1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikNahost

Iran-Israel-Konflikt: Wer hat Einfluss auf Teheran?

Shabnam von Hein | Cathrin Schaer | Yun-Ching Chang | Olga Tikhomirova | Gülsen Solaker
17. April 2024

Angesichts der Kriegsgefahr gibt es viel diplomatische Aktivität. Doch wer hat tatsächlich Einfluss?

https://p.dw.com/p/4esCl
Israelischer Militärsprecher vor eine iranischen Rakete, die Israel abgefangen hat
Iranische ballistische Raketen, die Israel am Wochenende auf dem Militärstützpunkt Julis abgefangen hat.Bild: Tsafrir Abayov/AP/picture alliance

Nach dem massiven Drohnenangriff aus dem Iran will Israel Vergeltung. "Sie müssen so nervös sein, wie sie uns nervös gemacht haben", sagte Ministerpräsident Netanjahu am Dienstag (16.04.24). Der Angriff werde mit Bedacht und nicht aus dem Bauch heraus erfolgen, so Netanjahu weiter.

Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag (14.04.24) erstmals von seinem Staatsgebiet aus Israel direkt angegriffen, als Vergeltung für einen Raketenangriff auf das iranische Botschaftsgebäude in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Mehrere darunter hochrangige Mitglieder der Revolutionsgarden wurden getötet. Der Iran und seine Verbündeten machen Israel für den Angriff verantwortlich. Israel äußert sich dazu nicht.

Nach israelischen Angaben konnten fast alle der vom Iran gestarteten Drohnen, Raketen und Marschflugkörper abgewehrt werden. Nun warnt der Iran, dass "die geringste Aktion" Israels gegen "die Interessen Irans" eine "harte, umfassende und schmerzhafte Reaktion" zur Folge haben werde.

Die USA und die EU versuchen, mäßigend auf Israel Einfluss zu nehmen.

Wer aber hat Einfluss auf den Iran und könnte einer weiteren Eskalation nach einem möglichen Vergeltungsangriff aus Israel entgegenwirken?

Katar

Nach Angaben des iranischen Präsidialamtes telefonierte Irans Präsident Ebrahim Raisi am Dienstag (16.04.24) mit Katars Emir Tamim bin Hamad al-Thani. Der Iran und Katar unterhalten enge diplomatische Beziehungen. Besonders während der Katar-Krise waren sie sich nähergekommen. Zwischen 2017 und 2021 war Katar auf Betreiben Saudi-Arabiens in der arabischen Welt isoliert worden. Riad hatte Katar unter anderem vorgeworfen, terroristische Gruppen in der Region zu unterstützen. Der Iran und Katar unterstützen die Terrororganisation Hamas.

Mit Genehmigung der israelischen Regierung gehört Katar zu den wichtigsten Geldgebern für humanitäre Hilfe im Gazastreifen und gilt als wichtiger Vermittler zwischen Israel und der militanten Hamas. Unter der Vermittlung Katars hatten sich Israel und die Hamas im November 2023 auf eine kurze Waffenruhe und einen Gefangenenaustausch geeinigt.

Oman

Das Sultanat agiert unterhalb des Radars der Öffentlichkeit und spielt seit langem eine entscheidende Rolle als Vermittler zwischen dem Iran und den USA. 

Ohne den Oman wären die Einigungen bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in den letzten zwei Dekaden nicht denkbar gewesen. Außerdem setzt sich das Land auf der arabischen Halbinsel für die Freilassung von amerikanischen und europäischen Gefangenen im Iran ein.

Die New York Times berichtet, dass die US-Regierung seit dem vergangenen Wochenende über das Sultanat Oman und über die Schweiz das Gespräch mit den iranischen Behörden gesucht haben soll. Die USA und der Iran haben keine diplomatischen Beziehungen. Die Kontaktaufnahme muss über Drittstaaten laufen.

Warum Iran und Israel Feinde sind

Saudi-Arabien

Saudi-Arabien, historisch der regionale Gegenspieler des Iran und enger Verbündeter der USA, ist ebenfalls daran interessiert, dass die Lage nicht weiter eskaliert, denn das Land lebt vom Ölexport, den ein sich ausweitender Krieg gefährden würde. 

Erst 2023 gelang die Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran durch die Vermittlung Chinas. Beide Länder tauschten wieder Botschafter aus, setzten auf verstärkten Handel und diskutierten sogar über eine Verteidigungskooperation.

Allerdings kann Saudi-Arabien auch wegen der Geschichte keinen direkten Einfluss auf den Iran ausüben, es verlegt sich stattdessen auf eine indirekte Strategie: Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan bin Abdullah schlägt China als Vermittler vor. Sein Land hege hohe Erwartungen und hoffe, dass China eine aktive und wichtige Rolle dabei spiele, die bedrohliche Lage im Nahen Osten wieder auf den Weg der Normalität zu bringen. Das sagte der saudischen Außenminister in einem Gespräch mit seinem Amtskollegen aus China.

China

Peking will nach eigenen Angaben eine weitere Eskalation im Nahen Osten verhindern. Das berichtet zumindest die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. China ist der wichtigste Handelspartner des Irans. Beide Länder kooperieren auch militärisch. In seinem Telefonat mit dem iranischen Amtskollegen rief Chinas Außenminister Wang Yi den Iran am Dienstag (16.04.24) zur Zurückhaltung auf. Außerdem versicherte Wang, dass China als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat den Raketenangriff auf das iranische Botschaftsgebäude in Damaskus verurteilt habe. Im UN-Gremium selbst konnte allerdings keine Einigung über eine Verurteilung erzielt werden.

 

Außenminister Wang Yi China und Faisal bin Farhan Saudi-Arabien
(Archiv) Chinas Außenminister Wang Yi China mit seinen Amtskollegen Faisal bin Farhan aus Saudi-ArabienBild: Andy Wong/AP/picture alliance

"China möchte nicht, dass die Situation im Nahen Osten außer Kontrolle gerät. Das Land sieht sich bereits mit steigenden Transportkosten und einem drastischen Anstieg der Energieversorgungsrisiken konfrontiert", sagt James Dorsey, Politologe an der Nanyang Technological University in Singapur, der singapurischen Zeitung Zaobao. 

Allerdings fehlen China Kommunikationskanäle nach Tel Aviv, meint Dorsey. "Das Einzige, was China tun kann, ist ein Appell gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft an Israel, die Eskalation zu vermeiden und zurückhaltend zu reagieren."

Russland

Russland hat traditionell gute politische Beziehungen zu allen beteiligten Akteuren: zu Israel, den palästinensischen Gruppen, Saudi-Arabien und dem Iran. Für den Iran gilt Russland als enger Verbündeter. Unter den US-Sanktionen haben Teheran und Moskau ihre Zusammenarbeit weiter ausgebaut. Der Iran liefert Drohnen an die russische Armee, die gegen die Ukraine eingesetzt werden. 

Die zunehmende Spannung zwischen dem Iran und Israel lenkt die Aufmerksamkeit vom Krieg in der Ukraine ab. Ist Russland wirklich an einer Deeskalation im Nahen Osten interessiert? 

"Alles, was zum Anstieg der Energiepreise insbesondere zum höheren Ölpreis führt, ist zumindest kurzfristig und sogar mittelfristig für Russland von Vorteil", sagt David Sharp, israelischer Militärexperte im DW-Interview. "Aber wenn der Iran in einen großen Krieg verwickelt und ein Krieg gegen den Iran geführt würde, wäre rein theoretisch die Einschränkung der iranischen Waffenlieferungen an Russland möglich."

Moskau hat sowohl von Israel wie auch dem Iran Zurückhaltung gefordert. Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, betonte am Montag (15.04.) im Gespräch mit dem Leiter des israelischen Nationalen Sicherheitsrates, Zachi Ha-Negbi, die Notwendigkeit der "Zurückhaltung auf allen Seiten des Konflikts im Nahen Osten, um eine Eskalation zu verhindern". Patruschew habe betont, dass Russland der Ansicht sei, die Meinungsverschiedenheiten sollten "ausschließlich mit politischen und diplomatischen Mitteln" beigelegt werden, wie Agenturen aus Russland berichteten. 

Die Türkei

Die Türkei unterstützt seit den ersten Tagen des Nahostkonfliktes die Haltung der Palästinenser. Letzte Woche kündigte Ankara sogar Wirtschaftssanktionen gegen Israel an. Auch die türkische Regierung fürchtet weitere Spannung und Gewalt zwischen dem Iran und Israel. Sie rief beide Parteien zur Zurückhaltung auf.

"Anders als die anderen Länder in der Region wie Katar, Oman und Saudi-Arabien hat die Türkei eine lange Landgrenze zum Iran", sagt Gülru Gezer, Diplomatin und Direktorin für Außenpolitik bei der Türkischen Forschungsstiftung für Wirtschaftspolitik (TEPAV). "Eine mögliche Instabilität im Nachbarland Iran könnte gravierende Folgen für die Türkei haben, vor allem bezüglich einer Migrationaus dem Iran. Das musste die Türkei leider mit den Kriegen in Syrien und im Irak erfahren."