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"Irgendwann kommt Pressefreiheit"

12. September 2011

In Usbekistan war seine kritische Berichterstattung nicht erwünscht. Jetzt lebt Malik Bobaev als Stipendiat der Stiftung für politisch Verfolgte in Deutschland. Diese feiert gerade ihr 25-jähriges Bestehen.

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Der Journalist Malik Bobaev (Foto: Janine Albrecht)
Bild: DW

"Hier fühle ich mich frei", sagt er und lächelt. Die Erleichterung ist ihm anzusehen. Seit wenigen Wochen ist der Usbeke Malik Bobaev in Deutschland. Er wurde eingeladen von der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, die am 12. September vor 25 Jahre gegründet wurde. Bobaev ist Journalist. So wie die meisten Gäste der Stiftung. Doch anders als viele der übrigen Stipendiaten ist Bobaev nicht aus seiner Heimat geflohen. Er will das Jahr in Hamburg dazu nutzen, einen anderen Blick auf sich und seine Arbeit zu bekommen. Denn mit Abstand könne man, wie er sagt, die Dinge differenzierter beurteilen.

Journalisten für Menschenrechte

Ein Regierungsgebäude Taschkent, der Hauptstadt von Usbekistan (Foto: dpa)
Macht des Staates: Regierungsgebäude in TaschkentBild: picture alliance/dpa

Malik Bobaev ist seit 17 Jahren Journalist. Nach seinem Philologiestudium an der Uni von Taschkent wird er Redakteur bei einer Lokalzeitung. Kritische Berichterstattung sah man dort nicht gern. Dann wechselt er zu einer gerade neu erschienenen Zeitung. "Um sie lesbarer und interessanter zu machen, haben wir auch da kritische Artikel veröffentlicht." In einem Land, in dem die Medien zensiert werden, kommt das nicht gut an. Er berichtet über Menschenrechtsverletzungen, frei und offen – auch wenn die älteren Kollegen ihn warnen.

Schatten von Andischan

Seit dem Bürgeraufstand im Mai 2005 in der Großstadt Andischan unterdrückt die usbekische Regierung jede Form eines unabhängigen Journalismus. Damals beendete das Regime soziale Unruhen und politische Proteste gewaltsam. Demonstranten wurden einfach niedergeschossen. "Eine Tragödie", sagt Malik Bobaev. Er beginnt für den US-Sender "Voice of America" als Korrespondent zu arbeiten, schreibt fürs Radio und das Internet: "Ich habe über ganz viele Sachen geschrieben, über politische Inhalte, Pressefreiheit, die bei uns so verbreitete Kinderarbeit, Menschenrechte."

Malik Bobaev (l.) neben dem Gerichtsgebäude in Taschkent (Foto: Malik Bobaev)
Malik Bobaev (links) 2010 vor dem Gerichtsgebäude TaschkentBild: DW

Repressionen beginnen

2010 wird der Journalist gemeinsam mit fünf Kollegen von der Staatsanwaltschaft Taschkent vorgeladen. Die Gruppe soll Auskunft darüber geben, für wen sie schreibt, welche Auslandsreisen sie macht und unter welchen Pseudonymen sie arbeitet. Ein Einschüchterungsversuch, der Malik Bobaev nicht verunsichert. Noch im selben Jahr wird er für seine Berichterstattung wegen Verleumdung, Beleidigung und Störung der öffentlichen Ordnung angeklagt und zu einer für ihn sehr hohen Geldstrafe verurteilt. "Das war wirklich ein absurdes Spektakel", so Bobaev. "Man wird verurteilt für etwas, das vorne und hinten nicht stimmt und trotzdem ist man hinterher noch froh, dass man 'nur' die 8500 US-Dollar zahlen und nicht für fünf oder acht Jahre in den Knast muss."

Zivilcourage

Seine Frau ist in großer Sorge. Sie bittet Bobaev, seine Aktivitäten einzustellen – er ist Familienvater, hat vier Kinder. Doch der 42-Jährige bleibt dabei: Die journalistische Verbreitung von Staatspropaganda ist für ihn undenkbar. Er hat dennoch Verständnis für die Zwangslage von Kollegen, die das anders sehen: "Sie wissen im Grunde, dass sie nicht die Wahrheit verbreiten", sagt Bobaev. Hinter vorgehaltener Hand, bei den sprichwörtlichen Küchengesprächen, rede manch einer anders als er schreibe.

Austausch mit Kollegen in Europa

Kinder bei der Baumwolle-Ernte in Usbekistan (Foto: Alisher Ilkhamov)
Kinderarbeit: Baumwoll-Ernte in UsbekistanBild: Alisher Ilkhamov

Das Jahr in Deutschland möchte er nutzen, um usbekische Journalisten und Menschenrechtler zu treffen, die nach Europa gegangen sind. Er will erfahren, wie sie sich von hier aus für ihre Heimat einsetzen. Auch deutsche Kollegen würde er gerne treffen – wenn er denn genug Englisch oder Deutsch sprechen könnte. "Für mich sind vor allem die Journalisten interessant, die nur eine oberflächliche Vorstellung von Usbekistan haben." In Deutschland wisse man mehr über Afghanistan als über die zentralasiatischen Länder.

Warten auf die Explosion

Die meiste Zeit verbringt der Stipendiat bisher am Küchentisch oder am Schreibtisch seiner Hamburger Wohnung. Die Stadt und ihre Bewohner sind ihm noch ein wenig fremd. Dass seine westlichen Kollegen so frei und ungehindert arbeiten können, erfüllt ihn mit ein bisschen Neid. Doch er hofft, dass auch in Usbekistan irgendwann Pressefreiheit herrschen wird. Wann? Am liebsten gleich! Bobaev ist freilich Realist genug, um zu wissen, dass Veränderungen Zeit brauchen. Und dennoch ist er überzeugt: "Es braut sich bei uns immer mehr zusammen - bis es irgendwann zu einer Explosion kommen wird."

Autorin: Janine Albrecht
Redaktion: C. Rabitz / A. Bach