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Jahresabo im Sicherheitsrat

Andreas van Hooven16. Juli 2002

Alte und Neue Welt haben ihren Streit um den Internationalen Strafgerichtshof ICC vorerst beigelegt. Jährlich soll nun der Sicherheitsrat über Justitia zu Gericht gehen.

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Dauerbrenner Resolution 1422Bild: AP

Zur Zeit des Kalten Krieges war der Weltsicherheitsrat Schauplatz militärstrategischer Gefechte zwischen den USA und die UdSSR. Seit Ende des Sowjetimperiums prägen zunehmend staatspolitische Interessen das Handeln des Rates. Eine Blockbildung in Ost und West scheint vergangen, doch im Streit um den Internationalen Strafgerichtshof ICC rieben sich die Europäer mit den Amerikanern – Russland und China schauten wohlwollend zu. Laut UN-Resolution 1422 könnte der Konflikt jährlich die Agenda des Sicherheitsrates besetzen.

"Down the river"

Für ein Jahr kann Ruhe in den Sicherheitsrat kehren. Die USA sehen von ihrem Vetorecht ab, und die UN-Friedenstruppen (SFOR) in Bosnien-Herzegowina erhalten ein neues Mandat. Eine Legitimation der Weltgemeinschaft, den Demokratisierungsprozess auf dem Balkan weiter zu schützen. Das Veto diente den Amerikanern zur Durchsetzung staatspolitischer Interessen. "Das ganze Wohlwollen, das wir in Europa seit dem letzten Besuch von Präsident Bush aufgebaut haben, ist den Bach runter", hieß es aus US-Diplomatenkreisen.

Amerika sieht das Gericht als möglichen Ort politisch motivierter Klagen von Feindstaaten gegen unschuldige US-Bürger. Auch eine Eigendynamik von Richtern sei nicht völlig ausgeschlossen. Doch folgt die Prozessordnung des ICC angelsächsischen und europäischen Traditionen und pflegt damit eine hohe Transparenz. Was am Ende des Streits zwischen Europäern und den USA steht, ist Immunität für US-Bürger – und Bürger aller Staaten, die den Gerichtshof nicht anerkennen. So lange wie erforderlich will der Sicherheitsrat diese Ausnahme laut Resolution um je ein Jahr verlängern.

Trittbrettfahren im Sicherheitsrat

"Als Staatenrecht hat das Internationale Völkerrecht seinen Geltungsbereich nur in Ländern, die ihm und seinen Statuten zustimmen", so Asienexperte Frank Umbach von der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik (DGaP). Die Willensbekundung einer Regierung zum Aufbau eines Weltgerichts erkennt dessen Zuständigkeit für die eigenen Staatsbürger noch lange nicht an. Ein Mehrheitsbeschluss des Amerikanischen Kongresses wäre verbindlich gewesen. Ähnlich zu den Beschlüssen der Weltklimakonferenz von Kyoto verhinderten aber innenpolitische Machtverhältnisse deren Ratifizierung in den USA.

Experten sehen Europa isoliert in dem Wunsch, die Gerichtsbarkeit des ICC und damit einen weiteren Meilenstein des Völkerrechts in alle Länder der Erde zu tragen. Und das auf Jahre. Die DGaP verweist auf nationale Interessen der Chinesen und Russen, sich im Streit um den ICC nicht gegen die Amerikaner zu stellen. Auch sie besitzen ein Veto im Sicherheitsrat und hätten ähnlich wie die USA Position beziehen können. Der russische Krieg in Tschetschenien wie die Besetzung Tibets durch die Chinesen mit allen militärischen und völkerrechtlichen Konsequenzen sind der Hintergrund dafür, dass Europas Maßstäbe im Sicherheitsrat nicht umsetzungsfähig sind.

Kopfschmerzen im Elysée-Palast

So wird es wahrscheinlich auch im kommenden Jahr eine Mehrheit im Sicherheitsrat begrüßen, wenn die Amerikaner auf ihr Vetorecht verweisen. Als neu an der Situation ist die Rolle der Franzosen zu sehen. Neben den – im jetzigen Konflikt als Vermittler aufgetretenen Briten – kommt ihnen als Europäern mit Vetorecht nun jährlich die Aufgabe zu, die Immunität von US-Bürgern nicht zu verhindern. Europa wird alljährlich unter Beweis stellen müssen, wie eng seine Bindung an und Abhängigkeit von den USA sind. Ein Reifeprozess, den China und Russland mit Interesse verfolgen werden.