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Das 9000-Milliarden-Dollar-Geschäft

Anja Steinbuch
28. Juni 2017

Weltweit müssen Brücken und Tunnel, Strom- und Telefonnetze, Wind- und Solarkraftwerke gebaut werden. Dafür wird deutsches Ingenieurwissen benötigt. Das füllt die Auftragsbücher auch im Mittelstand.

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Modell CSP Solar Tower
Bild: Elthern

Laut einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) müssen bis zum Jahr 2025 weltweit jährlich 4000 bis 9000 Milliarden US-Dollar in Infrastruktur investiert werden, um dem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum Rechnung zu tragen. Das betrifft den Bereich Transport, also Straßen, Schienen und Häfen, aber auch den Energiesektor sowie Versorgung und Telekommunikation - Lebensadern für die ganze Welt.

Traditionell sind solche Projekte ein gefundenes Fressen für deutsche Maschinen- und Anlagenbauer. Allerdings verdüstern die aktuellen Unsicherheiten in der Weltwirtschaft - Brexit, Russland-Sanktionen, US-Protektionismus - die Exportaussichten. Laut dem Maschinenbau-Barometer der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC sehen 80 Prozent der Unternehmen die größte Gefahr für ihr Wachstum in politischen Entwicklungen im Ausland.

Doch noch läuft das Geschäft. Neben deutschen Großunternehmen wie Siemens, Bosch, ThyssenKrupp, Dürr oder Krones profitieren auch kleinere Mittelständler der Branche von Infrastruktur-Aufträgen aus dem Ausland.

Das Geschäft mit Infrastrukturprojekten wächst

Ein Beispiel: 20 Kilometer nordöstlich der marokkanischen Wüstenstadt Quarzazate arbeiten Techniker aus Burbach, Kreis Siegen-Wittgenstein.

Die Männer aus Nordrhein-Westfalen und Kollegen aus Spanien belegen hier Leitungsrohre eines solarthermischen Kraftwerks mit einer elektrischen Heizung (Artikelbild). Tatsächlich in der Wüste, wo die Sonne brennt?

"Ja, nur so lässt sich ein unterbrechungsfreier und reibungsloser Betrieb gewährleisten", sagt Alexander Neff, Geschäftsführer der 1991 gegründeten Firma Eltherm, die in Siegen rund 160 und weltweit an zehn Standorten 230 Mitarbeiter beschäftigt.

Damit auch nachts Strom erzeugt werden kann, dürfen die Salztanks, in denen 600 Grad Celsius heißes technisches Öl gespeichert wird, und die Rohre, durch es dann gepumpt wird, nicht zu stark abkühlen. Die elektrischen Begleitheizungen, die Eltherm entwickelt und produziert, verhindern das.

"Mit dieser Leitung sind wir derzeit führend in diesem Marktsegment", sagt Neff. Die Produkte "Made in Germany" werden auch im neuen Kraftwerk in Quarzazate, in Anlagen in Israel, Portugal und Südafrika eingesetzt. 60 Prozent des Umsatzes macht Eltherm im Ausland. "Das Geschäft mit Infrastrukturprojekten wächst seit Jahren", freut sich Neff.

Dazu gehören auch Aufträge von privaten Bahn-Gesellschaften in Deutschland, Dänemark und Schweden, die ihre Gleise und Weichen beheizen müssen, um auch bei klirrender Kälte die Betriebssicherheit gewährleisten zu können.

Forschung, Entwicklung und Produktion erfordern hohe Investitionen. Das war für den Mittelständler in den Anfangsjahren ein Problem. Seit 2013 gehört Eltherm zur Mittelstandsholding Indus, die sich um die Finanzierung kümmert. "Bei unserem Kapitalbedarf wären viele Banken schon abgesprungen", konstatiert Neff.

Gebraucht werden technische Maßanzüge

Auch die Firma Migua Fugensysteme (60 Mitarbeiter) in Wülfrath gehört zu den 46 Mittelständlern der Indus-Holding. Migua macht mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Aufträgen für Infrastrukturprojekte im Ausland.

Die Fugenprofilsysteme, die im Werk im Bergischen Land entwickelt und produziert werden, dienen dem Verschließen von Dehnungsfugen, die überall dort benötigt werden, wo es in Großbauvorhaben zu Bewegungen kommt - etwa auf Bahnhöfen, Flughäfen wie dem Abu Dhabi Airport oder in Krankenhäusern in Erdbebengebieten wie dem Indira Gandhi Hospital in Delhi.

Dehnungsfungen von Migua in der Dubai Mall
Die Dubai Mall, nach Ladenfläche eines der weltgrößten Einkaufszentren. Auch hier war Migua beteiligt.Bild: Migua

Mehrere hundert Projekte haben die Migua-Ingenieure momentan in der Pipeline, eine Vielzahl davon im Mittleren Osten. Das Auslandsgeschäft brummt. "Die Lösungen sind individuell!, sagt Geschäftsführer Markus Schaub-Manthei. Serienfertigung sei nicht möglich. "Wir müssen immer technische Maßanzüge schneidern und arbeiten wie eine Manufaktur."

Seine größten Wettbewerber sitzen in den USA. Bei internationalen Ausschreibungen hilft dem deutschen Fugen-Spezialisten die Zugehörigkeit zu einer renommierten Holding, die - vor allem bei neuen Kunden - durch Größe und Kapitalausstattung im Hintergrund zusätzliche Sicherheit vermittelt.

Infrastruktur-Boom als Chance für Anleger

Kapitalanleger, die am Boom der Infrastrukturmaßnahmen mitverdienen wollen, suchen nach soliden, relativ risikoarmen Möglichkeiten. Dafür bieten sich eine Reihe von Fonds an, die in Projekte in Nordamerika oder Asien investieren.

Vor allem auf dem dynamisch wachsenden Infrastrukturmarkt Asiens haben Investoren 2016 gutes Geld verdient. Der Kontinent mit 4,3 Milliarden Menschen hat enormen Nachholbedarf bei der Energieversorgung. Der Energiebedarf wird sich bis 2030 nahezu verdoppeln, so die Asian Development Bank.

Bisher werden über 85 Prozent der Energie mit importierten fossilen Rohstoffen teuer und umweltschädlich erzeugt.

"Die Energie-Lösungen, die über die letzten Jahrzehnte Wachstum in die Region brachten, sind nicht länger kompatibel mit den Bestrebungen der nachhaltigen Entwicklung unserer Länder und Einwohner", sagt Shamshad Akhtar, Präsidentin der Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik der Vereinten Nationen (UNESCAP).

Langfristig ökologischer und günstiger ist die Nutzung von Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und verstrombarer Biomasse. "Asien bietet hier für alle erneuerbaren Energieformen beste Voraussetzungen", sagt Michael Sieg, Chef der ThomasLloyd Group in London.

Die auf Infrastruktur in Asien spezialisierte Investmentgesellschaft finanziert beispielsweise auf den Philippinen den Bau von Solar- und Biomassekraftwerken mit Kapital professioneller und privater Investoren. "Kraftwerke für Erneuerbare Energien können in Asien verhältnismäßig kostengünstig errichtet und betrieben werden", sagt Sieg.

Dabei sei ein Aspekt für Anleger mittlerweile von großer Bedeutung - das sogenannte Impact Investing. Darunter versteht man Anlagestrategien, die ökonomische, ökologische und soziale Rendite vereinen. Aus gutem Grund. Zahlreiche Studien belegen, dass eine positive gesellschaftliche Wirkung und eine attraktive Rendite kein Widerspruch sind. Im Gegenteil: Kapitalanlagen mit starker Nachhaltigkeit erzielen oft bessere Ergebnisse als weniger vernünftig ausgerichtete.