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Ratschläge aus Deutschland

9. Oktober 2011

Angesichts der schlechten Wirtschaftslage und der hohen Arbeitslosigkeit will die US-Regierung verstärkt ausländische Investoren anlocken und sucht Rat auch bei deutschen Firmen. Die Probleme sind vielfältig.

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Symbolbild USA Pleitegeier Wirtschaft Flagge Geier DW-Grafik 11.03.2011 OLof Pock

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich eines Tages Siemens und Rolls Royce auffordern würde, in den USA zu investieren", sagt Jeff Immelt, Vorsitzender des amerikanischen Konzerns General Electric, unter dem Gelächter von knapp zwei Dutzende Firmenchefs und Wirtschaftsexperten.

US-Außenministerin Hillary Clinton (Foto: DW)
Hillary ClintonBild: DW

Die Runde ist im eleganten Benjamin-Franklin-Raum des Außenministeriums zusammen gekommen. Gastgeberin: Außenministerin Hillary Clinton. Das Thema: Förderung ausländischer Investitionen.

Die Lage ist so ernst, dass aus den Konkurrenten zumindest zeitweilig Verbündete werden. Denn bei einer Arbeitslosenquote von 9,1 Prozent spielt es keine Rolle mehr, aus welchem Land die Firma kommt, die Amerikanern Lohn und Brot bringt. Vielleicht, so sinnieren die Teilnehmer, sei es sowieso an der Zeit, von dem Begriff "ausländisch" Abstand zu nehmen, wenn Unternehmen weltweit tätig sind und Standorte in mehr als einem Land haben.

USA haben an Attraktivität verloren

Antonio M. Perez, Vorstandsvorsitzender Kodak/Eastman (Foto: dpa)
Antonio M. PerezBild: dpa - Report

Die Zeit der Überheblichkeit ist jedenfalls schon lange vorbei. Antonio Perez, Vorstandschef von Kodak und wie Immelt Mitglied von Präsident Obamas "Rat für Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit" erklärt das Offensichtliche: Man könne die Welt nicht mehr in die USA, Europa und "den irrelevanten Rest" einteilen. Die USA und Europa vereinten zwar noch immer knapp 50 Prozent der Kaufkraft der Welt, hier wohnen aber nur 17 Prozent der Bevölkerung – und "der Rest der Welt" holt in beiden Bereichen schnell auf.

Und es wird schnell klar, warum. Denn wenn Perez von den "hervorragenden Investitionsbedingungen" in den USA spricht, erlauben sich die anwesenden Firmenchefs – allen voran die Deutschen – höflich aber bestimmt zu widersprechen.

Siemens-Schriftzug an einem Gebäude, im Vordergrund die US-Flagge (Foto: DW)
Deutsche Unternehmen sind vor OrtBild: DW/M.Braun

"In Europa hat man das Gefühl, dass man hier nicht gleich behandelt wird, dass die amerikanischen Firmen bevorzugt werden", sagte Peter Solmssen, Vorstandsmitglied der Siemens AG. Dabei fühle sich die Firma "sehr amerikanisch", mit 65.000 Angestellten in den USA, Milliardengewinne und Geräteexporten im Wert von 2 Milliarden Dollar. Doch die Kollegen pflichten bei:

Vor allem der "Buy American Act" – also gesetzliche Vorschriften, nach denen bei Regierungsaufträgen amerikanische Produkte bevorzugt werden müssen – treiben in vielen Firmenzentralen den Managern die Sorgenfalten auf die Stirn.

Obamas "Select USA"-Initiative soll helfen

Helfen soll die vor wenigen Monaten gegründete Regierungsinitiative "Select USA". Ihre Mitarbeiter sollen ausländischen Firmen signalisieren, dass sie willkommen sind, und sie bei den Investitionen logistisch unterstützen. Und wie in anderen Staaten üblich sollen beispielsweise auch die Minister zum Telefonhörer greifen und ausländische Firmenchefs davon überzeugen, dass es sich lohnt, in den USA zu investieren.

Nach Angaben von Handelsministerin Rebecca Blank belaufen sich ausländische Investitionen auf 2,3 Billionen US-Dollar. "Diese Firmen zahlen überdurchschnittliche Löhne und sie finanzieren mehr als 5 Millionen Arbeitsplätze in allen 50 Staaten", lobt die Ministerin. Doch die Zahlen sind rückläufig. Vor einem Jahrzehnt haben die USA 25 Prozent der weltweiten Investitionen angezogen, 2009 waren es nur noch zwölf Prozent.

Zu wenig Facharbeiter

Christian König, Präsident von ThyssenKrupp USA, findet die "Select USA" Initiative gut. Bei der Auswahl des Standortes des neuen Stahlwerkes hätte der Konzern gerne "eine zentrale Anlaufstelle hier in Washington gehabt". 67 Orte in 20 Bundesstaaten habe man sich angesehen und schließlich 5 Millionen Dollar in Calvert, Alabama, investiert.

ThyssenKrupp-Konzernzentrale in Düsseldorf (Foto: AP)
ThyssenKrupp-Konzernzentrale in DüsseldorfBild: AP

Doch noch etwas anderes beschäftigt ihn: "Ich würde es vorziehen, hunderte von meinen Mitarbeitern in den USA auszubilden, anstatt sie nach Deutschland zu schicken, was in Alabama passiert." Bis zu sechs Monate werden die ThyssenKrupp-Angestellten nach Duisburg und Essen zum Training geschickt.

Denn was in Amerika fehlt, sind - anders als in China und Indien - Facharbeiter. Martin Daum, Präsident von Daimler Trucks Nordamerika, ergänzt: "Wenn es um einen Ingenieur oder Wissenschaftler geht, muss ich nicht außerhalb der USA suchen", einen Facharbeiter aber würde er zwar in Mexiko finden, nicht aber in den USA.

Hier müssten den Arbeitern oft erst einmal die grundlegenden Mathematik- und Rechtschreibkenntnisse beigebracht werden. Das begrenze das Wachstum der Firmen, rechnet Daum vor: "Ich kann mexikanische Fabriken drei bis vier Monate schneller aufstocken als US-amerikanische", wo die Arbeiter erst ausgebildet werden müssen. Dabei werden diese Jobs von den ausländischen Firmen mit einem Durchschnittslohn von 77.000 Dollar gut bezahlt, erläutert Matt Slaughter, Wirtschaftswissenschaftler der Universität Dartmouth.

Hohe Nebenkosten, schlechte Infrastruktur

Daimler-Manager Daum hat noch andere Sorgen: die steigenden Krankenversicherungskosten. "Wir sehen derzeit eine siebenprozentige Steigerung in jedem Jahr", kritisiert er. Auf Dauer sei das nicht aufzufangen und werde am Ende Arbeitsplätze kosten – vor allem die von ungelernten Arbeitern.

Auch die komplizierten, teuren und aufwändigen Visa-Regelungen machen den Unternehmen zu schaffen. Und Hans-Ulrich Engel, Finanzvorstand von BASF, weist auf ein aus seiner Sicht zentrales Hindernis hin: die schlechte Infrastruktur des Landes. "Mit den anderen Problemen werden wir als Unternehmen schon fertig", erläutert er.

Fallender Index vor der US Flagge DW-Montage: Peter Steinmetz
Aufwärts oder Abwärts?Bild: DW-Montage

Gute Infrastruktur und günstige Energiepreise können ein großer Investitionsanreiz sein. Der Chemiekonzern BASF tätigt ein Viertel des weltweiten Verkaufs in USA und beschäftigt hier 14.000 Angestellte.

Die 26 Mitglieder von Obamas "Jobs-Rat" wollen sich in der kommenden Woche wieder einmal treffen und dann unter anderem die genannten Probleme besprechen. Außenministerin Hillary Clinton weist aber auch auf die Grenzen der Einflussmöglichkeit der US-Regierung hin. Viele Gesetze, auch in Visa-Angelegenheiten, sind Sache des Kongresses, und ihr Ministerium wird außerdem erhebliche finanzielle Kürzungen hinnehmen müssen. Das erleichtert die Arbeit nicht gerade.

Imageproblem

Um die Ausbildungssituation zu verbessern setzt Clinton deshalb auf den Privatsektor – also das Engagement der anwesenden Firmenchefs. Die staatlichen Schulen und Universitäten hätten schlicht kein Geld mehr. Auch bittet sie die Manager, ihre Sorgen in die Öffentlichkeit zu tragen: "Was Geschäftsleute sagen, hat mehr Gewicht." Es gelte zudem, das Ansehen von Ausbildungsberufen in den USA zu stärken. Hier sei man noch zu sehr auf eine Universitätsausbildung fixiert, gelte das Studium als das einzig erstrebenswerte Ziel. "Die Botschaft muss lauten: das sind gute Jobs für gute, intelligente und hart arbeitende Menschen."

Autorin: Christina Bergmann, Washington DC
Redaktion: Hartmut Lüning