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Politik

Ist die deutsche Sprache in Gefahr?

2. März 2018

Die rechts-populistische "Alternative für Deutschland" (AfD) will, dass Deutsch im Grundgesetz als Landessprache festgeschrieben wird. Die anderen Fraktionen haben weniger Angst vor dem Untergang der Sprache.

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Deutsche Dialekte - Miniaturausgaben des Wörterbuch-Herstellers Langenscheidt mit verschiedenen Dialekten
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Der Antrag, der an diesem Freitag im Bundestag diskutiert wurde, malt ein düsteres Zukunftsbild: Von der Verdrängung des Deutschen durch andere Sprachen ist da die Rede. Davon, dass das Deutsche in den letzten Jahren "merklich verfärbt" worden sei. Im Alltag würden immer mehr englische Formulierungen benutzt, vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk, immerhin staatlich bezahlt, spiele fast nur englische Musik.

Das Ziel: Deutsch im Grundgesetz

Das Ziel des AfD-Antrages, um diesem Unheil abzuhelfen: Das Deutsche soll im Grundgesetz als Landessprache festgeschrieben werden. Und in der Debatte legt die AfD nach: Immer mehr Polizisten sprächen eher Türkisch oder Arabisch als gutes Deutsch, so der Abgeordnete Stephan Brandner. Und weiter: "Die deutsche Sprache ist in Gefahr. Sie ist in Gefahr durch eine Überflutung durch Anglizismen. Sie ist in Gefahr durch einen um sich greifenden Englischwahn an Universitäten, wo ganze Studiengänge auf Englisch angeboten  werden." Ein Bild des Untergangs. Unschwer zu erkennen, wer all diese Übel verursacht hat: Die vielen Menschen aus dem Ausland, die heute in Deutschland leben.

Entspannte Debatte auf Plattdeutsch

Die anderen Parteien im Bundestag sehen das wesentlich entspannter. Es entwickelt sich eine fast heitere Debatte. Um zu beweisen, wie vielseitig das Deutsche noch immer ist, wie lebendig,  und wie es sich dennoch ständig wandelt, tragen diverse Abgeordnete ihre Reden im Dialekt vor. Johann Saathoff etwa kommt aus Ostfriesland, sein Plattdeutsch ist für viele Kollegen im Parlament eigentlich auch eine Fremdsprache.  Auf Hochdeutsch sagt er: "Nicht nur die deutsche Sprache ist ein Kulturgut, alle Sprachen sind es." Plattdeutsch etwa, oder Englisch oder Spanisch.

Immer noch unter den zehn ersten Sprachen

Überhaupt, die Fremdsprachen: Andrea Lindholz von der CSU freut sich über die vielen Sprachen, die man heute auf deutschen Straßen hört: "Ich bin stolz auf die vielen jungen Menschen, die gut Englisch oder Spanisch sprechen können." Und Simone Barrientos von den Linken beruhigt ihre Kollegen: "Deutsch gehört immer noch zu den zehn am meisten gesprochenen Sprachen der Welt."

Bier in Berlins Szenelokalen nur noch mit Englischkenntnissen

Allerdings hatten sich zuletzt auch viele Politiker von SPD oder CDU an zu viel Englisch in Deutschland gestört. Jens Spahn von der CDU etwa, der wohl neuer Gesundheitsminister wird und als konservativer Kritiker von Kanzlerin Angela Merkel gilt. Spahn hatte sich zuletzt darüber beschwert, dass es in einigen Szenelokalen in Berlin nur noch möglich sei, die Bestellung auf Englisch loszuwerden. Und auch der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hatte kritisiert, dass etwa der Kontakt zwischen der Wissenschaft und dem Bürger durch die Anglisierung verloren geht. Viele wissenschaftliche Arbeiten gebe es nur noch auf Englisch. Denn die wissenschaftliche Elite in Deutschland hege "ein Verhältnis der Verachtung" für ihre Muttersprache.

CDU Politiker Jens Spahn
Will in Kneipen in Berlin Bier auf Deutsch bestellen können: Jens Spahn von der CDU, vielleicht bald Gesundheitsminister.Bild: Getty Images

Sprachen wandeln sich, immer.

So ist auch die CDU im Bundestag dafür, das Deutsche im Grundgesetz als Landessprache zu verankern. Dem Antrag der AfD stimmt die CDU aber deshalb trotzdem nicht zu. Die Abgeordnete Gitta Connemann erklärt, warum: "Unserer Fraktion geht es nicht um Deutschtümelei oder um Selbstdarstellung, sondern um die Sprache. Wir wissen: Sie muss gepflegt werden, sie muss verständlich sein, sie soll verbinden und nicht trennen." Und für Mahmut Özdemir von den Sozialdemokraten ist es kein Zeichen von Untergang, wenn Sprachen und deren Stellenwert sich verändern, auch wenn viele englische Wörter Eingang ins deutsche Sprachgut finden: "Das Deutsch, dass wir heute sprechen, ist nicht einmal mehr das Deutsch von vor 20 Jahren. Von den über 50 Mundarten mal ganz zu schweigen." Überhaupt, so meinen viele Redner: Deutsch sei als Sprache in Ämtern und vor Gericht eine Selbstverständlichkeit, auch ohne Eintrag im Grundgesetz.

Wahlbroschüren auf Russisch – von der AfD!

Das Deutsche, so lautet dann das Fazit, sichert man durch Bildung, durch guten Schulunterricht – und durch Spaß an allen Sprachen, auch an Englisch oder Spanisch. Und selbst die AfD als Retterin des Deutschen in Deutschland sei doch weit internationaler, als sie zugebe, ruft Gitta Connemann von der CDU den Rechtspopulisten zu und hält eine Broschüre der AfD aus dem Wahlkampf in die Luft. Geschrieben auf Russisch, verteilt in Deutschland unter den vielen Sympathisanten für die AfD unter den Russlanddeutschen.