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PolitikAsien

Iran, Russland und Atomdiplomatie

Shabnam von Hein
28. Juni 2022

Der Iran und die USA ergreifen eine neue Initiative bei den Atomverhandlungen. Gleichzeitig sucht Teheran verstärkt die Kooperation mit Moskau.

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Iran Teheran |
Irans Außenminister Amirabdollahian mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow in TeheranBild: Russian Foreign Ministry Press/AP/picture alliance

Es gibt neue Bewegung in den festgefahrenen Bemühungen um die Wiederbelebung der internationalen Atomvereinbarung mit dem Iran von 2015. Die Chefunterhändler der USA und Irans, Rob Malley und Ali Bagheri Kani, sind in Katar eingetroffen. Dort wollen sie – weiterhin in getrennten Räumen und über einen Vermittler – nach Wegen zu einer Einigung suchen. Seit über einem Jahr versuchen die Diplomaten aller beteiligten Länder unter EU-Moderation dem "Atomdeal" neues Leben einzuhauchen.

Am vergangenen Samstag hatte der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian nach Gesprächen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Teheran erklärt: "Wir sind bereit, in den nächsten Tagen die Atomverhandlungen wieder aufzunehmen. Wichtig ist für den Iran, in den vollständigen Genuss der wirtschaftlichen Vorteile gemäß der Vereinbarung von 2015 zu kommen."

"Iran auf Distanz zum Atomdeal"

Die Frage ist: Wie stark setzt Iran tatsächlich auf eine Einigung in den Atomverhandlungen, um seine wirtschaftlichen Ziele zu erreichen? Hamidreza Azizi, Iran-Experte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), vermutet, dass Teheran sich mehr von verstärkten Beziehungen zu Russland verspricht: "Der Iran hat die Atomvereinbarung noch nicht aufgegeben, aber sein Interesse an ihrer Wiederbelebung ist erkennbar abgekühlt", sagt Azizi im Gespräch mit der DW. Der Iran sei sich nicht mehr sicher, ob sie seinen langfristigen Interessen dient: "Die nächste US-Regierung in Washington könnte erneut einseitig aus der Vereinbarung aussteigen und wieder Sanktionen gegen den Iran in Kraft setzen. Den Krieg in der Ukraine und seine Folgen sieht auch der Iran als Teil eines Veränderungsprozess in der Weltordnung, der schon länger begonnen hat. Der Iran möchte sich auf der Seite der mächtiger werdenden nicht-westlichen Länder positionieren, also an der Seite Russlands und Chinas stehen. Den Druck des Westens auf Russland sieht der Iran als Gelegenheit, Russlands Vertrauen zu gewinnen und seine Zusammenarbeit mit Moskau zu verstärken." Fazit des SWP-Experten: "Der Iran glaubt, seine langfristigen Ziele in einer anti-westlichen Koalition besser erreichen zu können."

Iran Teheran | Borrell Hoher Vertreter der EU und Außenminister Abdolahian
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell (r außen) in TeheranBild: ATTA KENARE/AFP

Ein Anzeichen dafür: Teheran hat sich in diesen Tagen um Mitgliedschaft in dem Schwellenländer-Klub BRICS beworben, wie Reuters meldet. Auch Argentinien habe sich beworben. Moskau wertet die Bewerbungen als Fehlschlag der Bemühungen des Westens und der USA, Russland nach seinem Angriff auf die Ukraine zu isolieren. Bei einem virtuellen BRICS-Gipfel vergangene Woche verurteilte Chinas Präsident Xi Jinping den "Missbrauch" des internationalen Sanktionsregimes gegen Russland.

Handelsabkommen mit der "Volksrepublik Donezk"?

Teherans Position ist ähnlich: Man wolle sich gemeinsam mit Moskau gegen "illegale US-Sanktionen" wehren, erklärte Außenminister Amirabdollahian vergangenen Donnerstag nach einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen in Teheran. Laut dem iranischen Staatssender IRIB traf Lawrow bei seinem zweitägigen Besuch Vertreter der iranischen Führung, um "über das Atomabkommen, die Lage in der Ukraine und die Verstärkung der Zusammenarbeit in den Bereichen Handel und Energie" zu sprechen.

Der Iran habe sogar Mitte Juni während des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg ein Abkommen mit der sogenannten "Volksrepublik Donezk" unterzeichnet, meldete die den iranischen Hardliner nahestehende Webseite "Club für junge Journalisten" (YJC). "Die Volksrepublik Donezk hat jetzt einen neuen Partner, und trotz aller Hindernisse werden unsere internationalen Wirtschaftsbeziehungen ausgebaut." Das Abkommen sehe demnach vor, dass der Iran Donezk mit Baumaterialien und Gartenbauprodukten, einschließlich Obst und Gemüse, beliefert. Donezk soll im Gegenzug Metallerzeugnisse , Gusseisen, Düngemittel, Stahlprodukte, Maschinen für den Kohlebergbau sowie weitere Bergbauausrüstung in den Iran exportieren.

Offiziell wurde diese Meldung nicht bestätigt. Der Iran hat die "Volksrepublik Donezk" nicht anerkannt. "Das Abkommen scheint unter dem Druck Moskaus entstanden zu sein", vermutet Navid Jamshidi, Chefredakteur der iranischen Wirtschaftszeitung "Asia News" im Gespräch mit der DW. "Solch ein Abkommen wird unserer ruinierten Wirtschaft nicht helfen und ist auch irgendwie sinnlos. In der Westukraine herrscht immer noch Krieg. Wie sollen sie uns da irgendetwas liefern? Wir wissen kaum etwas darüber. Wir wissen nicht einmal, was Teheran und Moskau untereinander zur Stärkung der Zusammenarbeit in den Bereichen Handel und Energie vereinbart haben."

Teherans Optionen

Teheran fährt also zweigleisig: Während es bei den multilateralen Verhandlungen in der Hoffnung auf Sanktionserleichterungen Gesprächsbereitschaft signalisiert, sucht es gleichzeitig die Annäherung an Russland für den Fall des Scheiterns. Wie realistisch die beiden Optionen sind, beziehungsweise mit wieviel Ernsthaftigkeit Teheran die eine oder andere verfolgt, bleibt einstweilen offen.

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