Interview mit Bernhard Minetti - März 1978 | Schauspieler im Gespräch | DW | 03.01.2011
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Schauspieler im Gespräch

Interview mit Bernhard Minetti - März 1978

"Ich bilde mir ein, ich gehe mehr von der Intuition aus" – Bernhard Minetti über seine Schauspielkunst

Bernhard Minetti in dem Theaterstück von August Strindberg Todestanz in der Inszenierung von Rudolf Noelte (1974)

Bernhard Minetti in dem Theaterstück von August Strindberg "Todestanz" in der Inszenierung von Rudolf Noelte (1974)

Knapp dreißig Buchseiten umfasst die Zusammenstellung jener Rollen, die er in seinem langen Theaterleben spielte – Bernhard Minetti, einer der größten deutschen Schauspieler, war lebenslang auf das Theaterspielen versessen und prägte dieses Metier wie kaum ein anderer mit.

Jahre der Ausbildung

Bernhard Theodor Henry Minetti kam am 25.1.1905 in Kiel zur Welt. Später soll er über die Stadt gesagt haben: "Als Kiel noch hässlich war, war es noch schön." Seine Vorfahren stammten nach den eigenen Angaben von Minetti aus dem Ort Grusinallo in der Region Piemont und siedelten nach Kiel aus wirtschaftlichen und nicht zuletzt religiösen Motiven um. Doch als erstes absolvierte er dort seine Schulausbildung, die er mit dem Abitur abschloss. Danach studierte Minetti zunächst Germanistik und Theaterwissenschaft, brach schließlich das Studium ab und ging an die Berliner Staatliche Schauspielschule von Leopold Jessner, an der er bis 1927 eine Ausbildung genoss. Seine ersten Engagements bekam Bernhard Minetti zunächst in der Provinz: in Gera und in Darmstadt, wo er sich vornehmlich in klassischen Rollen versuchte. Der Startschuss für eine große Schauspielerkarriere war nun gefallen.

Deutschland Joseph Goebbels im Gespräch mit Schauspielern

(von links nach rechts): Spielleiter Hanns H. Zerlett, Brigitte Horney, Joseph Goebbels, Bernhard Minetti und Paul Hartmann (undatiert)

Bei Leopold Jessner und Gustaf Gründgens

Bernhard Minetti gehörte zu jener Schauspielergeneration, die auch die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland durchleben musste. Noch 1930 holte ihn Leopold Jessner nach Berlin an das berühmte Staatstheater. Dort spielte nun Minetti bis 1944 zahlreiche Rollen und übernahm auch Rollen in einigen Filmen, wie etwa "Berlin-Alexanderplatz" oder auch "Der Mörder Dimitri Karamasow", die noch vor der Machtergreifung durch die Nazis gedreht wurden. Rund 20 Filme fallen in die UFA-Zeit. Die Zeit während der Naziherrschaft kommentierte Bernhard Minetti in seinen Memoiren mit folgenden Worten: "Wir haben am Gendarmenmarkt elf Jahre in der Diktatur Theater gespielt. Man kann diese Arbeit aus zwei Perspektiven sehen. Man kann sagen, und das ist heute das Geläufige, wir hätten die Diktatur durch Kunst legitimiert und verklärt, hätten der politischen Unkultur ein kulturelles Gesicht gegeben. Man kann auch sagen, hier sei versucht worden, der Kunst in der Unkultur überhaupt noch Raum zu schaffen und auf die noch mögliche Weise zu opponieren." Diese Auffassung, dass dies eine Form des Widerstandes war, wollte er stets verstanden wissen, da er auch nicht selten als Nutznießer der Nazi-Zeit inkriminiert wurde.

Jahre des ungebrochenen Erfolges

Bernhard Minetti

Ein unvergessener Schauspieler: Bernhard Minetti (1990) - zum letzten Mal stand er auf der Bühne 1998 am Berliner Ensemble

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es wieder die Provinz, von der aus Bernhard Minetti seinen Karrierefeldzug startete. Die ersten Rollen übernahm er in Kiel, wo er später auch Schauspieldirektor wurde. Doch bald vermisste er das Rampenlicht und ging 1947 an das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Hier entfaltete Bernhard Minetti seine volle Schauspielkunst und wurde dafür auch von der Kritik gelobt. So schrieb etwa "Der Spiegel" am 8.1.49 über eine Silvesterpremiere des Schauspielhauses: "In der hintergründigen und witzsprühenden Lustspielfigur erkannte man den Minetti nicht wieder, den die meisten zu kennen gewohnt sind, auch aus seinen Filmen, in denen man ihn gern kaltherzige, harte Naturen spielen ließ. Bernhard Minetti wurde neu entdeckt, es gab uferlosen Applaus." Und dieser hielt über die nächsten Jahrzehnte seiner Karriere an, obwohl Bernhard Minetti sich beruflich zunächst auf ständiger Wanderschaft befand. So spielte er bis 1958 in Hannover, Bochum, Essen, Aachen, Bonn, Frankfurt und Düsseldorf. Doch am liebsten übernahm er Rollen an den Staatlichen Schaubühnen in Berlin, wo er später am aktivsten war. Und es wurden unzählige Rollen, insgesamt an die 300, die Bernhard Minetti übernahm und die ihn zur "lebendigen Theaterlegende" machten, wie die Presse zu schreiben pflegte. Beeindruckt von der Schauspielkunst Minettis, nannte ihn der österreichische Dramatiker Thomas Bernhard einmal einen "Geistestheaterkopf" und schrieb für den Schauspieler eine Reihe von Stücken – eines davon trug schlicht den Titel "Minetti". Zum letzten Mal stand Bernhard Minetti auf der Bühne 1998 am Berliner Ensemble, das mit ihm das Stück "Der Ozeanflug" von Bertolt Brecht inszenierte. Eine so bewegte wie kunstvolle Schauspielerkarriere wurde auch mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen gewürdigt. Bereits 1965 wurde Minetti zum Berliner Staatsschauspieler ernannt und neben anderen Ehrungen wurde er auch mit dem Großen Bundesverdienstkreuz bedacht. Bernhard Minetti starb am 10.10.98. In seinem Nachruf schrieb "Der Spiegel" am 19.10.98 unter anderem: "…hier wird sein Geist noch lange bleiben: als Minetti, die Ausnahme, die Theaterlegende, die Jahrhunderterinnerung."

Im März 1978 sprach Klaus Colberg mit Bernhard Minetti über seine künstlerische Laufbahn.

Autor: Andreas Zemke

Redaktion: Diana Redlich

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