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Giorgia Melonis Maßnahmen in der Migrationspolitik

Bernd Riegert Brüssel
18. September 2023

Nach der Krise auf Lampedusa kündigt Italiens Premierministerin Giorgia Meloni populistisch eine neue Migrationspolitik an. Doch was ist wirklich neu daran?

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Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni spricht in zwei Mikrofone
Giorgia Melon will die Migration nach Italien insgesamt stoppenBild: Andreas Solaro/AFP

Die Ministerpräsidentin von Italien, Giorgia Meloni, hatte angesichts tausender neu angekommener Migranten auf der Insel Lampedusa "außerordentliche Maßnahmen" angekündigt, die ihr Kabinett am heutigen Montag beschließen solle. Die Koalitionsregierung aus rechtsradikalen "Brüder Italiens", rechtspopulistischer Lega und Christdemokraten tagte daraufhin in Rom und gab lediglich zwei konkrete Beschlüsse bekannt.

Erstens soll die Abschiebehaft für abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerberinnen und -bewerber von drei auf bis zu 18 Monate heraufgesetzt werden. Das entspricht den von der Europäischen Union (EU) gesetzten rechtlichen Grenzen, die eine maximale Abschiebehaft von sechs Monaten, und in Einzelfällen einer bis zu zwölf Monate langen Verlängerung vorsieht.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sitzen am Tisch bei einer gemeinsamen Pressekomnferenz auf Lampedusa
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin (li.), sagt auf Lampedusa Hilfe zu. Meloni und ihr Gast bleiben im UngefährenBild: Marta Clinco

Zweitens wird die Armee angewiesen, "möglichst schnell" neue Lager für Abschiebehäftlinge in "wenig besiedelten Gegenden im Süden Italiens" zu errichten. Anzahl und Größe dieser Lager bleiben offen. Italien hat wie viele andere EU-Staaten nur wenige Rücknahme-Abkommen mit den Herkunftsländern der Asylbewerber schließen können. Die Zahl der Menschen, die tatsächlich abgeschoben werden können, ist deshalb relativ klein. Das ist vergleichbar mit der Situation in Deutschland.

Ist Italien in Sachen Migration am Limit?

Giorgia Meloni sprach in der Kabinettssitzung von ihrer "großen Befriedigung über die Einheit und das tolle Teamwork in ihrer Regierung, um die Einwanderungskrise zu meistern und konkrete Antworten auf den Druck zu finden, den der Zustrom von irregulären Migranten an unseren Küsten ausgelöst hat".

Inzwischen sind die meisten Migranten, die vergangene Woche Lampedusa mit kleinen Booten erreicht hatten, auf das Festland oder nach Sizilien gebracht worden. Prompt kam es in einem überlasteten sizilianischen Fährhafen erneut zu chaotischen Zuständen, wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtet.

Blick durch eine halbgeöffnete Zauntür auf das mit Migranten überfüllte Aufnahmelager auf Lampedusa
Aufnahmelager in Lampedusa: völlig überfüllt und unvorbereitetBild: Cecilia Fabiano/AP Photo/picture alliance

Von Januar bis September dieses Jahres seien 126.000 Menschen nach Italien eingewandert, heißt es aus dem Innenministerium in Rom. Das seien doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum 2022. Vergleicht man Italien allerdings mit anderen Zielländern von Migranten in der EU, also mit Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien oder den Niederlanden, dann ergibt sich nach den Zahlen der Europäischen Statistikbehörde Eurostat, dass Italien zwar belastet, aber nicht überlastet ist.

In Italien lägen derzeit rund 100.000 Asylanträge vor, sagen EU-Diplomaten in Brüssel. In Deutschland seien es aber 350.000. Außerdem habe Deutschland rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterzubringen. In Italien sind es rund 167.000.

Eine neue EU-Marine-Mission fürs Mittelmeer?

Ihre Forderung vom Freitag, die Europäische Union solle im Rahmen einer Marine-Mission Migranten am Ablegen in Nordafrika hindern, wiederholte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni diesen Montag nicht. Allerdings stieß ihr Außenminister, Antonio Tajani, am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York in dieses Horn und verlangte, auch UN und NATO müssten involviert werden.

Ursula von der Leyen steht zusammen mit Meloni und anderen Menschen am Hafen von Lampedusa
Von der Leyen auf Lampedusa: ein Zehn-Punkte-Plan ohne Überraschungseffekt Bild: Cecilia Fabiano/LaPresse/AP/dpa/picture alliance

Am vergangenen Sonntag hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem gemeinsamen Besuch mit Meloni auf Lampedusa von Optionen für mögliche Marine-Missionen gesprochen, die nun geprüft werden sollten. Diese Aussage war Teil eines Zehn-Punkte-Aktionsplans, der keine wesentlichen neuen Ansätze bot. Marine-Missionen der EU zur Überwachung des Mittelmeers hatte es unter italienischer Führung seit 2013 bereits dreimal gegeben: Mare Nostrum, Triton und Sophia.

Migration: eine europäische Angelegenheit?

Giorgia Meloni will die EU zu der Erkenntnis geführt haben, dass die Migration nicht nur ein italienisches, sondern ein europäisches Problem ist. "Mit seiner Präsenz an den Grenzen, die besonders illegaler Masseneinwanderung ausgesetzt sind, zeigt Europa: Lampedusa ist nicht nur eine italienische, sondern eine europäische Grenze", sagte Meloni.

Dass die Migration eine europäische Herausforderung darstellt und zum Beispiel die EU-Grenzschutzagentur zusammen mit den Mitgliedsstaaten an der Sicherung der Außengrenzen arbeitet, ist seit Jahren eine Binsenweisheit. Deshalb hatte der damalige deutsche Innenminister Horst Seehofer von der CSU zusammen mit den damaligen rechtspopulistischen Innenministern von Italien und Österreich, Matteo Salvini und Herbert Kickl, eine "europäische Lösung" angemahnt. So zum Beispiel bei einem Innenministertreffen der EU 2018 im österreichischen Innsbruck. Jedoch ohne durchschlagenden Erfolg.

An Deck einer spanischen Fregatte drängeln sich Schiffbrüchige schutzsuchend hinter der Bugwand
EU-Mission 2016: Die spanische Fregatte Königin Sofia rettet Schiffbrüchige vor ItalienBild: picture-alliance/dpa/Spanish army

Der Besuch von der Leyens, der auf Melonis Aufforderung kurzfristig eingeschoben wurde, sei "hochsymbolisch", so die italienische Regierungschefin. Sie werde jetzt sehr genau darauf achten, dass alle zehn Punkte des Aktionsplans umgesetzt würden, allen voran ein geplantes Abkommen mit Tunesien. Meloni erwartet von Tunesien das Zurückhalten von Migranten gegen Wirtschaftshilfe. Konkrete Zusagen dafür liegen von tunesischer Seite aber nicht vor.

In Brüssel ist unterdessen ein Streit zwischen EU-Kommission und Parlament im Gange, ob Kommissionspräsidentin von der Leyen EU-Mittel von rund einer Milliarde Euro bei ihren Verhandlungen in Tunesien im Juni und Juli überhaupt zusagen durfte, ohne das Parlament und die Mitgliedsstaaten zu befragen.

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