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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Reinhard Kleber28. Oktober 2006

Skandal um Afghanistan-Fotos / Jahrestag der Unruhen in Frankreich

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Die Veröffentlichung von Fotos, auf den deutsche Soldaten in Afghanistan mit Totenschädeln posieren, hat in der Bundesrepublik für helle Aufregung gesorgt. Die Bundeswehr zog rasch Konsequenzen und suspendierte zwei Soldaten vom Dienst. Ein weiteres Thema ist der Jahrestag der Krawalle in französischen Städten. Doch zunächst zum Bundeswehr-Skandal, der auch in der internationalen Presse ein lebhaftes Echo gefunden.

Die italienische Zeitung LA STAMPA schreibt:

"Es handelt sich nicht um Folterungen wie im irakischen Gefängnis Abu Ghoreib oder gar um Mohammed-Karikaturen; der Totenschädel stammt vermutlich von einem russischen Soldaten, aber die Folgen des Vorfalls dürften verheerend sein und er könnte eine neue Welle der islamischen Wut auslösen, mit Anschlägen in Afghanistan oder gar in Deutschland selbst. (...) Ein Vorfall, der umso verantwortungsloser erscheint, da die deutschen Soldaten, die nach Afghanistan kommen, in einem besonderen Kurs zwei Wochen lang auf die Kultur und die Religion des Landes vorbereitet werden."

Die russische Tageszeitung KOMMERSANT stellt den aktuellen Skandal in einen historischen Kontext:

"Aus dem historischen Gedächtnis kommen sofort Erinnerungen an das Dritte Reich hoch, als die Soldaten des Führers mit den Schädeln ihrer Feinde spielten. Deutschland hat Jahrzehnte gebraucht, um seine Kriegsschuld zu begleichen. Erst vor kurzem marschierten wieder deutsche Soldaten in ein fremdes Land ein. Dieses Mal allerdings nicht als Eroberer, sondern als Teil einer Friedensmission. (...) Es war die optimale Gelegenheit zu beweisen, dass der neue deutsche Soldat für den Schutz in der Welt steht. Doch der Skandal mit den Schädeln hat mit einem Schlag dieses neue Bild zerstört."

Dagegen mahnen die SALZBURGER NACHRICHTEN aus Österreich, bei aller Kritik das Maß zu wahren:

"Störungen der Totenruhe sind ein schändlicher Akt. Sie zeugen von der Missachtung ethischer Prinzipien über den Tod hinaus. Das Spiel mit dem Totenschädel ist Ausdruck eigener Dummheit, Überheblichkeit und von Macho-Gehabe. Dass die ohnehin vom Afghanistan-Einsatz sensibilisierte deutsche Öffentlichkeit geschockt reagiert, ist nachvollziehbar - besonders, wenn diese Sensibilität von einem nach Skandalen gierenden Massenblatt geschürt wird. Nur: Man sollte den Schädel eines Toten in Relation zu jenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit setzen, die an Lebenden begangen werden."

Anders das spanische Blatt EL PAIS, das den Skandal mit der Neubestimmung der deutschen Verteidigungspolitik verknüpft:

"Die Vorstellung des neuen Weißbuchs zur deutschen Sicherheitspolitik sollte zu einem großen Ereignis werden. Sie wurde jedoch überschattet von den Skandalbildern aus Afghanistan. Alle Länder müssen peinlich genau auf das Verhalten ihrer Soldaten achten. Die Aufregung, die die Fotos in Deutschland auslösten, ist ein Beweis dafür, dass weder die Regierung noch die Gesellschaft ein Fehlverhalten ihrer Militärs hinnehmen."


Soweit der Skandal um die Totenschändungen in Afghanistan. Und nun nach Frankreich: Als vor rund einem Jahr in einer Pariser Vorstadt zwei Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei ums Leben kamen, löste dies dreiwöchige Krawalle aus. Damals wurden viele öffentliche Gebäude und 10.000 Fahrzeuge angezündet. Aus Sorge vor einem erneuten Aufflammen der Gewalt verstärkte die Polizei in einigen Vororten von Paris ihre Kräfte. Der Jahrestag der Krawalle ist ein zentrales Thema der internationalen Tagespresse.

So meint die spanische Zeitung ABC:

"Ein Jahr nach den Unruhen liegt noch immer ein dunkler Schatten auf den französischen Vorstädten. Die Lage ist Besorgnis erregend. Die Zusammenstöße zwischen Polizisten und Jugendbanden häufen sich. (...) Die Spannungen werden durch die anstehende Präsidentenwahl noch verschärft, denn die Sicherheit ist das wichtigste Wahlkampfthema. Noch wichtiger aber ist, dass die französische Politik sich bisher einzig und allein auf eine polizeiliche Repression beschränkt hat. In den Vorstädten wurde in den vergangenen Monaten keine Maßnahme ergriffen, um die sozialen Ursachen der Rebellion zu bekämpfen."

Skeptisch zeigt sich auch der STANDARD aus Österreich:

"Millionen von Banlieue-Bewohnern kriegen zunehmend das Gefühl, vom übrigen Frankreich abgekoppelt und ohne Zukunftsperspektiven zu sein. Das ist die Wurzel der Gewalt. Doch der politische Wille für die Integration der französischen Townships fehlt schlicht. Schlimmer noch: Die Banlieue-Bevölkerung hat heute den Eindruck, dass die Pariser Politiker auf ihrem Rücken Wahlkampf betreiben. Die Frage ist deshalb nicht mehr, ob es wieder losgehen wird, sondern wann."

Das italienische Blatt CORRIERE DELLA SERA gibt zu bedenken:

"Wenn die Revolte vor einem Jahr noch als eine spontane erschien, die dann durch das Medienecho angefacht wurde, so ist man heute mit Aktionen konfrontiert, die von den Banden vorprogrammiert werden, die wiederum entschlossen sind, die Ereignisse von vor einem Jahr zu 'feiern' und zu 'rächen'. Das Risiko, dass sich dies ausbreitet, ist äußerst hoch, und diese Gefahr wird genährt durch den Eindruck, dass sich seit den Unruhen vor einem Jahr nichts geändert hat in den Lebensbedingungen von Millionen Menschen, zumeist jungen Leuten, Söhnen und Enkeln von Einwanderern, die doch aber auch und nicht zuletzt französische Staatsbürger sind."

Die amerikanische Zeitung THE WASHINGTON POST stellt die Krawalle in französischen Vorstädten vor einem Jahr in einen Zusammenhang mit der Debatte über den Umgang mit Muslimen in Europa und führt aus:

"Die Muslime in Europa sollten dazu eingeladen werden, die Länder, in denen sie nach ihren eigenen Sitten leben, lieben zu lernen. Von ihnen muss erwartet werden, dass sie Rechte und Freiheiten respektieren. Vor allem aber sollten Politiker stärker daran arbeiten, die Barrieren abzubauen, mit denen die Muslime zu kämpfen haben, wenn sie Ausbildung und Arbeit bekommen wollen."