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Politik

Jahrzehntelange Haft für Enver Altayli

8. November 2021

Seit 2017 sitzt der Deutsche türkischer Abstammung in Ankara im Gefängnis. Ein Gericht verurteilte den 77-jährigen Enver Altayli nun zu mehr als 23 Jahren Haft.

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Enver Altayli
Enver Altayli (Archivbild) Bild: picture-alliance/dpa/Familie

Enver Altayli war 2017 im südtürkischen Antalya festgenommen worden. Er sitzt seitdem im
Hochsicherheitsgefängnis Sincan in Ankara in Einzelhaft. Die Behörden warfen dem 77-Jährigen, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, Gründung beziehungsweise Führung einer Terrororganisation vor. Zudem wurde er beschuldigt, Staatsgeheimnisse mit dem Ziel der militärischen oder politischen Spionage erworben zu haben.

Wegen militärischer und politischer Spionage erhielt Altayli nun eine Strafe von 13 Jahren und vier Monaten, wie seine Tochter und Anwältin Dilara Yilmaz der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Das Gericht in Ankara verurteilte ihn zudem zu zehn Jahren Gefängnis wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Damit ist die Bewegung des im Exil lebenden islamischen Geistlichen Fethullah Gülen gemeint, die von der türkischen Führung für den Putschversuch im Jahr 2016 verantwortlich gemacht wird.

Tochter und Anwältin will in Berufung gehen 

Yilmaz bezeichnete das Urteil als politisch motiviert und kündigte Berufung an. Wie die Entscheidung zeige, werde jede Kritik an der Regierung als Spionage ausgelegt, sagte sie. Ihr Vater habe unter anderem angeprangert, dass demokratische Strukturen und Institutionen durch die Maßnahmen der türkischen Führung nach dem Putschversuch Schaden genommen hätten.

Beobachter bewerteten sowohl die Anklageschrift als auch den Prozessverlauf als juristische Farce - verglichen mit westlichen rechtsstaatlichen Standards. Eine Zeugenaussage gegen Altayli wurde offenbar unter Folter erpresst und später wieder zurückgezogen.

Türkischer Geheimdienst schickte ihn nach Deutschland 

Der Jurist Altayli war in den Jahren vor seiner Inhaftierung vor allem als Publizist zu Zentralasien-Themen tätig. Nach eigener Aussage war er 1968 vom türkischen Geheimdienst MIT zur Forschung über Osteuropa-Recht in die Bundesrepublik entsandt worden. Beim MIT blieb er demnach bis 1973. In den 1980er Jahren vertrat er die türkische ultranationalistische Partei MHP in Deutschland. Ihr Vater gehöre der MHP aber seit Jahren nicht mehr an, erklärte Altaylis Tochter Zehra Der bereits 2018.

Nach ARD-Informationen war Altayli für die politische Führung in Ankara auch als Diplomat aktiv. Er gilt als scharfer Kritiker jeglicher Kooperation zwischen der Türkei und Russland. Laut ARD sprach die noch amtierende Kanzlerin Angela Merkel den Fall Altayli mehrfach bei Treffen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan an.

se/rb (ard, dpa, dw)