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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Frank Wörner17. Februar 2007

Freilassung der früheren RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt / Rede des russischen Präsidenten auf der Sicherheitskonferenz

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Die Kommentatoren der internationalen Tageszeitungen befassen sich mit der Rede des russischen Präsidenten Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz und der angekündigten Freilassung der früheren RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt.

Zu letzterem stellt die dänische Zeitung POLITIKEN fest:

'Deutschland tut recht daran, Brigitte Mohnhaupt, nach 24 Jahren im Gefängnis freizulassen. Nicht weil sie Sympathie verdient hätte. Und auch nicht, weil ihre Verbrechen mit Mord oder Beteiligung an der Ermordung von neun Menschen sich irgendwie in Grenzen gehalten hätten. Sondern weil sie das Glück hat, in einem Rechtsstaat zu leben. Ungeachtet der Tatsache, dass sie eben den Rechtsstaat terrorisieren wollte.'

Ähnlich äußert sich die österreichische Tageszeitung DER STANDARD:

'Müsste Mohnhaupt weiterhin in Haft bleiben, hätte dies allzu sehr nach nicht enden wollender Rache ausgesehen. So aber ist Recht gesprochen worden, das jedoch auf keinen Fall einen Schlussstrich bedeutet. Im Gegenteil: Dieses Jahr gedenkt Deutschland der Toten des 'deutschen Herbstes', jener Menschen, die 1977 durch den Terror der RAF umkamen. Sie sind nicht vergessen, auch wenn der Staat Mohnhaupt gerade die Hand gereicht hat.'

In den SALZBURGER NACHRICHTEN heißt es:

'Der Staat gibt den Verurteilten eine Chance, die die Opfer des Terrors in Deutschland nicht hatten. Und auch nicht ihre Angehörigen und Hinterbliebenen. Denn für die Witwen und die Kinder der Politiker und Bankiers, der Polizisten und Fahrer, die der Raserei der RAF zum Opfer gefallen sind, halten der Schmerz, der Verlust und das Leiden tatsächlich ein ganzes Leben lang an. Gerade deshalb wäre es wichtig, könnten die aus der Haft entlassenen ehemaligen Terroristen nun einen Schritt auf die Opfer hin tun.'

Auch der Zürcher TAGES-ANZEIGER richtet den Blick auf die Opfer:

'Die Gegner von Mohnhaupt und ihres noch auf eine Begnadigung hoffenden Komplizen Christian Klar haben durchaus gute Argumente: Sie verweisen auf die fehlende öffentliche Reue der beiden und berufen sich auf die Angehörigen der Opfer, die sich in den letzten Wochen gegen eine Freilassung der Mörder ausgesprochen haben. Die Schwere der Taten verböte demnach jede Milde. Dennoch ist die Freilassung von Mohnhaupt richtig. Die Schwere der Taten war ein Kriterium bei der Strafzumessung und bei der Festsetzung des Mindeststrafmaßes von 24 Jahren; sie wurde damit ausreichend gewichtet.'

Und die russische Tageszeitung KOMMERSANT kritisiert:

'Keiner der noch lebenden Terroristen hat in den vergangenen Jahren seine Missetaten bereut. Mohnhaupt hat aus dem Gefängnis sogar einen Brief geschrieben, dass sie die RAF nicht verraten will. Auch Christian Klar hat seinen Ideen niemals abgeschworen. In einem Interview vor fünf Jahren sagte er, er bereue nicht, was er in der RAF getan habe. Nach solchen Erklärungen ist es nicht verwunderlich, dass die bevorstehende Freilassung der Terroristen aus dem Gefängnis auf Ablehnung bei den Familien der Opfer stößt.'


Die ebenfalls in Moskau erscheinende Tageszeitung NESAWISSIMAJA GASETA befasst sich mit der Rede von Russlands Präsident Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz:

'Russland und die USA haben erklärt, dass sie sich gegenseitig nicht mehr als strategische Partner anerkennen. Die Liste der Beschwerden, die Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Iwanow gegenüber den USA vorgebracht haben sowie die Äußerungen einiger US-Politiker passen nicht mehr in den Rahmen eines partnerschaftlichen Dialogs. Moskau und Washington zeigen sich willens, die beiden Großmächte zurück zu einer Konfrontation zu führen.'

Die ungarische Zeitung NEPSZABADSAG fragt nach den Hintergründen:

'Soll das ein Kalter Krieg sein? Oder nur Ausdruck des Selbstbewusstseins eines mit enormen Devisenreserven ausgestatteten Energielieferanten? Konfrontation ist das derzeit keine. Es gibt Diskussionen. Diese werden den Dialog über Außen- und Rüstungspolitik, über den Inhalt der osteuropäischen Demokratien und der Menschenrechte nicht abreißen lassen. Vorerst.'

Auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht in der Rede des russischen Präsidenten weniger Zündstoff:

'Putins verbaler Kraftakt, der sich bei der Lektüre der ganzen Rede weniger scharfmacherisch ausnimmt, hat wohl vorwiegend ein innenpolitisches Publikum. Nationalismus kommt auch in Russland gut an, und es stehen Wahlen bevor. Um den Krieg in Tschetschenien, dem Putin bekanntlich seinen Aufstieg verdankt, ist es still geworden. Er braucht einen anderen Antrieb. Deswegen wird aber nicht der dritte Weltkrieg ausbrechen - es wird nicht einmal zu einem kalten Krieg kommen.'

Die im französischen Cherbourg erscheinende LA PRESSE DE LA MANCHE merkt an:

'Wenn auch noch viel zu tun bleibt, so hat Russland doch zumindest seinen Stolz wiedergefunden. Das heißt, dass Präsident Wladimir Putin und Russland mit ihm das Hegemonialstreben der Amerikaner immer weniger ertragen können. Niemand will einen heißen Krieg. Doch es war die Zeit des Kalten Krieges, in der das sowjetische Russland ein Schwergewicht auf der Weltbühne war. George W. Bush will eine unipolare Welt um die einzige Großmacht USA herum schaffen. Diese Strategie ist nicht gut. Sie ist noch nicht einmal realistisch. Denn es gibt nicht nur Russland. Auch China und Indien sind erwacht.'

Die österreichische Tageszeitung DIE PRESSE sieht in der Rede eine Wiederbelebung alter Rituale:

'Manches ist eben ewig, etwa Moskaus Großmachtstreben. Mit dem vielen Geld in der Kasse durch die hohen Öl- und Gaspreise kann Moskau prächtig Großmacht spielen, auch wenn es antiquierte Außenpolitik ist, die sich an veralteten Parametern orientiert. Putin rief also keinen neuen Kalten Krieg aus: Er hat nur alte Großmachtpolitik gepredigt.'