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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Gerhard M. Friese6. Januar 2007

Hinrichtung des irakischen Ex-Machthabers Saddam Hussein/ Deutsche EU-Ratspräsidentschaft

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Die Hinrichtung des irakischen Ex-Machthabers Saddam Hussein und deren Begleitumstände war in der vergangenen Woche das zentrale Thema der Kommentare ausländischer Tageszeitungen. Große Aufmerksamkeit fand auch die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft und des Vorsitzes der Gruppe der sieben führenden Industrienationen und Russlands -G8- durch Deutschland.

Zunächst zum Irak. Die amerikanische Zeitung NEW YORK TIMES setzt sich mit den möglichen Folgen der Hinrichtung Saddam Husseins auseinander:

"Für die Bush-Regierung, die darauf besteht, in den Irak-Krieg gezogen zu sein, um dort Demokratie und Gerechtigkeit zu schaffen, waren die weltweit gesehenen Bilder beschämend. Unglücklicherweise werden alle US-Amerikaner dafür verantwortlich gemacht werden, während das irakische Volk nun wahrscheinlich noch mehr leiden wird. Was ein symbolischer Übergang aus der dunkelsten Ära des Irak werden sollte, wird stattdessen eine düstere neue Ära der Rache zwischen den rivalisierenden Gruppen im Irak anheizen."

Die in der Schweiz erscheinende BASLER ZEITUNG schreibt:

"So handelt es sich bei der Hinrichtung Saddams wohl eher um einen späten Tyrannenmord, der das kollektive Weltgewissen nachträglich entlastet, ihn überhaupt so lange politisch gewährt haben zu lassen. Das aber schreit nach einem Weltstrafgericht, das solche Fälle nach einem transnational organisierten, durchsichtigen Rechtsverfahren aburteilt. Und natürlich die Todesstrafe ausschließt."

Das serbische Blatt DANAS sieht das viel härter:

"Der Prozessverlauf gegen Saddam in Bagdad, die Vollstreckung der Todesstrafe und die spätere Kritik dieser sind beispielhaft für die Heuchelei der demokratischen Welt, vor allem jener Staaten die sich als deren Speerspritze betrachten. Gerade diese Staaten sind zu einer Art Helfershelfer einer brutalen Lynchjustiz an Saddam geworden und sind nicht Beteiligte an der Hinrichtung, das heißt an der Vollstreckung der Todesstrafe."

Die britische TIMES warnt vor einer zu schnellen Verurteilung der Iraker:

"Die Gräuel, die sie in den langen Jahren seiner Tyrannei erlitten haben, sind für die meisten im Westen unvorstellbar. Die Demütigungen, die seine Opfer erfahren haben, sind weit schlimmer als die Verhöhnungen bei seiner Hinrichtung. Wie auch immer: Der Irak wird nur dann über seine schreckliche Vergangenheit hinauswachsen, wenn er solche Verhaltensweisen überwindet. Das wäre die beste Lektion, die die irakische Regierung aus dieser makabren Affäre lernen könnte."

Und der italienische CORRIERE DELLA SERA nimmt die Hinrichtung zum Anlass, mit der Todestrafe abzurechnen:

"Wer die Aufgabe hat, für Gerechtigkeit zu sorgen, darf sich nicht auf die gleiche Stufe mit dem Kriminellen stellen, ob es sich dabei nun um einen Ex-Tyrannen handelt oder nicht. Aus dieser Reifung der Prinzipien in Europa entsteht die Ablehnung der Todesstrafe, die bei vielen Menschen noch durch religiöse Motive verstärkt wird... . So gibt es jetzt zwei Ziele: Die Entwicklung des Gewissens zu fördern und mehr internationale Gerichtshöfe einzurichten, die keinen Galgen vorsehen."

Mit der Übernahme der Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union und des Vorsitzes der Gruppe der sieben führenden Industrienationen und Russlands - der G8 - durch Deutschland zum 1. Januar befasst sich die britische FINANCIAL TIMES:

"Angesichts des andauernden Chaos' im Nahen Osten, der schmerzlich geschwächten US-Regierung und einer EU, die durch den Abgang von zwei ihrer dienstältesten Führer - Jacques Chirac und Tony Blair - sehr mit sich selbst beschäftigt ist, wird dies für Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Testfahrt. Es wird auch ein wichtiger Moment für ein selbstbewusster werdendes Deutschland, das auf der Weltbühne seine Akzente setzen kann."

Die italienische Tageszeitung LA STAMPA ergänzt:

"Falls das Halbjahr der deutschen EU-Präsidentschaft scheitern sollte, wäre es mit dem Vertrauen in den europäischen Einigungsprozess vorbei. Europa würde dann im politischen Sumpf enden. Wenn man diese gespenstische Bedrohung im Gedächtnis behält, dann versteht man das Geschick der Kanzlerin, sich gleich zu Beginn ihrer Präsidentschaft ein weiteres gemeinsames Ziel vorzunehmen, das auch einen Fehlschlag beim Wiederbeginn des EU-Verfassungsprozesses überleben würde: Eine transatlantische Vereinbarung in der Wirtschaft zwischen Europa und den USA. Es handelt sich dabei um das einzige Gebiet, in dem Europa noch 'mit einer Stimme' spricht."

Der Londoner GUARDIAN merkt an:

"Angela Merkel, die weithin für ihr entschlossenes Herangehen gelobt wird, muss ihren Einfluss nutzen, um die Union über die sterile Diskussion um die todgeweihte Verfassung hinaus zu bringen, und sie muss Unterstützung gewinnen für einige notwendige, wenngleich minimale, institutionelle Reformen, damit diese schwerfällige 27-Mitglieder-Show weitergeht. Energiesicherheit und die damit verbundene Frage der Beziehungen zu einem zunehmend schwierigeren Russland sowie eine passendere Umweltstrategie sind sehr ernste Herausforderungen."

Dazu meint der Pariser FIGARO:

"Was die Energieversorgung betrifft, hat man oft den Eindruck, dass Deutschland eine Politik führt, die von Europa völlig losgelöst ist... Im Energiebereich muss sich Deutschland auf die Seite Europas stellen und nicht auf die der Russen. Die erste Wirtschaftsmacht Europas hat die Möglichkeit, eine europäische Energiepolitik zu entwickeln."

Das ebenfalls in Frankreich erscheinende Blatt LE MONDE kommentiert:

"Um Europa wieder in Gang zu bringen, müssen die Franzosen Vorschläge machen, die neue Kooperationen begünstigen. Und sie müssen auch beweisen, dass sie bereit sind, die von einer Mehrheit der Länder getroffenen Entscheidungen zu akzeptieren, was bisher kaum der Fall war. Die Deutschen ihrerseits müssen einen europäischen Wagemut unter Beweis stellen. Sie können sich nicht mit einem Status quo zufrieden geben, der Europa weiterhin lähmen würde."