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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Christian Walz3. Februar 2007

Weltklima-Bericht / Fälle Kurnaz und el-Masri

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Eines der zentralen Themen in der ausländischen Presse waren die alarmierenden Ergebnisse des am Freitag veröffentlichten UN- Klimaberichts.

Zunächst ein Blick in die britische Zeitung GUARDIAN. Das Blatt schreibt:

"Vielleicht am bedrückendsten am gesamten UN-Bericht ist die Tatsache, dass die zu erwartenden Folgen unabwendbar sind. Egal, was von nun an passiert, so heißt es darin, die Folgen des Klimawandels werden über Jahrhunderte zu spüren sein. Nichts kann gemacht werden, um die Verbreitung des Giftes zu stoppen. Frustrierenderweise liefern die Wissenschaftler eine Diagnose, aber wenig für eine Heilung. Was wir wissen, ist einfach: Der Klimawandel wird wahrscheinlich von Kohlendioxid-Emissionen verursacht. Die Antwort besteht also darin, diese Emissionen herunterzufahren. Jetzt sofort ist es an der Zeit dazu."

Das französische Wirtschaftsblatt LES ECHOS schlägt vor:

"Man kann die Energiepreise drastisch über Steuern erhöhen, damit sie die Kosten der Umweltverschmutzung berücksichtigen. Oder man kann die Normen für Energie verbrauchende Produkte verschärfen. Eine Kombination von beidem würde es ermöglichen, die Entwicklung wirtschaftlicherer Lösungen zu finanzieren und vor allem unser Verhalten zu ändern."

Wenig optimistisch zeigt sich die italienische Zeitung LA REPUBBLICA:

"Die Vereinten Nationen haben die bösen Vorahnungen bestätigt: Wir haben nicht mehr viel Zeit, um die Entwicklung noch umzukehren oder zumindest zu verlangsamen. Dies sollte eigentlich ausreichen, damit das Thema Umwelt in jedem politischen Programm jeder Partei der Welt und jedes Regierungschefs an die erste Stelle gesetzt wird. Und zwar mit Abstand an die erste Stelle. Aber dies geschieht nicht."

Die Zeitung SUD OUEST aus Bordeaux fragt sich:

"Liegt die Lösung in der Schaffung einer UN-Organisation für Umwelt und einem weltweiten Umweltmanagement, wie es Präsident Jacques Chirac vorgeschlagen hat? Es ist eine Chance für die Menschheit, dass der Klimawandel alle Grenzen und die letzten ideologischen Gegensätze überschreitet. Der Kampf wird vom Planeten in seiner Gesamtheit gewonnen oder verloren werden. Im Zeitalter des Internets kann man aber am Nutzen einer neuen internationalen Mammut- Organisation zweifeln, deren Vorzüge erheblich geringer sein dürften als ihre Kosten."

Und die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT ist folgender Ansicht:

"Angesichts der Realität des Treibhauseffekts stehen drei Wege offen: Versuchen, der Erwärmung vorzubeugen, sie abzubremsen oder die Gesellschaft anzupassen. Für das erste ist es schon zu spät. Der zweite Weg, der des Kyoto-Protokolls, wirkt höchstens auf lange Sicht, wenn große Luftverschmutzer wie die USA und China sich auch anschließen. Selbst wenn alle derzeitigen Kyoto-Unterzeichner die Zielvorgaben einhielten, hätte das kaum einen Effekt auf die Temperaturerhöhung. Daher bleibt den Regierungen vor allem die Pflicht, die Gesellschaft so gut wie möglich vorzubereiten auf die Veränderung des Klimas und die Folgen, die sie für die Natur, die Landwirtschaft und den Wasserhaushalt haben wird."


Themenwechsel. Im Blickpunkt der internationalen Presse standen in dieser Woche auch wieder wichtige Themen aus Deutschland: Die Kommentatoren befassten sich mit dem Fall des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz und der strafrechtlichen Verfolgung von CIA-Agenten durch deutsche Justizbehörden.

Die österreichische Tageszeitung DIE PRESSE kritisiert die Erklärungversuche von Außenminister Steinmeier im Fall Kurnaz. Dem SPD-Politiker wird vorgeworfen, 2002 als Kanzleramtschef die Freilassung des in Bremen aufgewachsenden Türken verhindert zu haben. Das Blatt schreibt:

"Es gab und gibt Formalargumente, die (Steinmeiers) Taktik rechtfertigen. Kurnaz hatte einen türkischen Pass, galt als radikaler Islamist, wenngleich selbst die Amerikaner sein Gefährdungspotenzial bald als gering einstuften. Doch moralisch haltbar ist das heuchlerische Verhalten der (damaligen) rot-grünen Regierung nicht. Mit seiner stoischen Beharrlichkeit macht Steinmeier alles nur noch schlimmer. Er müsste sich entschuldigen bei Kurnaz, der vier verlorene Jahre in Haft schmorte."

Der Wiener STANDARD schließt sich der Kritik an:

"Zweitklassig ist auch Steinmeiers Krisenmanagement. Zuerst wollte er überhaupt kein Freilassungsangebot der USA gekannt haben, dann wurde Kurnaz doch als Sicherheitsrisiko eingestuft - was nur dann logisch erscheint, wenn man von der Möglichkeit einer Freilassung ausgegangen ist. Es ist höchste Zeit, dass Steinmeier vor dem Untersuchungsausschuss aussagt und nicht bloß in Zeitungsinterviews häppchenweise Stellung nimmt."

Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA weist auf die möglichen Folgen für die Bundesregierung hin:

"Das Gespenst in Gestalt eines ehemaligen Guantanamo-Häftlings bedroht die Karriere von Außenminister Steinmeier. Es vergrößert sich ein gefährlicher Riss in der großen Koalition. Steinmeier, der von der Bundeskanzlerin ohne sonderliche Leidenschaft verteidigt wird, bleibt weiterhin im Visier."

Vom Fall Kurnaz zum Fall el-Masri. Die von der Münchner Staatsanwaltschaft erwirkten Haftbefehle gegen Agenten des US-Geheimdienstes CIA beschäftigt die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA:

"So etwas hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben: In Deutschland werden 13 CIA-Agenten gesucht, die für die Entführung eines deutschen Staatsbürgers nach Afghanistan verantwortlich sind. Den CIA-Leuten droht bis auf Weiteres jedoch kein Freiheitsentzug, da deutsche Haftbefehle in den USA keine Rechtskraft haben. Die derzeit exzellenten deutsch-amerikanischen Beziehungen dürfte dieser Fall jedenfalls nicht beeinflussen, da es sich hier um eine rechtliche, nicht um eine politische Angelegenheit handelt."

Zum Abschluss ein Blick in das russische Blatt WREMJA NOWOSTEJ, das die Ausstellung der Haftbefehle für einen wichtigen symbolischen Schritt hält:

"Damit hat die deutsche Staatsanwaltschaft der amerikanischen Regierung zu verstehen gegeben, dass die CIA im Ausland nicht nach eigenem Gutdünken schalten und walten darf. Dieser Vorstoß zielt direkt in das Herz der amerikanischen Antiterrortaktik."