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IWF: Umverteilung schadet nicht

Rolf Wenkel11. März 2014

Beim Internationalen Währungsfonds deutet sich ein Wechsel in einer ökonomischen Glaubensfrage an: Die Hohepriester des freien Marktes und Eiferer gegen staatliche Eingriffe geraten aus der Mode.

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Logo Zentrale IWF in Washington (Foto: Andreas Becker / DW)
Bild: DW/A.Becker

Jahrzehntelang ist das Weltbild der Ökonomen durch den amerikanischen Nobelpreisträger Milton Friedman und die neoliberale Schule geprägt worden. Diese Denkschule feierte die Überlegenheit freier Märkte und machte aus ihrem Misstrauen gegenüber staatlichen Eingriffen, auch und besonders in Form von staatlicher Umverteilungspolitik, keinen Hehl.

"Eine Flut hebt alle Boote nach oben", lautete die Botschaft, oder anders ausgedrückt: eine Wirtschaftspolitik, die nicht umverteilt, sondern Wachstum fördert, diene letztendlich auch den benachteiligten Bevölkerungsschichten. Umverteilung nehme dagegen den Spitzenverdienern und Leistungsträgern die Motivation - zum Nachteil der Allgemeinheit.

Indes: Beim Internationalen Währungsfonds in Washington scheint sich gerade ein Richtungswechsel in dieser wirtschaftspolitischen Glaubensfrage anzudeuten. Jonathan Ostry, Stellvertreter von IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard, hat mit dem Segen seines Chefs eine neue Studie veröffentlicht Redistribution, Inequality, and Growth, die erstmals historisches Datenmaterial aus einer Vielzahl von Ländern vergleichbar macht.

Wachstum trotz Umverteilung

Das Fazit der Studie: Umverteilung richtet keinen Schaden an, hemmt vor allem das Wachstum nicht, während allzu krasse Einkommensunterschiede durchaus das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen können. Länder mit einer geringeren Ungleichheit nach einer fiskalischen Umverteilung weisen im Durchschnitt ein höheres Wirtschaftwachstum aus als solche mit extremen Einkommensunterschieden.

Studie der IMF Ungleichheit Umverteilung und Wachstum Cover
Vorläufig nur ein Diskussionspapier: IWF-Studie über UmverteilungBild: IMF

Natürlich seien Anreize wichtig, damit die Menschen sich anstrengten und Neues erfänden. Doch: "Ein Übermaß an Ungleichheit schadet dem Wachstum, zum Beispiel, weil es den Zugang zum Gesundheitswesen und zu Bildung versperrt. Das unterminiert die politische und wirtschaftliche Stabilität, was Unternehmen mit Investitionen zögern lässt. Und es gefährdet den sozialen Konsens, der nötig ist, um auf große Schocks zu reagieren“, schreiben die Autoren der Studie.

Zudem weisen die Autoren um Jonathan Ostry darauf hin, dass sie aus dem Datenmaterial nur direkte Umverteilungsmaßnahmen wie Steuern und Subventionen erfassen konnten. Bezöge man auch andere Ausgaben mit einem Umverteilungseffekt mit ein, etwa staatliche Gelder für Schulbildung und Gesundheitsversorgung, dann dürften die positiven Effekte für das Wachstum sogar noch größer sein.

Keine Handlungsanleitung

Der Befund sorgt für Aufsehen, weil er den gängigen Theorien zuwider läuft und der tief verankerten klassischen ökonomischen Überzeugung widerspricht, dass Umverteilung in jedem Falle schädlich sei, auch wenn sie aus politischen oder Gerechtigkeitsgründen erwünscht sein könnte.

Zum Schluss aber scheinen die IWF-Autoren um Jonathan Ostry Angst vor der eigenen Courage bekommen zu haben. Denn sie warnen ausdrücklich davor, aus ihren Forschungsergebnissen "konkrete Handlungsanleitungen für die Politik" abzuleiten. Aber immerhin hat der IWF mit dieser Studie den Befürwortern für mehr Umverteilung neue Argumente an die Hand gegeben. Ob er sich selbst daran halten wird, etwa bei der Formulierung von Auflagen für Hilfskredite, bleibt abzuwarten.