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Liberia Flüchtlingslager

25. Mai 2011

Die Elfenbeinküste ist aus den Schlagzeilen der Weltpresse verschwunden. Und das, wo immer mehr Menschen fliehen - vor allem nach Liberia. Eine schwierige Situation für das fragile Liberia.

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Ein Kind sitzt neben einer alten Frau vor einem Zelt. (Bild: Ann Kathrin Sost/Dirke Köpp)
Ivorische Flüchtlinge im Flüchtlingslager Solo-TownBild: DW

Ein weißes Zelt neben dem anderen, dazwischen spielende Kinder, eine lange Schlange an der Essensausgabe. Alltag im Flüchtlingslager Solo-Town im Osten von Liberia, nahe der Grenze zum Nachbarland Elfenbeinküste. 1600 Menschen haben hier Zuflucht gefunden. Sie sind vor den blutigen Unruhen in ihrer Heimat Elfenbeinküste geflohen. Nach den Wahlen im November vergangenen Jahres war dort die Gewalt eskaliert. Denn offiziell hieß der Sieger zwar Alassane Ouattara. Doch der unterlegene Ex-Präsident Laurent Gbagbo wollte nicht aufgeben. Die Folge waren Monate blutiger Kämpfe im ganzen Land.

Die meisten Flüchtlinge im Camp Solo-Town kommen aus der Gegend von Guiglo und Toulépleu, auf der anderen Seite der Grenze. Herbert Dio ist einer von ihnen. Er ist mit seiner Frau und seinen vier Kindern ins Camp in Solo-Town gekommen. Er berichtet von Rebellen, Kämpfen und der Angst um das eigene Leben. Sie seien vor den Kämpfen geflohen, berichtet der Mann. "Es war schrecklich. Man wusste nicht, was einem passieren konnte. Vielleicht stößt einer eines Morgens auf dich und bringt dich um", sagt er. Für Politik interessiere er sich nicht, sagt er. Auch nicht dafür, ob Laurent Gbagbo oder Alassane Ouattara das Land lenke. Präsident sei eben der, der an der Macht sei.

Täglich kommen neue Flüchtlinge

Kind zwischen Zelten in einem Flüchtlingslager. (Bild: Ann Kathrin Sost/Dirke Köpp)
Kinder vertreiben sich die Zeit im Flüchtlingslager Solo-Town in LiberiaBild: DW

Offiziell ist die Krise in der Elfenbeinküste beendet. Alassane Ouattara, der international anerkannte Wahlsieger, hat sich am Samstag (21.05.2011) von Landsleuten und internationalen Gästen pompös als neuer Präsident feiern lassen. Von Frieden aber ist sein Land weit entfernt. Immer noch kommen täglich neue Flüchtlinge nach Liberia. Viele von ihnen sind Anhänger des alten Präsidenten. Sie haben Angst vor Racheakten - und vor Rebellen und bewaffneten Gruppen, die das Land weiter unsicher machen.

"Wir kommen aus Blolequin", sagt eine junge Frau. "Die ganze Stadt ist verbrannt worden. Wir können nicht zurück." Ein anderer erzählt: "Ich komme aus Toulépleu. Sie haben meine Mutter umgebracht, mein Vater ist irgendwo im Busch. Mit mir sind hier nur mein kleiner Bruder, meine Frau und meine Kinder." Sie alle leben in einem der kleinen Flüchtlingszelte in Solo-Town.

Liberianische Familien gewähren Schutz

Im Osten von Liberia leben inzwischen mehr als 180.000 ivorische Flüchtlinge. Und nur der kleinere Teil ist in Lagern untergebracht. Die meisten sind von Familien vor Ort aufgenommen worden. Herbert Dio, der Bauer aus Guiglo, seine Frau und seine vier Kinder beispielsweise waren mit 14 anderen Flüchtlingen in einer Familie untergebracht. Die Familie bestand aus gerade mal sechs Personen. "Wir waren viel zu viele", erinnert sich Dio. "Das Haus war so voll, dass manche draußen schlafen mussten. Daher war es besser für uns, in dieses Flüchtlingslager zu kommen, um etwas Platz zum Schlafen zu haben." Als Kritik an den Liberianern möchte Dio das aber nicht verstanden wissen. Die seien überaus warmherzig gewesen und hätten sie, die Flüchtlinge, willkommen geheißen.

Frau in einem Flüchtlingslager - (Bild: Ann Kathrin Sost/Dirke Köpp)
Alltag im Flüchtlingslager Solo-Town in LiberiaBild: DW

Diesen persönlichen Eindruck Herbert Dios bestätigen Ibrahima Coly vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Liberia und auch die Leiterin von UNMIL, der Uno-Mission in Liberia, Ellen Margrethe Løj. "Da die Liberianer während des Bürgerkrieges über Jahre als Flüchtlinge Hilfe in der Elfenbeinküste bekommen haben, fühlen sich viele nun verpflichtet, diese Hilfe zurückzugeben", erläutert Ibrahima Coly. Hinzu kämen starke ethnische Bindungen dies- und jenseits der Grenze. Ellen Margrethe Løj betont: "Es ist wirklich beeindruckend, wie freundlich die Liberianer, die selbst nur so wenig haben, die Flüchtlinge aus der Elfenbeinküste aufgenommen haben."

Deutschland hilft mit fünf Millionen Euro

Mann und Frau bei einem Gespräch (Bild: Dirke Köpp)
Bundesentwicklungsminister Niebel und Liberias Präsidentin Ellen Johnson-SirleafBild: DW

Doch sie betont auch, dass der Flüchtlingsstrom eine Herausforderung sei für das kleine Land Liberia. Erst vor acht Jahren endete hier ein 14-jähriger Bürgerkrieg. Noch heute kämpft Liberia mit dessen Folgen: Gerade der Südosten - der Region, in der sich das Flüchtlingslager Solo-Town befindet - ist stark gezeichnet. Die Straßen sind schlecht, Schulen fehlen, die Nahrung reicht so gerade. Bei seinem Besuch Mitte Mai sagte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel dem Land daher noch mal fünf Millionen Euro zusätzliche Hilfe zu. Davon sollen Straßen und Ackerflächen instand gesetzt und Brunnen, Schulen und Sanitäranlagen neu gebaut werden.

Ein mindestens ebenso großes Problem wie Nahrung und Infrastruktur aber ist, dass nicht nur Flüchtlinge die grüne Grenze passieren. Auch ehemalige Bürgerkriegskämpfer aus Liberia und Söldner, die sich in die Krise in der Elfenbeinküste eingeschaltet hatten, kehren zurück. UNMIL, die Uno-Mission in Liberia, hat daher ihre Grenzkontrollen verstärkt. Man arbeite hart für die Entwaffnung der Kämpfer, sagt die Chefin der UN-Mission, Løj: "Wir haben die Kontrollen entlang der Grenze verstärkt. Und wer auch immer versucht, Waffen mit über die Grenze zu bringen, wird entwaffnet. Es ist illegal, Waffen nach Liberia zu bringen."

Kein Ende der Krise in Sicht

Dann aber hätten natürlich auch diese Menschen Anspruch auf Hilfe. Die Vereinten Nationen schätzen den finanziellen Bedarf für die Nothilfe für die mehr als 180.000 Menschen auf mehr als 100 Millionen Euro. Im Moment. Denn wie lange die Krise noch dauern wird, vermag keiner vorauszusagen: Nicht die Verantwortlichen von UNMIL, nicht eine der vielen Hilfsorganisationen vor Ort und nicht die Flüchtlinge selbst. Zuerst, sagen sie, müssten alle Rebellen und anderen Kämpfer entwaffnet werden.

Autorin: Dirke Köpp

Redaktion: Lina Hoffmann