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IOC-Chef Bach erhöht Druck auf WADA

2. August 2016

Die Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees in Rio de Janiero stärkt Thomas Bach in der Dopingkrise den Rücken. Der IOC-Chef attackiert die Welt-Anti-Doping-Agentur.

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Thomas Bach spricht zu den Delegierten. Foto: dpa-pa
IOC-Präsident Thomas Bach (2.v.l.) spricht zu den DelegiertenBild: picture alliance/dpa/Kyodo

IOC-Präsident Thomas Bach hat sich wieder einmal als gewiefter Taktiker erwiesen. Gleich zu Beginn der 129. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees ließ Bach die Delegierten in Rio de Janeiro über die Entscheidung der IOC-Exekutive nach der Veröffentlichung des McLaren-Reports der Welt-Anti-Doping-Behörde (WADA) abstimmen. Von den rund 90 in Rio anwesenden IOC-Delegierten stimmte nur ein Mitglied - angeblich der Brite Adam Pengilly - gegen den Beschluss der Exekutive. Es gab keine Enthaltung. Damit holte sich Thomas Bach, der sich wegen seiner Haltung in der Dopingkrise weltweit heftiger Kritik ausgesetzt sieht, die Rückendeckung seines Verbands. Das höchste Gremium des IOC hatte einen Ausschluss des kompletten russischen Teams für die bevorstehenden Spiele in Rio de Janeiro abgelehnt, obwohl der WADA-Bericht Belege für systematisches Doping in Russland mit Unterstützung staatlicher Stellen nachgewiesen hatte.

Bach fordert Reform der WADA

IOC-Chef Bach ging zum Gegenangriff über und bezeichnete die WADA als reformbedürftig. "Die jüngsten Entwicklungen haben gezeigt, dass wir eine vollständige Überprüfung der WADA und des Anti-Doping-System benötigen", sagte der 62-Jährige. Die Welt-Anti-Doping-Agentur müsse unabhängiger, effizienter und transparenter arbeiten. Um die nötigen Reformen auf den Weg zu bringen, werde es im nächsten Jahr einen internationalen Kongress zu diesem Thema geben. In der Tat hatte die WADA sehr lange gewartet, bis sie ersten Hinweisen auf Staatsdoping in Russland nachging. De facto tat sie dies erst nach der Veröffentlichung der ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht" Ende 2014. Allerdings hatte auch das IOC schon 2013 konkrete Hinweise englischer Journalisten auf unerlaubte Vorgänge erhalten - und sie ignoriert.

Plenum der IOC-Vollversammlung in Rio de Janeiro. Foto: dpa-pa
Plenum der IOC-Vollversammlung in Rio de JaneiroBild: picture alliance/dpa/Kyodo

"Da fasse ich mir an den Kopf"

WADA-Chef Craig Reedie wies den Vorwurf zurück, die WADA habe zu zögerlich reagiert, zeigte sich jedoch offen für Reformen: "Das System ist derzeit nicht schlecht, aber es kann verbessert werden." Reedies Vorgänger Richard Pound wurde mit seiner Kritik am IOC deutlicher. Er könne nicht ausschließen, dass das Russland-Dossier schon vor der Sitzung der IOC-Exekutive vorbereitet worden sei, sagte Pound. Nach nur drei Stunden sei die Sitzung beendet gewesen: "Und wenig später wurden bereits sehr präzise, juristisch saubere 13 Seiten dazu vorgelegt. Je mehr das IOC die Entscheidung zu erklären versucht, die es da getroffen hat, umso konfuser wird alles."
Alexander Schukow, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Russlands, attackierte dagegen die WADA scharf. Die Agentur habe die Winterspiele in Sotschi 2014 zunächst als "ein Modell für den Anti-Doping-Kampf" eingestuft. Dann habe der McLaren-Bericht plötzlich ein ganz anderes Bild gezeichnet, ein staatlich gelenktes Doping-System angeprangert. "Warum soll die WADA nicht auch Verantwortung übernehmen müssen?", fragte Schukow. Noch deutlicher wurde das israelische IOC-Mitglied Alex Gilady. Schon 2010 seien Whistleblower mit Doping-Anschuldigungen gegen Russland an die WADA herangetreten, sagte Gilady: "Die WADA soll damals gesagt haben, sie wüsste nicht, was sie mit den Informationen anfangen sollte. Das kann doch nicht sein, da fasse ich mir an den Kopf."

100.000 Unterstützer fordern Olympia-Start Stepanowas

Gegen das höchst umstrittene Olympia-Startverbot der russischen Whistleblowerin Julia Stepanowa formiert sich derweil im Internet breiter Widerstand. In einer Online-Petition haben bereits mehr als 100.000 Personen das IOC aufgefordert, Stepanowa in Rio unter der neutralen olympischen Flagge antreten zu lassen. Zu den Unterzeichnern zählt nach Angaben der Initiatoren auch Diskus-Olympiasieger Robert Harting. "Bitte helfen Sie mit, ein Zeichen zu setzen, dass die richtigen und nicht die falschen Menschen für ihre Vergehen bestraft werden", heißt es in der Petition. Stepanowa und ihr Ehemann Witali, die mit ihren Enthüllungen den Dopingskandal in ihrer Heimat ins Rollen gebracht hatten, bedankten sich in einer Videobotschaft für den Zuspruch. "Es ist schön zu sehen, dass mich so viele Menschen mit dieser Petition unterstützen. Das ist mir und meiner Familie sehr wichtig", sagte Stepanowa.

Julia Stepanowa bei der EM in Amsterdam. Foto: dpa-pa
Julia Stepanowa darf in Rio nicht startenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

IOC: Entscheidung ist endgültig

Das IOC zeigte sich auf Nachfrage der Petitionsgründer jedoch unnachgiebig. Die Entscheidung des Vorstands sei einstimmig und endgültig, hieß es in der Antwort des IOC: "Der IOC-Vorstand hat seine Wertschätzung für Frau Stepanowas Beitrag im Kampf gegen Doping und für die Integrität des Sports zum Ausdruck gebracht. Daher hat das IOC Frau Stepanowa und ihren Mann als Gast zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio eingeladen." Die IOC-Ethikkommission hatte der russischen Läuferin die Teilnahme an den Sommerspielen untersagt. Zwar begrüßte die Kommission Stepanowas Beitrag zum Anti-Doping-Kampf. Da Stepanowa aber selbst mindestens fünf Jahre lang Teil des Systems gewesen sei, erfülle sie nicht die ethischen Anforderungen an einen olympischen Athleten, hieß es zur Begründung.

sn/ps (sid, dpa)