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PolitikAsien

Irans Hardliner greifen Atomkompromiss an

Shabnam von Hein
23. Februar 2021

Eine Rettungsaktion für das schwer beschädigte Atomabkommen mit dem Iran ist unter Beschuss der Hardliner. Die kommenden Monate sind kritisch.

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Iran I Parlament
Bild: FARS

Im Iran tobt ein Streit zwischen den Hardlinern und der Regierung über den weiteren Kurs im Konflikt mit den USA um Sanktionen und das Atomprogramm. Auslöser war die Verständigung zwischen IAEA-Generalsekretär Rafael Grossi und dem Chef des iranischen Atomprogramms, Ali Akbar Salehi, am Sonntag in Teheran.

Beide Seiten hatten vereinbart, der in Wien ansässigen internationalen Atombehörde für eine Übergangszeit weitere Kontrollen der iranischen Atomanlagen zu ermöglichen, wenn auch in reduziertem Umfang. Das Ziel: Die Rettung des Atomabkommens von 2015. Dieses war zuerst durch den einseitigen Austritt der USA 2018 und die darauf folgende neue Verhängung von US-Sanktionen beschädigt worden, und dann durch die stufenweisen Verstöße gegen das Abkommen durch den Iran.

Wut der Hardliner

Die Hardliner sehen sich durch die Verständigung zwischen Grossi und Salehi betrogen. Sie hatten am 1. Dezember vergangenen Jahres mit ihrer Mehrheit ein Gesetz durchs Parlament gebracht, demzufolge weitere Kontrollen der iranischen Atomanlagen stark einzuschränken sind. Nun wurden sie mit einer Vereinbarung zwischen der eigenen Regierung und den ungeliebten internationalen Kontrolleuren konfrontiert, die, wenn nicht dem Buchstaben, so dem Geist jenes Gesetzes widerspricht, wie sie es sehen.

Der Schlagabtausch war so heftig, dass der religiöse Führer des Irans sich zu Wort meldete. Am Montagnachmittag kam vom Büro Ayatollah Chameneis die Forderung, dass die Meinungsunterschiede zwischen Regierung und Parlament geklärt werden müssten. "Es darf nicht mit verschiedenen Stimmen nach außen kommuniziert werden."

Das am 1. Dezember im Parlament verabschiedete Gesetz zur Einschränkung der Zusammenarbeit des Irans mit der internationalen Atomenergiebehörde IAEA lobte Chamenei als "ein gutes Gesetz". Ob Chamenei auch die jüngste Abmachung der Regierung von Präsident Rohani mit der IAEA für gut hält, geht aus der Mitteilung nicht hervor.  

Hardliner und Konservative wollen Präsident Rohani und den Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, vor Gericht bringen.  

Der konservative Abgeordnete Mojtaba Reza Khah: "Der Präsident und der Chef der Atomorganisation auf dem Weg zum Gericht. Ihr Verstoß gegen das Gesetz wird vor Gericht geklärt." 

Gesetz als Druckmittel gegen den Westen

Das Gesetz mit dem Titel "Strategische Aktion zur Aufhebung der Sanktionen und zur Wahrung der Interessen des iranischen Volkes" verlangt von der iranischen Atomorganisation (AEOI), ihre Zusammenarbeit mit der IAEA einzuschränken. Konkret sollen die Inspekteure der IAEA nicht mehr die Möglichkeit haben, Kontrollen beliebiger verdächtiger Anlagen mit kurzer Voranmeldung durchzuführen.

Dies ist der schärfste Kontrollmechanismus der IAEA, und zwar im Rahmen des sogenannten Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag, dessen Mitglied der Iran nach wie vor ist.

Dieses Zusatzprotokoll hat der Iran zwar nicht ratifiziert, er hat sich aber im "Atomdeal" von 2015 zur freiwilligen Beachtung des Protokolls verpflichtet. Andere Kontrollmöglichkeiten der IAEA schließt das Gesetz vom 1. Dezember jedoch nicht aus. Des weiteren gibt es der AEOI vor, pro Jahr 120 Kilogramm Uran mit einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent zu produzieren und lagern. Der bisherige Anreicherungsgrad liegt bei 4,5 Prozent; erlaubt sind laut Atomabkommen 3,67 Prozent. Zu diesem Zweck sollen in mindestens zwei Anlagen schnellere Zentrifugen als gestattet in Betrieb genommen werden.

Mit dem Gesetz wollten die Parlamentarier den Druck auf die die neue US-Regierung und die europäischen Vertragspartner Deutschland, Frankreich und Großbritannien erhöhen; sie bauten deshalb eine Frist ein.

Die Maßnahmen würden nicht in Kraft treten, wenn der Iran bis zum 23. Februar, also heute,  wieder Zugang zum internationalen Finanz- und Bankensystem erhält und die Wiederaufnahme der Ölexports ermöglicht wird. Das ist nicht passiert, allerdings hat die neue US-Regierung zahlreiche Signale an Teheran ausgesandt, dass sie eine Rückkehr zum Atomabkommen wünscht. Seither pokern Washington und Teheran darum, wer den ersten Schritt in Richtung Normalisierung tun muss.  

Atempause von drei Monaten

Um die Tür für eine Rückkehr zum Atomabkommen offenzuhalten, hatte am Sonntag der Chef des iranischen Atomprogramms, Ali Akbar Salehi dem nach Teheran gereisten IAEA-Chef Rafael Grossi zugesichert, dass die Wiener Behörde ihre Kontrollen des iranischen Atomprogramms für drei Monate zumindest eingeschränkt fortsetzen könne. Die Inspekteure hätten zwar nicht den gleichen umfassenden Zugang wie vorher, doch er erwarte, dass sie ihre Aufgabe erfüllen könnten, sagte Grossi. Die Kontrollen sollen sicherstellen, dass das iranische Atomprogramm nur zivilen Zwecken dient. 

Der Chef des iranischen Atomprogramms Ali Akbar Salehi und der IAEA-Chef Rafael Grossi in Teheran
Der Chef des iranischen Atomprogramms Ali Akbar Salehi (l.) und der IAEA-Chef Rafael Grossi in Teheran Bild: Irna

Gleichzeitig teilte Salehi mit, dass die IAEA in den nächsten drei Monaten keinen Zugang mehr zum Videomaterial ihrer Überwachungskameras haben werde. Falls in dieser Zeit eine politische Einigung erzielt werden sollte, erhalte die IAEA diese Videos, wenn nicht, würden sie gelöscht. Eine Einigung heißt laut Salehi zuerst und vor allem: Die Aufhebung der US-Sanktionen. 

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg erklärte am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel, wo diese sich mit ihrem US-Amtskollegen Blinken über das weitere Vorgehen gegenüber dem Iran berieten: "Der Patient, das Wiener Atomabkommen, ist stabilisiert, jetzt müssen wir den Genesungsprozess einleiten." Man habe jetzt eine "Atempause von drei Monaten", Europa solle helfen, die "Pattsituation" zwischen Iran und USA zu lösen. 

Drohgebärden und Dialog

"Wenn das Parlament diesen klugen Schritt als gegen sein Gesetz gerichtet sieht und ihn für nichtig erklären will, muss es bereit sein die Verantwortung für alle Folgen und alle Kosten zu übernehmen." Mit diesen Worten reagierte die Regierung Rohani auf die Proteste des Parlaments in einer Stellungnahme.

Am Dienstag kündigte der Parlamentsvorsitzende Mohammad Bagher Ghalibaf an, dass das Parlament einen Sonderausschuss einrichten werde, um sich mit der Regierung über die Einzelheiten der Abmachung mit der IAEA und ihre Umsetzung zu beraten. Damit folge das Parlament dem Rat des religiösen Führers.

Der hatte am Montagabend den Einsatz im Atompoker noch erhöht. Chamenei wurde im Staatsfernsehen mit den Worten zitiert: "Wenn es nötig ist, werden wir die Urananreicherung auch bis auf 60 Prozent hochfahren".