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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Hans-Bernd Zirkel13. Juli 2002

EU-Agrarreform / Edmund Stoiber aus russischer und britischer Sicht

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Ein großes Kommentarthema der Auslandspresse waren in dieser Woche die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik. Daneben beschäftigten sich einige Blätter auch mit den Chancen des Kanzlerkandidaten und Wahlkämpfers Edmund Stoiber.

Doch zunächst zur geplanten Agrarreform. Dazu meinte die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT:

"Die Niederlande, Deutschland, Großbritannien und Schweden müssen an ihrer Forderung festhalten, dass vor einer Erweiterung der EU eine Vereinbarung getroffen wird, wie die Landwirtschaft finanzierbar gehalten wird. Eine Verzögerung der Ausbreitung liegt nicht im europäischen Interesse. Aber das gilt genau so wenig für die Belastung der EU mit riesigen Rechnungen, ganz bestimmt nicht im heutigen populistischen Klima, das der europäischen Entwicklung nicht immer wohl gesinnt ist. Das müssen auch Länder wie Frankreich, Irland und die südlichen Mitgliedstaaten begreifen."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kommentierte:

"Einen Zusammenhang zwischen der angestrebten Agrarreform und der EU-Erweiterung gibt es offiziell nicht. Dennoch besteht er. Anderenfalls hätte Landwirtschaftskommissar Franz Fischler nicht bereits jetzt seine weitreichenden Reformvorschläge unterbreitet, obschon die derzeitige Finanzordnung bis 2006 gilt. Die Gründe liegen auf der Hand. Zum einen wird jede agrarpolitische Kurskorrektur nach erfolgter Aufnahme von bis zu zehn neuen Mitgliedern noch viel schwieriger als heute. Zum anderen wollen die "Nettozahler" in der EU, also Länder wie Deutschland, die mehr nach Brüssel einzahlen, als sie von dort erhalten, ihre finanziellen Lasten im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung begrenzt wissen."

Die konservative TIMES aus London ging auf die deutsch-britischen Gemeinsamkeiten in dieser Frage ein:

"Die vorsichtig positive Aufnahme durch Deutschland ist von entscheidender Bedeutung, wenn man die Obstruktionspolitik Frankreichs und dessen mediterraner Verbündeten brechen will. London und Berlin sollten darauf bestehen, dass zwischen 2004 und 2006, wenn die geltende Regelung ausläuft, der deutsch französische Kuhhandel, der sich zu einem 30 Milliarden Pfund teuren weißen Elefanten ausgewachsen hat, umstrukturiert wird. Damit Vernunft in die Landwirtschaft und Ehrlichkeit in eine Industrie voller Betrügereien zurückkehrt und damit auch größere Beträge den gebeutelten EU-Steuerzahlern zurückgegeben werden können."

Die unabhängige französische Zeitung LES DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE kritisierte Frankreichs starken Widerstand gegen die geplante Reform:

"Wenn Frankreich sich so sehr der in Brüssel präsentierten Agrarreform widersetzt, so deshalb, weil es der erste Nutznießer der europäischen Landwirtschaftspolitik ist. Aber Frankreich wird im Grunde nichts gewinnen, wenn es den Fuß auf die Bremse drückt und zeitliche Argumente vorbringt. Im Agrarbereich wie anderswo führt die Vogel-Strauß-Politik zu nichts. Jeder Kurswechsel der Agrarpolitik ist schmerzlich. Aber man muss die 1992 begonnene Reform fortsetzen, will man die nach 30 Jahren enormen Überschüsse abbauen."

Themenwechsel: Der Kommentator der russischen Tageszeitung NOWYJE ISWESTIJA beschäftigte sich mit dem Besuch von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber in Moskau und schrieb:

"Zwar ist Schröder in Deutschland beliebter als Stoiber, dennoch hat Moskau seine Wahl für den 22. September schon getroffen. Obwohl Stoiber offiziell von Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow eingeladen war, empfing man ihn auf höchster Ebene. Der Grund ist eindeutig. In Moskau spürt man sehr wohl, wohin der Wind in Europa weht. An die Macht kommen immer mehr rechte und rechtsextreme Politiker. (...) Der 'rechte Kurs' Europas ist für uns nachvollziehbar. Die Islamisierung der Großstädte schreitet voran. Die Einwanderung muss dringend geregelt werden. Das ist das Thema Stoibers und deshalb ist er auch für den Kreml interessant geworden."

Zum Schluss noch einmal die britische TIMES, die Stoibers mögliche Bedeutung für die britische Europapolitik beleuchtete:

"Eine Wiederbelebung des deutsch-französischen Bündnisses könnte für Großbritannien wichtig sein. Nicht nur hinsichtlich der allgemeinen Richtung der EU (also ob es einen inneren Kern oder eine führende Gruppe geben wird), sondern auch hinsichtlich möglicher Pläne für eine engere Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen und bei der Steuerharmonisierung. Sowohl Stoiber als auch der französische Präsident Jacques Chriac wollen Steuerkürzungen. Aber auch nur die Erwähnung von Steuerharmonisierung wäre hier in Großbritannien fürchterlich für die Entscheidung über den Beitritt zum Euro. (...) Deswegen ist der 22. September ein Schlüsseldatum im politischen Kalender - hier ebenso wie in Deutschland."