei einer Eskalation des Konflikts große Gefahren und kommentiert:

"Ein militärisches Vorgehen könnte bedeuten, Seoul und seine Vororte zu opfern, wo rund 21 Millionen Menschen zu Hause sind. Eine Verschärfung der Wirtschaftssanktionen würde in Nordkorea das hungernde Volk treffen, und schon frühere Hungersnöte haben die Macht des Regimes nicht gemindert. Alles, was bleibt, ist, eine Absperrkette um Nordkorea zu ziehen - in der Hoffnung, dass der Import von nuklearem Material unterbunden wird. Aber auf lange Sicht ist die beste Strategie, auf den Tod von Kim Jong-Il zu warten."