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Irans Wirtschaft in der Sackgasse

Shabnam von Hein
16. April 2018

Der iranische Rial hat dramatisch an Wert verloren. Spekulationen um die Zukunft des Atomabkommens und der Widerstand der Hardliner gegen Rohanis Wirtschaftsreformen manövrieren das Land weiter ins Abseits.

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Iran Währung & Devisen - Wert des Tuman fällt
Lange Schlange vor einer Wechselstube in TeheranBild: Mizan

Ausländische Währungen sind im Iran Mangelware geworden. Die privaten Wechselstuben verkaufen keine US-Dollar mehr. Augenzeugen aus Teheran berichten, die Wechselstuben hätten den US-Dollar von ihren Schildern entfernt. Die iranische Regierung hat einen festen Wechselkurs zum US-Dollar eingeführt. Damit will sie den weiteren Fall des Rial zu stoppen. Der Wert eines Dollar liegt nun offiziell bei 42.000 Rial. Vergangene Woche musste man auf dem Schwarzmarkt knapp 60.000 Rial für einen Dollar zahlen. "Es gab lange Schlangen vor den Wechselstuben", schreibt DW-User "Ali" an das Farsi-Programm der Deutschen Welle. "Die Leute sind besorgt. Keiner weiß genau, was hier los ist. Aber je teurer der US-Dollar wird, desto länger werden die Schlangen."

In den vergangenen Wochen war die iranische Währung mehrmals dramatisch abgewertet worden - vor allem aufgrund von Spekulationen über einen möglichen Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit Teheran.

"Die Menschen haben Angst. Sie wollen ihr Vermögen gerne in ausländische Währungen wechseln und so vor dem Wertverfall schützen", analysiert Sara Bazoobandi. Die iranische Dozentin für Internationale Politische Ökonomie an der Regent's University London und fährt im DW-Interview fort: "Die Regierung versucht, den Wert des Rial künstlich hoch zu halten. Aber die Wirtschaft des Landes geht den Bach hinunter. Dabei ist der Ölpreis gestiegen. Und international hat der Dollar an Wert verloren. Aber ausgerechnet beim Ölexporteur Iran ist es umgekehrt."

Es gibt nicht genug Dollarscheine

Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport sind die wichtigste Einnahmequelle für den iranischen Staat. Mehr als 30 Prozent der Staatseinnahmen werden dadurch erwirtschaftet. Die iranische Zentralbank verkauft die Dollars aus dem Ölgeschäft anschließend an Wechselstuben und Banken. Auf diese Weise wechselt sie die Einnahmen in iranische Rial. Aber: Die Zentralbank kann momentan bei weitem nicht alle Einnahmen aus dem Ölexport ins Land holen.

Iran Komplex Mahshahr in der Provinz Khuzestan
Trotz steigendem Öl-Export geht es wirtschaftlich bergabBild: picture-alliance/dpa/A. Taherkenareh

Aufgrund der US-Sanktionen dürfen amerikanische Banken keinerlei Zahlungsverkehr mit dem Iran abwickeln - davon sind auch deutsche Großbanken mit Geschäftsinteressen in den USA betroffen, etwa die Commerzbank oder die Deutsche Bank, die in den letzten Jahren mit milliardenschweren Strafzahlungen belegt wurden. Nun drohen weitere Sanktionen.

US-Präsident Donald Trump hält nicht viel vom Atomabkommen. Er hatte zuletzt betont, er wolle entweder einen kompletten Ausstieg aus dem Deal oder dessen Überarbeitung im Rahmen von Neu- und Nachverhandlungen. Der Iran lehnt das kategorisch ab. Der 12. Mai gilt als möglicher Termin für einen US-Ausstieg aus dem Atomabkommen. Dies würde wohl mit einer weiteren Verschärfung der US-Sanktionen gegen den Iran einhergehen. 

"Es kommen keine Dollar ins Land. Aber alle wollen Dollar kaufen und ihre Vermögen aus dem Land ziehen. Die Zentralbank kann die Nachfrage nicht bedienen. Sie will es auch gar nicht, denn sie will verhindern, dass das Vermögen aus dem Land fließt. Der Markt hat sein Gleichgewicht verloren", analysiert Wirtschafsexpertin Bazoobandi. "Von dieser Stimmung profitieren vor allem Institutionen, die auf dem Schwarzmarkt aktiv sind."  

Schattenhaushalte der Konservativen

Diese Institutionen gehören den religiösen Stiftungen und den Revolutionsgarden, der zentrale Teil des konservativen Establishments im Iran. Sie haben einen enormen Einfluss auf die iranische Wirtschaft und sind in fast allen Branchen aktiv. Sie betreiben Unternehmen von Infrastruktur über Energie bis hin zur Rüstung. Vor Rohanis Regierungszeit hatten die Revolutionsgarden ein gutes Verhältnis zu den Banken. Das hat sich verändert. Die mächtigen Revolutionsgarden müssten sich aus der Wirtschaft zurückziehen, verlangt Rohani. Die Wirtschaft müsse reformiert werden; alle müssten ihre Finanzaktivitäten offen legen.

Proteste im Iran
Im Januar 2018 war es in Teilen des Iran zu Protesten gekommen. Unter anderem die schlechte Wirtschaftslage galt als AuslöserBild: dolatebahar

"Was wir erleben, ist eine Sicherheitskrise und keine Wirtschaftskrise",  urteilt der renommierte Wirtschaftsexperte Saeed Leylaz in einem Interview mit der iranischen Nachrichtenagentur ILNA. "Diejenigen, die bereits vor drei Monaten landesweit gegen die Regierung protestiert haben, suchen nun geradezu eine neue Krise." Auslöser der Proteste im Januar 2018 waren die Pläne der Regierung für eine Wirtschafsreform. Sie haben in der Stadt Mashhad angefangen. Diese Stadt im Osten Irans ist eine Hochburg der Anhänger des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Ebrahim Raisi. Der erzkonservative Ebrahim Raisi leitet die größte religiöse Stiftung im Iran mit dem Namen "Astan-e Qods-e Razavi". Sie verwaltet den wichtigsten Schrein der Schiiten im Iran. Das Milliardenbudget dieser Stiftung hat die Dimension eines Schattenhaushaltes. "Wirtschaftlich und politisch profitieren solche Institutionen  von den Spekulationen über den möglichen US-Ausstieg aus dem Atomabkommen", erläutert Leylaz. "Sie wollen die Rohanis Regierung schwächen."