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Rechtsruck befürchtet

11. Oktober 2006

Mit der erwarteten Aufnahme des ultra-nationalen Avigdor Lieberman in das Kabinett von Ehud Olmert zeichnet sich in Israel ein Rechtsruck ab. Der größte Koalitionspartner, die Arbeitspartei, ist entsetzt.

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Avigdor Lieberman sorgt für Ärger
Avigdor Lieberman sorgt für ÄrgerBild: AP

Avigdor Lieberman vertritt starke anti-arabische Positionen. Er sieht die arabische Bevölkerung Israels, die etwa 20 Prozent der sieben Millionen Bürger ausmachen, als potenziell gefährlich an. Der 48-Jährige, 1978 aus der damaligen Sowjetrepublik Moldawien nach Israel eingewandert Politiker propagiert daher einen Austausch der von israelischen Arabern bewohnten Gebiete in Galiläa gegen jüdische Siedlungsblöcke im Westjordanland, die dafür Israel einverleibt werden sollen.

Olmert hatte am Dienstagabend (10.10.2006) gesagt, er wolle "die Koalition in kürzester Zeit auf der Basis der bestehenden Koalitionsvereinbarungen ausweiten". Seine Regierung verfügt gegenwärtig über 67 der 120 Parlamentssitze und besteht aus vier Fraktionen: Olmerts Partei Kadima ist die stärkste mit 29 Mandaten, gefolgt von dem wichtigsten Koalitionspartner, der Arbeitspartei, mit 19 Sitzen, sowie der ultraorthodoxen Schas mit zwölf Sitzen und der Rentnerpartei mit sieben Mandaten.

Ehud Olmert
Ehud Olmert in der KritikBild: AP

Von einer Aufnahme der Partei Liebermans Israel Beitenu (Unser Haus Israel) mit elf Parlamentssitzen verspricht Olmert sich mehr politische Stabilität insbesondere im Hinblick auf bevorstehende Abstimmungen über den Staatshaushalt.

Vergleich mit Nazi-Kollaborateuren

Lieberman hat in der Vergangenheit durch scharfe Äußerungen gegen Araber und Palästinenser für Aufsehen gesorgt. Im Mai verglich er etwa arabische Abgeordnete im israelischen Parlament mit Nazi-Kollaborateuren und drückte die Hoffnung aus, dass sie hingerichtet werden. Er warf den arabischen Parlamentariern unter anderem vor, mit den Gruppen Hamas und Hisbollah zusammenzuarbeiten, die Israels Zerstörung anstreben.

Eines der wichtigsten Hindernisse für einen Regierungseintritt vor einem halben Jahr war Liebermans Gegnerschaft in der Frage eines weiteren Teilabzugs im Westjordanland. Unter dem Eindruck des Libanon-Kriegs und der ständigen Raketenangriffe aus dem geräumten Gazastreifen hat Olmert diesen Plan aber inzwischen offiziell aufgegeben.

Reaktionen der Arbeitspartei

Sollte Liebermans Partei in die Koalition aufgenommen werden, sind starke Spannungen mit der Arbeitspartei zu erwarten. Olmerts größter Koalitionspartner steht weiterhin für eine Friedenslösung mit den arabischen Nachbarn, aus Liebermans Sicht eine weltfremde Position. Matan Wilnai von der Arbeitspartei sagte, die Initiative zur Aufnahme Liebermans am Mittwoch (11.10.2006) solle "die Aufmerksamkeit von dem jüngsten Libanon-Krieg und seinen Fehlern ablenken".

Dani Yatom, Abgeordneter der Arbeitspartei, sagte im israelischen Radio: "Die Arbeitspartei hat bereits viel von ihrer Ideologie aufgegeben, als wir in die Regierung von Olmert eingetreten sind. Das fortzusetzen, noch mehr aufzugeben und uns der Partei von Lieberman anzunähern, kommt gar nicht in Frage." Wenn Liebermann die Grundlagen der jetzigen Regierung anerkenne, dann sei das okay. Yatom zeigte sich aber überzeugt, dass Lieberman das nicht tun werde. "Darum glaube ich, dass Olmert nach rechts abdriften will und das können wir auf keinen Fall mitmachen", sagte der Abgeordnete.

Arabische Reaktionen

Der arabische Parlamentsabgeordnete Ahmed Tibi nannte Liebermans Partei am Mittwoch (11.10.) faschistisch. Ihre Aufnahme in die Koalition bedeute "die Verlegung von Rassismus und Araber-Hass von der Straße in die Regierung".

Ein Kommentator der Zeitung "Haaretz" meinte zu Berichten über eine gemeinsam mit Lieberman angestrebte Veränderung des Regierungssystems und die Verabschiedung einer Staatsverfassung, Olmert suche offenbar verzweifelt nach neuen Inhalten. Das politische Programm, mit dem er am 28. März die Parlamentswahl gewonnen hatte, sei inzwischen komplett zusammengebrochen. (kap)