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Finanzmarktreform

16. September 2010

Um die Finanz- und Wirtschaftskrise abzufedern und die Banken zu retten, haben die Regierungen 15 Billionen Euro aufgewendet, ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung. Haben die Banken ihre Lektion gelernt?

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Lehman-Stammhaus in New York 2008 (Foto: AP)
Aufgenommen vor exakt zwei Jahren: Das Lehman-Stammhaus in New YorkBild: AP

Mit dem Crash der US-Invesmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 erreichte die Finanzkrise ihren Höhepunkt. Um die daraus folgende Wirtschaftskrise abzufedern und die Banken zu retten, haben die Regierungen dieser Welt 15 Billionen Euro aufgewendet, ein Drittel des weltweiten Bruttosozialproduktes. Seither mühen sich Politik und Finanzwirtschaft um eine neue Weltfinanzarchitektur. Wie weit ist man bisher gekommen? Haben die Banken ihre Lektionen gelernt? Ja, sagt der Finanzmarktexperte Udo Steffens. "Gleichwohl sind das bisher Lektionen, die sich im Wesentlichen wiederfinden im inneren Management, in der Strategie, im Produktdesign der jeweiligen Banken." Schwieriger, so sagt der Präsident der Frankfurt School of Finance and Management, werde es im Konkreten. Weil die Regulierung eine globale sein müsse, seien erst wenige Tatbestände gesetzlich umgesetzt.

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Nur eine dürftige Bankenabgabe

Udo Steffens, Präsident der Frankfurt School of Finance & Management (Foto: Frankfurt School)
Udo Steffens sieht noch viel ReformbedarfBild: Frankfurt School of Finance & Management

Dabei hat der deutsche Alleingang, sogenannte ungedeckte Leerverkäufe zu verbieten, für ihn nur einen symbolischen Wert, da jede international agierende Bank auf andere Finanzplätze ausweichen könnte. Zudem beschloss das Bundeskabinett im August ein "Restruktuierungsgesetz", nach dem Banken ab 2011 eine Abgabe leisten, damit im Krisenfall nicht wieder der Steuerzahler für die Banken gerade stehen muss. Im Idealfall würden jährlich rund 1,3 Milliarden Euro in diesen Fonds einfließen. Zum Vergleich: Allein das Rettungspaket für den angeschlagenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate beträgt mittlerweile 142 Milliarden Euro.

Eigenkapital im Blickpunkt

Wirtschaftswissenschaftler Max Otte (Foto: dpa)
Max Otte hat den Crash vorhergesagtBild: picture-alliance/dpa

Auf europäischer Ebene wurde gerade die neue Regelung zur Finanzaufsicht als die wichtigste Entscheidung seit dem Ausbruch der Finanzkrise gefeiert. Demnach sollen ab 2011 drei neue Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherer und Börsen das letzte Wort haben, wenn ein grenzüberschreitend tätiger Geldkonzern in Schieflage gerät. Mit anderen Worten: Hier geht es mehr um Krisenmanagement als um Prävention. Ziel aller Reformschritte sollte sein, alles zu tun, damit sich eine Finanzkrise solchen Ausmaßes nicht wiederholt.

Die Prinzipien einer vernünftigen Marktregulierung seien extrem einfach, sagt der Finanzwissenschaftler und Investor Max Otte. Als erstes nennt er das Eigenkapital. So arbeite die Deutsche Bank zum Beispiel mit 1,5 Prozent Eigenkapital: "Wenn sie vorschreiben, dass eine Bank für ein Produkt acht oder neun Prozent Eigenkapital haben muss, dann setzen die Spekulanten ja mehr eigenes Geld ein. Das führt natürlich dazu, dass man vorsichtiger wird." Das wichtigste am Kapitalismus sei nun mal das Kapital. "Und das müssen eigentlich auch die Bankakteure in ausreichender Menge vorhalten, sonst haben wir im Moment Sozialismus für Banken."

Verzweifelter Aktienhändler an der Wall Street (Foto: AP)
Die Kurse stürzten ins BodenloseBild: AP

So standen bei der US-Investmentbank Lehman Brothers bis zu ihrer Pleite einem Eigenkapital von rund 20 Milliarden Dollar Verbindlichkeiten von 500 Milliarden Dollar gegenüber. Um das zu ändern, hat der sogenannte Basler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) jetzt höhere Eigenkapitalquoten für die Banken festgelegt. Die im Ausschuss versammelten Bankenaufseher und Notenbankchefs aus 27 Ländern einigten sich am Sonntag in Basel auf verschärfte Regeln: Am Ende einer Übergangszeit von sechs Jahren müssen die Banken ihr Geschäft dann mit sieben Prozent "hartem Kernkapital" - also Aktien und Gewinnrücklagen - unterlegen.

Transaktionssteuer und Derivatehandel

Als weiteres Instrument sieht Otte eine Steuer auf Finanztransaktionen. "Wenn sie jede Transaktion nur mit 0,05 Prozent besteuern, dann trifft das Investoren wie mich nicht, die ihr Vermögen vielleicht einmal im Jahr umschichten." Aber Hedgefonds, die mit Computerprogrammen immerzu ihr Vermögen umschichten, "die trifft die Steuer jeden Monat hundertfach." Solch eine Steuer wird bisher jedoch nur von Deutschland und Frankreich favorisiert. Die USA, Großbritannien und große Schwellenländer stemmen sich dagegen.

Demonstrantin in Berlin (Bild: dpa)
Kein gutes Image: Anti-Banken-Demonstration in BerlinBild: picture-alliance/ dpa

Als drittes sieht Finanzexperte Otte die Regulierung gewisser Produkte und Geschäftsmodelle. Das Handelsvolumen von Derivaten beispielsweise umfasst 600 Billionen Dollar, was dem Zehnfachen des Bruttosozialprodukts der ganzen Welt entspricht. Den Derivatemarkt bezeichnet Otte schlicht als Spielcasino. Es sei zudem eine Ressourcenverschwendung, dass so viele talentierte junge Leute in die Spielcasinos geschickt würden, die man gut in der Realwirtschaft gebrauchen könnte. Dieses bisher völlig unregulierte Geschäft will die EU transparenter gestalten und an die Börse bringen. In den USA gelten bereits strengere Vorgaben für den Derivatehandel. Doch ansonsten bescheinigt Max Otte der US-Finanzmarktreform nur "Augenwischerei“: "In ein paar Randbereichen wurden leichte Fortschritte gemacht, aber die Kernbereiche wurden nicht angetastet."

Großer Wurf wird nicht kommen

Dafür, dass die Finanzmarktreform global nur im Schneckentempo voranschreitet, macht Otte die starke Bankenlobby verantwortlich. Auch Bankenexperte Udo Steffens bezweifelt, dass die viel beschworene neue Finanzmarktarchitektur zustande kommen wird: "Es wird bei einer Architekturskizze bleiben. Der Markt wird aber sich nicht in Beton und Steine gießen lassen." Man werde immer wieder nach neuen Auswegen, nach Innovation suchen. Und genau hier stelle sich die alles entscheidende Frage: "Darf man den Akteuren des Marktes erlauben, systemische Krisen in einem Ausmaß herbeizuführen, wie wir sie erlebt haben?"

Autorin: Zhang Danhong

Redaktion: Henrik Böhme