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Italien ruft Notstand aus

26. Juli 2008

Die italienische Regierung setzt ihren harten Kurs gegen illegale Einwanderer fort und verhängte landesweit einen Flüchtlings-Notstand. Opposition und Vatikan kritisierten die Entscheidung der Regierung scharf.

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Flüchtlingsboot im Hafen von Licata auf Sizilien (dpa)
Flüchtlingsboot im Hafen von Licata auf SizilienBild: picture-alliance/ dpa

Zehntausende von Menschen treten Jahr für Jahr von Nordafrika aus die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer an. Alle haben ein Ziel, sie wollen der Armut und Perspektivlosigkeit in ihren Heimatländern entfliehen.

Wegen anhaltend hoher Zahlen illegaler Einwanderer hat die italienische Regierung jetzt die Notbremse gezogen. Ministerpräsident Silvio Berlusconi verhängte einen landesweiten Notstand. Dieser Schritt soll der Polizei und den lokalen Behörden mehr Mittel an die Hand geben, den erheblichen Andrang von Bootsflüchtlingen zu bewältigen. Innenminister Roberto Maroni wolle in allen Landesteilen neue Aufnahmezentren errichten lassen, berichtete die römische Tageszeitung "La Repubblica."

Nach Angaben des Ministeriums kamen im ersten Halbjahr 2008 über 10.600 Bootsflüchtlinge an Italiens Küsten an,- doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damals waren es 5378. Der Notstand galt bislang nur in den Provinzen Sizilien, Apulien und Kalabrien.

Nicht zum ersten Mal wird die Reißleine gezogen

Flüchtlinge kurz nach der Ankunft in Italien
Flüchtlinge kurz nach der Ankunft in ItalienBild: AP

Maßnahmen gegen illegale Einwanderung gelten als eines der wichtigsten Vorhaben der im April gewählten rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Es ist nicht das erste Mal, dass in Italien versucht wird, die Reißleine zu ziehen.

Erstmals wurde 2002 in Italien wegen der Flüchtlingswellen ein landesweiter Notstand erklärt, der jährlich - und damit auch während der Mitte-Links-Regierung von Romani Prodi - verlängert worden ist. Weil die Aufnahmelager im Februar 2008 ausreichend erschienen, hatte die Regierung Prodi den Notstand auf die drei Südregionen Kalabrien, Sizilien und Apulien begrenzt. Die Zahl der illegalen Einwanderer in Italien insgesamt, darunter auch die Bootsflüchtlinge, wird auf etwa 650.000 geschätzt.

Kritik von Opposition und Vatikan

Die linke Opposition griff die Notstandsmaßnahmen scharf an, nannte sie verabscheuungswürdig und sprach von einem "Polizeistaat". "Italien brauche keine unmenschlichen und außerordentlichen Maßnahmen", sagte der Zentrumsabgeordnete Rocco Buttiglione nach einem Bericht der Turiner Zeitung "La Stampa". Kritik kommt auch von der katholischen Kirche. Der Vatikan rief die italienische Regierung zu Respekt vor den Menschenrechten aller Arbeitsmigranten und ihrer Familien auf.

Spanien und Griechenland haben ähnliche Probleme

Aber nicht nur Italien ist von den Flüchtlingsströmen nach Europa betroffen. Viele Flüchtlinge versuchen in wenig seetüchtigen Booten die gefährliche Überfahrt über den Atlantik auf die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln. In diesem Jahr haben bislang rund 4000 illegale Immigranten die Kanaren erreicht, deutlich weniger als im gleichen Zeitraum 2007. Die Regierung in Madrid erklärt diesen Rückgang mit den verschärften Kontrollen vor der Küste Afrikas sowie den Rückführungsabkommen mit zahlreichen Ländern der Region. Zahlreiche Menschen versuchen auch von Nordafrika oder der Türkei aus, die griechischen Inseln in der Ägäis zu erreichen. Wie auch in Italien sind die Aufnahmelager in Spanien und Griechenland total überbelegt. Die meisten illegalen Einwanderer kommen aus Afrika, viele aber auch aus dem Irak, Afghanistan, Sri Lanka und den Kurdengebieten. (qu)