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PolitikAsien

Iran: Terrorsponsor der Hamas und Hisbollah

13. Oktober 2023

Die Frage, ob Iran am Terrorangriff der Hamas gegen Israel direkt beteiligt war, lässt sich nicht sicher beantworten. Fakt ist aber, dass die Regierung in Teheran sowohl die Hamas als auch die Hisbollah unterstützt.

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Ismail Haniya, der Chef der Terror-Organisation Hamas, und der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian bei einem Gespräch in Doha, Januar 2022
Vertraute Verbündete: Ismail Haniya, der Chef der Terror-Organisation Hamas, und der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian in Doha, Januar 2022Bild: Iranian Foreign Ministry/ZUMA Press Wire/picture alliance

Aus Sicht der Bundesregierung liegt es auf der Hand: Iran trägt eine Mitverantwortung für den Terrorangriff der Hamas auf Israel vom vergangenen Samstag. "Wir haben bisher zwar keine handfesten Belege dafür, dass Iran diesen feigen Angriff der Hamas konkret und operativ unterstützt hat", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag dieser Woche in einer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag. "Aber uns allen ist klar: Ohne iranische Unterstützung über die letzten Jahre wäre die Hamas zu diesen präzedenzlosen Angriffen auf israelisches Territorium nicht fähig gewesen."

Bislang ist die Rolle Irans bei dem Angriff der Terrororganisation Hamas, die von der Europäischen Union, den USA, Deutschland und weiteren Ländern schon seit langem als solche eingestuft wird, nicht zweifelsfrei geklärt.

Iran selbst bestreitet, bei den Anschlägen vom Samstag direkt aktiv gewesen zu sein. "Wir sind nicht an der Reaktion Palästinas beteiligt", heißt es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung der Vertretung Teherans bei den Vereinten Nationen. Die Entscheidung dazu sei allein "von Palästina selbst" getroffen worden.

Gleichzeitig äußerten sich Vertreter des Teheraner Regimes aber anerkennend über den Terror-Angriff der Hamas. "Sie haben die islamische Gemeinschaft mit dieser innovativen und siegreichen Operation wirklich glücklich gemacht", zitierte die offizielle iranische Nachrichtenagentur IRNA Staatspräsident Ebrahim Raisi. Der oberste geistliche Führer des Landes, Ayatollah Chamenei, hatte bereits vor Jahren mit Blick auf Israel eine "Endlösung" gefordert und benutze damit den Nazi-Begriff für den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden

Der iranische Staatspräsident Ebrahim Raisi
​​​​Genugtuung über Hamas-Terror: der iranische Staatspräsident Ebrahim RaisiBild: Iran's Presidency/Mohammad Javad Ostad/WANA/REUTERS

Systematische Eskalationsstrategie

US-amerikanische Sicherheitsbeamte sind davon überzeugt, dass die iranische Regierung seit Jahren versucht, in den Ländern und Gebieten rund um Israel paramilitärische Kämpfer in Position zu bringen. Das berichtete die Washington Post in ihrer Ausgabe vom Donnerstag dieser Woche. Die Kämpfer seien mit immer besser entwickelten Waffensystemen ausgerüstet und könnten tief im Inneren des jüdischen Staates zuschlagen.

Gil Murciano, Direktor des Israeli Institute for Regional Foreign Policies (Mitvim), fasst die grundsätzliche Rolle Irans so zusammen: Die Regierung in Teheran sei sich zumindest der Strategie der Hamas bewusst gewesen, die Spannung gegenüber Israel zu erhöhen und eine Eskalation herbeizuführen. "Das gilt ganz unabhängig davon, ob die Regierung in Teheran die Details des Angriffs vom Samstag kannte oder sogar aktiv daran beteiligt war. Das ist derzeit noch offen", so Murciano im DW-Interview.

Allerdings habe es vor einigen Wochen in Beirut ein Treffen gegeben, an dem Vertreter der iranischen Revolutionsgarden, der Hisbollah und der Hamas teilnahmen. "Da befanden sich also alle gemeinsam in einem Raum."

So sieht das auch der Politikwissenschaftler Hamidreza Azizi von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Derzeit gebe es keine Beweise für eine direkte Rolle Irans bei der Planung und Durchführung der Hamas-Attacke gegen Israel. "Allerdings ist es kein Geheimnis, dass Iran die Hamas seit Jahren umfassend militärisch und logistisch unterstützt. In anderen Worten: Ohne die jahrelange Unterstützung Irans wäre die Hamas nicht in der Lage gewesen, Israel auf dieser Ebene ins Visier zu nehmen."

Die Hamas-Terroristen hatten bei ihrem Angriff Fähigkeiten unter Beweis gestellt, die auf eine Unterstützung von außen hinweisen. Die Angreifer kamen in Fahrzeugen, aber auch in Booten und motorisierten Paraglidern. "Der Angriff aus der Luft wurde ganz sicher außerhalb des Gazastreifens trainiert", sagte CIA-Nahostexperte Marc Polymeropoulos der "Washington Post".

Zerstörte PKW in dem Kibbutz Beeri nach dem Angriff der Hamas
Unvermutete Zerstörungskraft: der Kibbutz Beeri nach dem Angriff der HamasBild: Amir Cohen/REUTERS

"Tausende Raketen, Flugkörper und Kleinwaffen"

Am Donnerstag vergangener Woche, also kurz vor den Anschlägen vom 7. Oktober, hatte sich auch der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu zur grundsätzlichen Rolle Irans bei der Förderung von Terroraktionen gegen Israel geäußert. Anlass war ein Schusswechsel, bei dem fünf Grenzpolizisten verwundet wurden als sie versuchten, einen Terrorverdächtigen zu verhaften. "Wir machen den Iran direkt für die Terrorwelle in Judäa und Samaria verantwortlich, weil er mörderische Aktionen gegen die Bürger Israels unterstützt und finanziert", sagte er laut einem Bericht der israelischen Zeitung Jerusalem Post (JP). "Die israelische Regierung wird den Terrorismus mit Entschlossenheit bekämpfen und die Bürger Israels verteidigen."

Hinweise darauf, dass sich Iran für die Hamas und Hisbollah engagiert, liegen seit geraumer Zeit vor. So schreibt das US-Außenministerium in seinem "Country Reports on Terrorism 2020", Iran habe seit dem Jahr 2006 Tausende von Raketen, Flugkörpern und Kleinwaffen an die Hisbollah geliefert. Auch die Hisbollah wird von den USA, Deutschland und auch mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Die EU listet den bewaffneten Flügel der Hisbollah als Terrorgruppe.

Israelische Sicherheitsbeamte und Politiker fürchten, Iran könnte der Hisbollah fortschrittliche Waffensysteme und -technologien zuganglich gemacht haben. Auch könnte Iran die Hisbollah dabei unterstützt haben, eine Infrastruktur aufzubauen, um Raketen und Flugkörper in eigener Produktion herzustellen. "Iran hat die Hisbollah mit Hunderten von Millionen Dollar unterstützt und Tausende ihrer Kämpfer in Lagern im Iran ausgebildet", heißt es in dem Report. "Hisbollah-Kämpfer wurden in großem Umfang in Syrien eingesetzt, um das Assad-Regime zu unterstützen."

Für die Hamas hat deren Führer Ismail Haniya im Frühjahr 2022 eine Unterstützung bestätigt. In einem Interview mit dem katarischen Nachrichtensender Al-Jazeera sagte er, Iran habe insgesamt 70 Millionen Dollar gezahlt, um bei der Entwicklung von Raketen und Verteidigungssystemen zu helfen. Iran und die Hamas stünden "gegen den gemeinsamen israelischen Feind", so Haniya in dem Interview.

Kundgebung von Hisbollah-Anhänger bei der Beerdigung dreier ihrer Mitglieder in Kherbet Selem im Süd-Libanon
Kundgebung von Hisbollah-Anhängern bei der Beerdigung von drei Hisbollah-Mitgliedern in Kherbet Selem, Süd-LibanonBild: Hussein Malla/AP/picture alliance

Syrien als Brücke in den Libanon

Tatsächlich seien die Beziehungen zwischen den von Iran unterstützten Gruppen im Rahmen des Netzwerks "Achse des Widerstands" in den letzten Jahren deutlich enger geworden, sagt Hamidreza Azizi von der SWP. "So profitierten die Hamas und der Islamische Dschihad neben der direkten iranischen Unterstützung auch von der militärischen Ausbildung und militärisch-technischen Unterstützung der Hisbollah."

Die Unterstützung der Hamas auf dem Umweg über die Hisbollah bietet sich aus Sicht Teherans auch darum an, weil Iran den Libanon über Syrien direkt erreichen kann. In dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land ist Iran seit Jahren direkt und mit Stellvertreterkräften präsent.

Um entsprechende Lieferungen zu unterbrechen, hatte Israel diese Woche die Flughäfen von Damaskus und Aleppo angegriffen. "Dabei ging es auch darum, die Lieferung spezieller Bausätze zu unterbinden, mit deren Hilfe sich herkömmliche Raketen in Präzisionsraketen verwandeln lassen", sagt Gil Murciano. Allerdings sei es schwierig, die Aufrüstung der Hisbollah durch Iran zu verhindern. "Denn es gibt im Libanon und in Syrien auch von Iran unterstütze Produktionsstätten, die die Hisbollah mit herkömmlichen und fortschrittlichen Waffen versorgen."

Bein Umfang der Lieferungen gebe es allerdings erhebliche Unterschiede, so Murciano. Die Transportmöglichkeiten seien für die Hamas eingeschränkt. Schmugglerware in den abgesperrten Gazastreifen zu liefern, sei im Wesentlichen nur über ausgeklügelte Tunnelsysteme möglich, über die sich aber nur überschaubare Mengen transportieren ließen. "Die Hamas verfügt darum nur über mehrere tausend Raketen, vielleicht 15 - 20.000. Mit Blick auf die Hisbollah sprechen wir allerdings über die etwa zehnfache Menge."

Zugleich wahrten beide Seiten eine strategische Unabhängigkeit, sagt Hamidreza Azizi. "Hamas und Hisbollah haben ihre Entscheidungsfreiheit vielfach bewahrt. So kann Iran diese Gruppen unterstützen und sich gleichzeitig von der Verantwortung für deren Handeln entbinden."

Zivilisten sollen Gaza-Stadt verlassen

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika