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"IS mit Büchern bekämpfen, nicht mit Bomben"

Bekim Shehu2. Juni 2016

Mehrere hundert Kosovo-Albaner sind nach Medienberichten dem Ruf des "Islamischen Staats" gefolgt. Was kann man dagegen tun? Eine internationale Konferenz zum interreligiösen Dialog sucht in Pristina nach Antworten.

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Bild: picture-alliance/dpa/P. Endig

Kosovo hat die Teilnahme an bewaffneten Konflikten im Ausland unter Strafe gesetzt. Trotzdem kämpfen weiterhin junge Kosovo-Albaner für den "Islamischen Staat" in Syrien - Medienberichten zufolge sollen es mehrere Hunderte sein.

Die Suche nach Strategien gegen extremistische Gewalt und der interreligiöse Dialog stehen in dieser Woche im Mittelpunkt einer internationalen Konferenz in der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Die 300 Teilnehmer aus 50 Ländern betonten insbesondere den Wert der Bildung im Kampf gegen Extremismus.

Der "Islamische Staat" sei in erster Linie eine falsche Ideologie - und erst in zweiter Linie eine terroristische Gruppierung, sagte die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, ein Ehrengast der Konferenz im jüngsten Staat Europas. Die iranische Richterin, Anwältin, Menschenrechtsaktivistin und Schriftstellerin lebt seit 2009 im Exil in Großbritannien.

"Jungen, moderaten Muslimen eine Stimme geben"

Der IS könne nicht mit Bomben besiegt werden. Als Beispiel führte sie den Kampf der internationalen Allianz gegen die Taliban an, die heute sogar stärker geworden sind. "Wir müssen jungen, moderaten und modernen Muslimen eine Stimme geben, wir müssen den Menschen zeigen, dass es bessere Interpretationen des Islam gibt. Ich wiederhole es immer wieder: Statt mit Bomben sollte man den IS mit Büchern bekämpfen."

Das größte Problem sei aus der Sicht von Ebadi, dass die patriarchalische Gesellschaft gegen eine Reform des Islam sei. Sie betont, dass eine "richtige Interpretation des Islam die Unterdrückung der Frau gar nicht erlaubt", dennoch wird in vielen Gesellschaften die Frau unterdrückt.

Besa Ismaili Professorin in der Islamischen Fakultät im Kosovo im DW Interview
Besa Ismaili: Viele Frauen im Kosovo gehen nicht zur Schule - aus religiöser ÜberzeugungBild: DW/B. Shehu

Die Teilnehmer der Konferenz sind sich einig: Mangelnde Bildung führe zu falschen Interpretationen der Religion und zum religiösen Extremismus. Das beklagt auch Besa Ismaili, Professorin für Islamwissenschaften im Kosovo. Dieses Bildungsdefizit hätten die extremistischen Gruppen ausgenutzt, um Menschen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, erklärt sie. Zu diesen Opfern gehörten auch Frauen. "Es gibt Frauen im Kosovo, die nicht zur Schule gehen - aus religiöser Überzeugung. Nicht jede Frau im Kosovo hat Zugang zu Büchern und Bildung. Die beste Medizin gegen diese Ideologien, die den Islam missbrauchen, ist aber die Bildung", sagt Besa Ismaili.

Hoffnungsträger des Dialogs zwischen den Religionen geehrt

Besonders wichtig ist aus der Sicht der Experten auf der Konferenz in Pristina auch der Dialog zwischen den Religionen. Im Kosovo gibt es positive Beispiele dafür, dass er Menschen einander näher bringen kann: Zum Beispiel ist hier eine interreligiöse Gruppe aktiv, zu der muslimische, katholische, orthodoxe und protestantische Frauen gehören. Sie fordern, dass Frauen eine wichtigere Rolle in religiösen Institutionen spielen. "Wir als Frauen der verschiedenen religiösen Gemeinden wollen Teil der Zivilgesellschaft im Kosovo sein, und einen echten Beitrag leisten", sagt Besa Ismaili, Mitglied dieser interreligiösen Gruppe.

Die Forderung nach einem breiten gesellschaftlichen Engagement für Dialog und Toleranz kommt auch aus der kosovarischen Politik. Staatschef Hashim Thaҫi forderte mehr Präsenz - dort, wo Intoleranz und Hass gesät werde. "Wir können im Kampf gegen den Extremismus nicht erfolgreich sein, wenn wir nicht auch in den sozialen Netzwerken unsere Präsenz verstärken. Dort werden Millionen junge Menschen Opfer von Botschaften, die auf eine Spaltung der Gesellschaft abzielen. Der Erfolg kommt nicht allein durch die Verhaftung von Extremisten. Wir müssen ein Dreieck zwischen der Familie, dem Staat und der Schule bilden", sagte er.

Als Hoffnungsträger im Bereich des religiösen Dialogs gelten die beiden Persönlichkeiten, die in Pristina mit dem Preis für Interreligiösen Dialog geehrt wurden: Sadiq Khan, der neue Bürgermeister von London, und der katholische Bischof Vincenzo Paglia, der Gründer von Sant'Egidio, der erfolgreichen Gemeinschaft für den Dialog der Religionen und Kulturen.