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Intervallfasten - eine Diät wie jede andere?

13. Dezember 2019

Intermittierendes Fasten wird als Allheilmittel gefeiert. Wer seine Mahlzeiten auf bestimmte Zeitfenster begrenzt, nimmt ab, ist gesünder und fitter, so heißt es. Doch stimmt das? Studien zeigen, so klar ist das nicht.

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Einzelne Erbse auf Teller
Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO

Es scheint, als wäre Intervallfasten DIE neue Ernährungsideologie. Jeder tut es: Prominente, meine Chefin, der Freund einer Freundin. Und, ach ja, auch meine Mutter. Sie alle essen nur noch in bestimmten Zeitfenstern.

Der CEO von Twitter, Jack Dorsey, treibt das sogar auf die Spitze. Er isst nur noch einmal am Tag. Kein Frühstück, kein Mittagessen. Seine einzige Mahlzeit nimmt er zwischen 18:30 Uhr und 20:30 Uhr ein.

Während dieses Beispiel extrem (und nicht zu empfehlen) ist, läuft das Geschäft rund um das Intervallfasten dennoch rosig.

Es gibt unzählige populärwissenschaftliche Bücher, die versprechen, dass intermittierendes Fasten den Energiehaushalt auflädt und das Gewicht optimiert. Außerdem werden Stammzellen aktiviert, und das Leben verlängert, so heißt es jedenfalls. Um sein Ziel vor Augen zu behalten, gibt es zahlreiche Apps, die das Fastenfenster und den Gewichtsverlauf dokumentieren. Intermittierendes Fasten ist damit Teil einer boomenden globalen Ernährungsindustrie.

Dabei gibt es das zeitweise Fasten schon seit Tausenden von Jahren. Ursprünglich standen hierbei jedoch religiöse und spirituelle Gründe im Vordergrund, etwa die reinigende Wirkung des Nahrungsverzichts. Der Gewichtsfaktor ist erst mit dem jüngsten Boom in den Fokus geraten.

Befürworter der Ernährungsweise schwören auf die Vorteile, die auch schon unsere Vorfahren zu nutzen wussten. Kritiker hingegen sind jüngst nicht ganz so euphorisch. Doch widmen wir uns zu allererst einmal den grundlegenden Fragen.

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Was ist Intervallfasten - und wofür ist es gut?

Ganz allgemein wird beim intermittierenden Fasten die Kalorienzufuhr auf bestimmte Stunden des Tages oder einzelne Wochentage beschränkt. Hierbei gibt es viele verschiedene Methoden.

Eines der häufigsten Beispiele wurde durch den Wissenschaftsjournalisten Michael Mosley bekannt: Bei der 5:2-Diät kann an fünf Tagen der Woche uneingeschränkt gegessen werden, an den beiden verbleibenden Tagen hingegen wird die Kalorienzufuhr begrenzt, meist auf etwa 500 kcal. Dieses Konzept habe Mosley nach eigener Aussage von seiner Typ-2-Diabetes geheilt.

Andere Methoden begrenzen die Nahrungsaufnahme auf einen bestimmten Zeitblock am Tag, und verzichten im Gegenzug zwischen zwölf und 18 Stunden auf jegliche Mahlzeiten und Snacks. 

Eine der extremeren Versionen ist die sogenannte "Warrior Diet", die Kriegerdiät, wobei nach 20 Stunden Fasten pro Tag vier Stunden Völlerei folgen. Doch kein Arzt würde dieses Ernährungsmodell empfehlen, daher ist die Warrior Diet auch nicht weiter wissenschaftlich untersucht.

Intervallfasten - Alternative zur Fastenkur

Die Grundidee hinter dem intermittierenden Fasten ist, dem körpereigenen Insulinspiegel genügend Zeit zu geben, um herunter zu kommen, ihm eine Pause zu gönnen. So wirkt man einer übermäßigen und anhaltenden Ausschüttung von Insulin entgegen und unsere Fettzellen werden gezwungen, ihre gespeicherten Zuckervorräte für die Energiegewinnung freizusetzen.

Tatsächlich gibt es eine Reihe von erfolgreichen Studien, die die Vorteile des Intervallfastens belegen. So haben Experimente an Mäusen und Ratten etwa einen Gewichtsverlust gezeigt und auch der Blutdruck und Cholesterinspiegel der Tiere wurde durch das Fasten gesenkt. 

Doch Humanstudien sind immer noch rar. Denn ganz im Gegensatz zu Laborratten ist es für den Menschen viel schwieriger, strengen Ernährungsregeln zu folgen. Deshalb gestalten sich Langzeitstudien auch so schwierig.

Was gibt es Neues?

Nichtsdestotrotz ergab eine der jüngsten Studien zu diesem Thema, die in der Fachzeitschrift Cell Metabolism veröffentlicht wurde, dass die Beschränkung der Nahrungsaufnahme im Alltag auf ein 10-Stunden-Fenster positive gesundheitliche Vorteile für übergewichtige Menschen mit hohem Cholesterinspiegel, erhöhtem Blutzucker und hohem Blutdruck hatte. Nach drei Monaten verloren die Teilnehmer - die nicht aufgefordert wurden, das, was sie aßen, zu ändern - rund drei Prozent Körperfett und vier Prozent Bauchfett.

Dies könnte darauf hindeuten, dass ein zirkadianer 10:14-Rhythmus, also ein tageszeitlicher Ansatz, bei dem die Nahrungsaufnahme zwischen 8.00 und 18.00 Uhr stattfindet, für Menschen mit metabolischem Syndrom ratsam ist. Allerdings gilt auch hierbei zu beachten, dass die Studie gerade mal mit 19 Teilnehmern und nur über drei Monate durchgeführt wurde.

Solche Studien seien einfach "zu klein und zu kurz", sagt Dr. Tilman Kühn, Ernährungsepidemiologe vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Zudem fehle der Studie auch - ganz entscheidend - der Vergleich mit einer herkömmlichen kalorienreduzierten Diät, so Kühn.

"Meine Interpretation ist, dass die Menschen gerade von einer professionellen Ernährungsunterstützung profitiert haben", sagt Kühn im DW-Gespräch.

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Satchidananda Panda, Professor am Salk Institute for Biological Studies und Mitautor der Studie betont ebenfalls, dass "mehr Forschung notwendig ist", um festzustellen, ob zeitbeschränktes Essen oder intermittierendes Fasten wirklich helfen kann, die durch eine ungesunde Ernährung verursachten Probleme umzukehren.

Er fügt aber hinzu, dass sie im Rahmen der Studie festgestellt haben, dass "die Menschen besser schlafen und sich morgens ausgeruhter fühlen", wenn sie eine 10:14-Diät einhalten. Panda ist außerdem Autor eines Buches mit dem Titel: "Der Zirkadian-Code: Erholsam schlafen, Gewicht reduzieren, gesund sein".

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Tipp: konsequente Kalorienreduzierung

Dennoch haben bereits frühere Forschungen ergeben, dass intermittierendes Fasten nicht effektiver ist als herkömmliche Kalorienreduzierungsdiäten zur Gewichtsabnahme oder zur Verbesserung des Insulinspiegels.

Eine aktuelle, von Kühn mitverfasste, Studie, die über einen Zeitraum von 50 Wochen durchgeführt wurde, vergleicht eine 5:2-Intervallfasten-Diät mit einer kontinuierlichen Kalorienreduzierungsdiät, bei der die Teilnehmer ihre tägliche Kalorienaufnahme um 20 Prozent reduzierten. Eine dritte Kontrollgruppe hat ihre Ernährung nicht geändert.

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Dabei fanden Kühn und sein Team heraus, dass sowohl intermittierendes Fasten als auch Kalorienreduzierung zu Gewichts- und Fettabbau im Vergleich zur Kontrollgruppe führten. Gesundheitsmarker wie Insulinspiegel und Lipide verbesserten sich ebenfalls. Doch diese Ergebnisse waren für beide Diäten fast identisch.

"Wir fanden keinerlei Hinweise auf eine stärkere Wirkung oder einen größeren Nutzen des intermittierenden Fastens", sagt Kühn. "Das Fasten war genauso effektiv wie die moderate tägliche Kalorienreduzierung."

Während Kühn sagt, dass er "nie nur einer Studie vertrauen würde", fanden zwei weitere vergleichende, einjährige Studien aus Norwegen und Australien, die etwa zur selben Zeit durchgeführt wurden, genau das gleiche Ergebnis - 5:2-Intervallfasten ist nicht effektiver als eine konsequente Kalorienreduzierung.

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Kein universelles Wundermittel

Trotzdem verteidigt Panda das 10:14-Fasten. Dieses Modell sei viel einfacher zu befolgen als andere Formen des intermittierenden Fastens oder gar konventionellen Diäten. "Selbst wenn zwei Methoden zu ähnlichen Ergebnissen führen, warum sollte man etwas bevorzugen, das schwerer durchzuhalten ist?", sagt Panda.

Das Problem mit den Ergebnissen und Behauptungen aus kleineren Studien oder gar den einschlägigen Intervallfasten-Büchern ist jedoch, dass - wie viele andere Modediäten auch - das Fasten als Wunderlösung präsentiert wird. Auch, wenn die Wissenschaft sich noch nicht so klar darüber ist.

"Wenn jemand feststellt, dass intermittierendes Fasten funktioniert, dann würde ich sagen, dass es eine gute Methode für ihn ist. Aber es ist keine universelle Lösung für ein Gesundheitsproblem für alle", sagt Kühn abschließend.

In Anbetracht der bisher vorliegenden Beweise sagt er, könnte es für die wissenschaftliche Gemeinschaft besser sein, politische Maßnahmen, wie die Zuckersteuer in Großbritannien, zu ergreifen, um Fettleibigkeit und ungesunde Essgewohnheiten zu verhindern - anstatt an Einzelpersonen zu appellieren, ihr Essverhalten zu ändern.