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Politik

Iran, die USA und Kriegsgefahr in Nahost

25. Juli 2018

Nach der verbalen Eskalation der vergangenen Tage scheinen sowohl US-Präsident Trump wie auch der iranische Premier Rohani um Abwiegelung bemüht. Grund dazu haben sie: Ein Krieg in Nahost hätte verheerende Folgen.

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Bildkombo Donald Trump und Hassan Rohani
Bild: Getty Images/AFP/N. Kamm//A. Kenare

"Wir werden handeln." Der Kommandeur der einflussreichen Revolutionsgarden, Mohammad Ali Dschafari, reagierte am Donnerstag mit entschiedenen Worten auf den verschärften Tonfall des Weißen Hauses Richtung Iran. "Der Krieg würde alles zerstören, was Ihr besitzt", warnte er laut dem iranischen Sender Al Alam TV die USA. "Ihr werdet diesen krieg gewinnen, aber wir werden diejenigen sein, die über dessen Ausgang bestimmen. Darum müsst Ihr aufpassen, das iranische Volk und den Präsident unserer Republik nicht zu bestimmen." Der Krieg, deutete er an, werde kein regulärer sein. "Ihr kennt unsere Macht in der Region und unsere Fähigkeiten bei einem asymmetrischen Krieg. und wir werden arbeiten", so Dsachafari.

Am Montag hatte US-Präsident Trump sich per Twitter an die Führung in Teheran gewandt. "Bedrohen Sie niemals wieder die USA, oder Sie werden Konsequenzen zu spüren bekommen, die nur wenige in der Geschichte jemals zu spüren bekommen haben."

Einen Tag später relativierte er seinen Tonfall allerdings. Als er am Dienstag vor den Veterans of Foreigns Wars (VFW), der größten Veteranenvereinigung der Vereinigten Staaten, auftrat, hatte Trump eine diskret verpackte Überraschung im Gepäck. "Iran ist nicht mehr dasselbe Land wir früher, soviel kann ich sagen." Man werde sehen, was passiert, fuhr der US-Präsident fort. "Wir sind bereit, einen Deal zu machen - aber nicht einen Deal, wie die vorherige Regierung ihn abschloss, denn der war ein Desaster."

Ein Deal mit dem Iran, einem Land, das sich verändert? Trump erläuterte seine Ausführungen nicht, sondern ließ offen, was genau er meinte. Er dürfte die Andeutung zur Rechtfertigung seiner bisherigen Iran-Politik gebraucht haben, vermutet das Polit-Magazin "Politico". Der harte Kurs, manifestiert vor allem in der Aufkündigung des Atom-Deals, könne bereits zu erstem Umdenken im Iran geführt haben, so die Botschaft. Und das hieße in Trumps Logik: Härte zahlt sich aus. Sind die Verhältnisse erst einmal geklärt, ließe sich sogar ein neuer Deal angehen.

So verstanden, wäre die Bemerkung eine Relativierung der Drohung vom Vortag, als Trump über Twitter mit schlimmen Konsequenzen drohte, sollte der Iran die USA bedrohen. Hesamoddin Ashna, Berater von Präsident Hassan Rohani, antwortete seinerseits auf Twitter. Nicht Iran, sondern Trump selbst sei eine Gefahr für die USA, schrieb er in der Nacht zum Dienstag. "Dieser Mann ist die größte Bedrohung für sein eigenes Land sowie für die gesamte internationale Gemeinschaft", so Ashna.

Sorgen in Tel Aviv und Riad

Dass beide Seiten tatsächlich einen Krieg wollten, bezweifele sie, sagt Barbara Slavin, Iran-Expertin beim Think Tank Atlantic Council, in der "New York Times". "Der Krieg ist in niemandes Interesse."

Saudi Arabien - Donald Trump zu Besuch in Riad
Verbündete: der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und US-Präsident TrumpBild: picture-alliance/dpa/AP/E. Vucci

Allerdings findet die verbale Auseinandersetzung vor einer höchst angespannten Situation im Nahen Osten statt. Dort haben sich bereits bestehende Konflikte durch den Syrien-Krieg enorm verschärft. Israel etwa sieht die im Nachbarland Syrien präsenten Hisbollah-Milizen als militärische Vorhut des Iran. Wenn Benjamin Netanjahu seine Sorge vor direkter oder indirekter Präsenz des Iran an den israelischen Grenzen ausdrücke, könnten ihm viele Bürger folgen.

"Israel ist natürlich in der konkreten Bedrohungssituation", sagt der an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrende Historiker Daniel Mahla im DW-Interview. "Die Israelis können es sich darum nicht leisten, in dieser Sache einen Fehler zu machen."

Ähnlich angespannt ist auch die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien. "Das Verhältnis zwischen Iran und Saudi-Arabien ist so schlecht wie schon lange nicht mehr. Die Außenpolitik von Kronprinz Mohammed bin Salman ist darauf abgestellt, Iran zurückzudrängen", sagt Sebastian Sons, Saudi-Arabien-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), im Gespräch mit der DW. "Die Fronten verhärten sich leider weiter."

Syrien Raketen über Damaskus
Warnschüsse: Amerikanischer Raketenangriff auf Damaskus, April 2018Bild: picture-alliance/AP Photo/H. Ammar

Ein Krieg, drei Lager

Käme es zu einem Krieg, würden sich die Spannungen weiter verschärfen, erwartet der Publizist Abdel Bari Atwan, Herausgeber der Internet-Zeitung "Rai al-youm". Für den Kriegsfall rechnet er mit einer Aufspaltung der arabischen Welt in drei Lager. Das erste bestünde aus jenen, die einen amerikanischen Angriff auf den Iran gutheißen. Dazu gehörten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Jordanien. Diese Gruppe würde es auch hinnehmen, wenn sich Israel, lange Zeit der gemeinsame Gegner aller arabischen Staaten, an diesem Bündnis beteiligte, so Atwan im DW-Interview. Im zweiten Lager versammelten sich jene Staaten, die einen US-Angriff ebenso ablehnten wie ein gemeinsames Bündnis mit Israel. Zu diesen Staaten gehörten der Irak, Algerien, der Libanon, Syrien und die palästinensischen Autonomiegebiete. Das dritte Lager wäre das der neutralen Staaten. Zu ihm gehörten etwa Marokko und Tunesien.

Ein Krieg könnte leicht auch eine konfessionelle Note annehmen, fürchtet Atwan. Die Spaltung würde entlang der schiitisch-sunnitischen Front verlaufen, mit Iran und Saudi-Arabien als den jeweiligen Führungsmächten. Allerdings sei es schwierig, die arabischen Bürger für einen Krieg zu gewinnen. "Der Krieg zwischen Iran und Irak in den 1980er Jahren hat Schäden verursacht, die in Europa ihre Entsprechung zu denen des Zweiten Weltkriegs haben", so Atwan.

Strategiespiele um die Straße von Hormus

Für eine Auseinandersetzung mit den USA existieren im Iran verschiedene Pläne. Der bekannteste sieht etwa vor, die Straße von Hormus, die Meerenge zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman, zu sperren. Sie ist eine der wichtigsten Routen des Welthandels, insbesondere des Handels mit Erdöl.

Die Straße von Hormus Satellitenaufnahme
Knotenpunkt des Welthandels: die Straße von Hormus, hier aus dem Weltall gesehenBild: picture-alliance/dpa/NASA/The Visible Earth

Die Wasserstraße ist einer der wichtigsten Transportwege für das Öl aus Saudi-Arabien. Darum würde ihre Sperrung Saudi-Arabien am Export und umgekehrt weite Teile der Welt am Import von Erdöl hindern. Dennoch spricht auch aus iranischer Sicht manches gegen diesen Schritt. So könnte Iran auch selbst kein Erdöl mehr exportieren. Vor allem aber dürften die USA eine Sperrung der Meerenge als Kriegsgrund ansehen und entsprechend reagieren. Die - auch ökologischen - Folgen eines Angriffs dürften allerdings auch die USA dazu bewegen, sich diesen Schritt gründlich zu überlegen.

An Ausrüstung und Ausbildung gemessen sind die Amerikaner den Iranern vielfach überlegen. Allerdings hat sich bereits 2003 im Irak gezeigt, dass, wenn die Waffen der Heere wieder schweigen, die eigentlichen Probleme erst anfangen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika