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Politik

Israel und der Iran: einmischen oder abwarten?

5. Januar 2018

Premierminister Netanjahu hat die Behauptungen Irans, Israel stecke hinter den Unruhen, als "lächerlich" bezeichnet. Gleichzeitig unterstützt er die Protestler offen, berichtet Tania Krämer aus Jerusalem.

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Netanjahu besucht ägyptisch-israelische Grenze
Bild: picture-alliance/dpa/A. Jerozolimski

Seit Jahrzehnten beobachtet Menashe Amir von seinem Sendestudio in Jerusalem aus, was in seinem Geburtsland Iran vor sich geht. Täglich produziert er Radionachrichten auf Farsi mit einer "israelischen Perspektive", hören kann man sie übers Internet. Auch die aktuelle Protestwelle hat Amir intensiv verfolgt. "Ich denke, es ist eine ernstzunehmende Protestaktion. Aber es ist zu früh, um zu sagen, ob die Zeit wirklich reif ist für einen Regimewechsel", glaubt Amir. "Es könnte aber der Beginn einer tiefgreifenden Veränderung der Politik des Irans sein. Was die Protestler verlangen, betrifft das Leben eines jeden Bürgers dort."

Amir ist Israeli, wurde aber in Teheran geboren. Er kam während der Herrschaft des Schahs nach Israel. Viele Jahre lang war er die Stimme einer bekannten wöchentlichen Anrufer-Sendung des staatlichen israelischen Radios. Iraner konnten über eine deutsche Telefonnummer anrufen, die sie direkt in sein Studio in Jerusalem weiterleitete. Kritiker beschuldigten ihn manchmal, mithilfe des "zionistischen Radiosenders" Propaganda zu verbreiten. 

Mittlerweile holt sich Amir seine Informationen über den Iran hauptsächlich über Kontakte in den sozialen Netzwerken. Was immer im Iran geschieht, ist auch für Israel von Bedeutung - die zwei Staaten sind die Erzfeinde der Region. Amir erklärt: "Bei allem Leid und allen Schwierigkeiten, die wir heutzutage im Nahen Osten beobachten können, haben die Religionsführer des Irans ihre Finger im Spiel."

Menasche Amir persisch-israelischer Radiojournalist
Menashe Amir: Die Proteste könnten Beginn einer tiefgreifenden Veränderung seinBild: DW/V. O'Brien

Netanjahu lobt die Demonstrationen

Die iranischen Proteste waren in Israel in den vergangenen Tagen überall in den Schlagzeilen. Eine offizielle Reaktion von Seiten des Staates ließ jedoch etwas auf sich warten. Dann beschuldigte Irans Präsident Hassan Rohani, so die iranischen Staatsmedien, die USA und Israel, hinter den Unruhen zu stecken. Als schließlich US-Präsident Donald Trump per Twitter seine Unterstützung für die iranischen Demonstranten kundgetan hatte, hielt auch Netanjahu sich nicht mehr zurück. In einer 90-sekündigen Videobotschaft, die über Facebook und Twitter verbreitet wurde, richtete er sich an das iranische Volk. Die Anschuldigungen Rohanis seien "nicht nur falsch, sondern auch lächerlich".

Weiter lobte er die "mutigen Iraner, die für Freiheit und Gerechtigkeit auf die Straße gehen. Sie fordern elementare Freiheitsrechte ein, die ihnen jahrzehntelang verwehrt worden sind". Auch die Gelegenheit, Europa für seine Zurückhaltung zu kritisieren, ließ Netanjahu nicht aus: "Die europäischen Staaten schauen einfach zu, während heldenhafte junge Iraner auf den Straßen zusammengeschlagen werden. Das ist einfach nicht richtig. Ich für meinen Teil werde nicht mehr stillhalten", so Israels Ministerpräsident.

Einige israelische Mainstream-Medien griffen Europa noch offener an als Netanjahu. Der Kommentator Ben Caspit schrieb etwa in der Tageszeitung "Maariw": "Die Geschichte wird denen, die untätig bleiben, nicht verzeihen." Andere gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, die Demonstrationen könnten "das Mullah-Regime zu Fall bringen" und der "Anfang eines neuen Nahen Ostens" sein.

Einmischung könnte Situation verschlimmern

Doch einige israelische Experten warnen davor, die iranischen Proteste so offen zu unterstützen. "Das Richtige für Israel wäre, jetzt einfach nichts zu tun und nur leise für sich zu hoffen", so Thamar Eilam Gindin, Autor mehrerer Bücher über den Iran und Professor an der Jerusalemer Shalem-Hochschule. "Das Problem an offener Unterstützung: sie ist kontraproduktiv", ist Gindin überzeugt, "Damit spielt man dem iranischen Regime nur in die Hände, denn dieses wird das als Beweis ansehen, dass Israel die Unruhen angezettelt hat."

Iran - Proteste
Die Proteste im Iran richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik, wurden aber zunehmend systemkritisch Bild: Reuters

Ähnlich sieht es der frühere Leiter des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, Efraim Halevy. In einem Interview mit der "Jerusalem Post" warnt er: "Wenn wir uns in die Geschehnisse im Iran einmischen, wird das für niemanden Vorteile haben. Wir sind gut beraten, die Spannungen in Teheran nicht noch zu verstärken."

Israel und Iran hatten einmal gute wirtschaftliche, militärische und diplomatische Beziehungen. Das war vor dem Sturz des Schahs und der iranischen Revolution im Jahr 1979. Doch seither sind die Staaten tödliche Feinde, die sich konstant gegenseitig bedrohen. Israel behauptet, die nukleare Aufrüstung Irans gefährde seine Existenz, und dass der Iran militante Gruppen wie "Islamischer Dschihad in Palästina", die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon und Syrien finanziere.

Die Situation im vom Bürgerkrieg gebeutelten Syrien - und Irans Einmischung in den Konflikt - ist derzeit eine von Israels drückendsten Sorgen. In einer kürzlich veröffentlichten strategischen Bewertung des Instituts für Studien zur nationalen Sicherheit (INSS) steht, "iranische Bestrebungen, eine Militärmacht in Syrien aufzubauen", könnten zu einer Eskalation an der nordisraelischen Grenze führen.

Die israelische Regierung hat wiederholt gewarnt, sie würde keine iranische Militärpräsenz nahe ihrer Grenzen dulden. Die Unruhen und aus dem Gleichgewicht geratenen Kräfte nördlich von Israel sind laut den Forschern für das Land in den kommenden Jahren die größte Herausforderung in Sachen Sicherheit.

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin