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Politik

Ist die Ebola-Strategie im Kongo gescheitert?

Martina Schwikowski
5. April 2019

Trotz umfangreicher Gegenmaßnahmen breitet sich das Ebola-Virus im Osten Kongos weiter aus. Einer der Gründe: Wachsendes Misstrauen gegen die, die eigentlich helfen wollen.

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Kongo | Ebola
Ein Helfer im Isolationszentrum von Ärzte ohne Grenze in Bunia, DR KongoBild: picture-alliance/dpa/AP Photo/Medecins Sans Frontieres/J. Wessels

Es ist der bislang schwerste Ebola-Ausbruch in der Geschichte der Demokratischen Republik Kongo - und ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich im Osten des Landes allein in der letzten Märzwoche 72 Menschen neu mit dem Virus angesteckt. Das sind mehr als doppelt so viele neue Fälle wie durchschnittlich in den Wochen zuvor.

Insgesamt haben sich seit Beginn der Epidemie im August 2018 nach Angaben des kongolesischen Gesundheitsministeriums über 1000 Menschen mit dem Ebola-Virus infiziert. "Ich würde nicht sagen, dass die Situation völlig außer Kontrolle ist", sagt Sevim Tuglaci, Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) im DW-Interview. "Aber wir müssen umdenken und die Strategie verändern."

Neben der schwierigen Sicherheitslage in der betroffenen Provinz Nord-Kivu macht den Helfern vor allem eines zu schaffen: das Misstrauen in der Bevölkerung. Tuglaci kann das nachvollziehen. "Die Behandlung der Krankheit wirkt sehr aggressiv. Patienten werden im Hilfszentrum von Menschen in gelben Anzügen isoliert, viele kommen zu spät und sterben dort. Familien können ihre Angehörigen nicht auf traditionelle Weise beerdigen - das alles führt zu Unverständnis, Verschwörungstheorien und Wut", so die Ärztin.

Angriffe auf Behandlungszentren

Wut habe wohl auch zu den Überfällen auf die Behandlungszentren in Katwa, Butembo und Benia Ende Februar geführt, sagt Tuglaci. Sie selbst war Teil des Teams in Katwa, als der Angriff dort passierte, ihre kongolesischen Kollegen hatten Nachtschicht im Behandlungszentrum. "Unbekannte legten Feuer, warfen mit Steinen und drangen in das Zentrum ein", erzählt die Ärztin. Aus Sicherheitsgründen zog sich Ärzte ohne Grenzen anschließend aus allen drei Orten zurück. Doch auch schon zuvor seien nur Wenige in die betroffenen Behandlungszentren gekommen, berichtet Tuglaci. "Die Antwort aller Akteure auf Ebola ist gescheitert", zieht sie Bilanz.

Kongo | Ebola
Viele Menschen meiden aus Angst und Misstrauen die Ebola-Behandlungszentren Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/Medecins Sans Frontieres/J. Wessels

Zum Misstrauen beigetragen haben dürfte auch die Entscheidung der kongolesischen Wahlkommission CENI, die Städte Beni und Butembo nicht mit dem Rest des Landes bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Ende Dezember abstimmen zu lassen - offiziell aufgrund des Ebola-Ausbruchs. Dass die Parlamentswahlen in beiden Städten inzwischen durchgeführt wurde, obwohl der Ebola-Ausbruch weiter andauert, stößt auf Unverständnis in der Bevölkerung. 

"Wir sind besorgt über Ebola, weil uns die Präsidentschaftswahl am 30. Dezember letzten Jahres wegen Ebola vorenthalten wurde", erklärt ein Bürger in Beni, der seinen Namen im DW-Interview nicht nennen will. "Jetzt verstehen wir nicht, wieso die Nachwahl am 31. März stattfinden konnte, obwohl Ebola noch nicht besiegt worden ist." Er ist überzeugt, dass Ex-Präsident Joseph Kabila die Verschiebung aus politischen Gründen gewollt habe, um seinen Kontrahenten Martin Fayulu, der im Osten des Landes sehr beliebt ist, auszustechen.

Mehr Aufklärungsarbeit nötig

Laut Sevim Tuglaci von Ärzte ohne Grenzen fehlt es derzeit vor allem an Aufklärung und Wissen über Ebola. Wie genau die nächsten Schritte aussehen werden, sei noch unklar, aber man müsse aus der Perspektive der Einwohner denken: "Helfer müssen in die Kommunen gehen, mit den Dorfältesten reden", sagt sie. Doch das sei wegen der Sicherheitslage in manchen Orten schwierig.

DR Kongo Wahlen 31.03.2019
Drei Monate nach dem Rest des Landes fanden am 31. März die Parlamentswahlen in Beni statt - trotz EbolaBild: AFP/L. Dennison

"In einigen Gebieten ist das Misstrauen gegenüber Autoritäten groß", bestätigt auch WHO-Sprecher Christian Lindmeier im DW-Interview. Auch die Weltgesundheitsorganisation will deshalb stärker in den Dörfern arbeiten, mehr Aufklärung mithilfe ihrer einheimischen Mitarbeiter betreiben. "Jedes einzelne Dorf muss individuell angesprochen werden, um zu verstehen, was passiert", sagt Lindmeier. Das passiere allerdings nicht von heute auf morgen. "Wir gehen davon aus, dass es noch sechs Monate dauern wird und stark von der Sicherheitslage auf dem Boden abhängt, wie es weitergeht", so Lindmeier.

Inzwischen hat die WHO bereits zahlreiche Impfkampagnen durchgeführt, um das Risiko der Ansteckung zu verringern - auch in den Nachbarländern. "Der Impfstoff hat eine Wirksamkeit von über 90 Prozent, also haben wir hervorragende technische Möglichkeiten", sagt Lindmeier. Um die Krankheit aber auch im Kongo zu besiegen, komme es jetzt darauf an, dass die Gemeinschaft der Geldgeber im Kampf gegen Ebola nicht nachlasse.

Mitarbeit: John Kanyunyu