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Politik

Jakartas Gouverneur wohl vor Haft verschont

20. April 2017

Ein einziger Satz kostete ihn den Wahlsieg. Genau wegen dieser Worte wird Basuki Purnama der Prozess gemacht. Doch nun deutet sich eine Wende an - während sich Indonesien weiter spaltet.

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Indonesien Jakartas Governeur Basuki Tjahaja Purnama
Purnama, Spitzname: Ahok, galt als Macher und als Mann der klaren Worte - bis die Stimmung kippte (Archivibild)Bild: Reuters/Beawiharta

Die Hardliner hatten die Gouverneurswahl zu einer Religionsschlacht gemacht. Und sie hatten Erfolg: Basuki Tjahaja Purnama, der 50-jährige Christ, den alle nur Ahok nennen, lag in der Stichwahl abgeschlagen hinter seinem muslimischen Konkurrenten Anies Baswedan, der fast 60 Prozent der Stimmen holte.

Die Entscheidung der indonesischen Wähler am Mittwoch hatte nur den Niedergang des Politikers besiegelt, der einst für seine Arbeit in Jakarta vielgerühmt war. Er galt als Macher, als Mann der klaren Worte, als unbestechlich. Bis in den vergangenen Herbst schien seine Wiederwahl sicher.

Dann, eher beiläufig, sagte er den Zuhörern im Wahlkampf, sie sollten nicht denen folgen, die aus dem Koran zitieren, um seine Wiederwahl als Gouverneur zu verhindern. Der Satz verbreitete sich wie ein Lauffeuer, führte Ahok vor Gericht und drohte ihn ins Gefängnis zu bringen.

Indonesien Protesten gegen Jakartas Governeur 'Ahok'
"Keine christlichen Führer": Massenprotest im März in JakartaBild: Getty Images/E. Wray

Wenigstens die Haftstrafe scheint nun abgewendet: Die Staatsanwaltschaft hat im Prozess ein Jahr auf Bewährung beantragt. Bei einer Verurteilung wegen Blasphemie wäre Purnama womöglich für fünf Jahre hinter Gittern verschwunden. Statt dessen plädieren die Ankläger nun auf "Verbreitung von religiösem Hass". Der Vorwurf, der christliche Gouverneur habe den Koran beleidigt, sei dagegen haltlos, erklärte der Staatsanwalt.

Unter Tränen vor dem Richter

Purnama bestreitet, dass der Satz, den er im Wahlkampf sagte, abfällig gemeint war. Vor Gericht hatte er im Dezember unter Tränen beteuert: "Ich weiß, dass ich die heiligen Verse des Korans zu respektieren habe. Ich verstehe nicht, wie man behaupten kann, ich hätte den Islam verletzt." Vielmehr, so der Politiker, habe er die missbräuchliche Verwendung von Koranversen durch seine Gegner kritisiert. Denn diese hätten Suren sinnentstellt ausgelegt, um die Wähler von ihm wegzutreiben.

Wie das geschah, konnte man noch vor der Stichwahl in der Hauptstadt sehen. "Muslime dürfen Ungläubige nicht zu ihren Führern wählen", hieß es dort auf einem Plakat, das am Zaun einer Moschee hing, direkt an einer vielbefahrenen Straße. "Wer einen Ungläubigen wählt, wird das bereuen." Das Wort "Kafir" (Ungläubiger) war in blutroten Buchstaben geschrieben. Hintergrund ist jene Sure, in der es heißt: "Ihr, die ihr glaubt: Nehmt nicht die Juden und Christen zu Freunden!" Bisweilen wird der letzte Begriff auch mit "Führer" oder "Schutzherren" übersetzt.

Jakarta Muslime protestieren gegen christlichen Gouverneur  Basuki Tjahaja Purnama
Radikale Muslime wünschen Ahok hinter Gitter - hier eine Demonstration im DezemberBild: Reuters/D. Whiteside

Bis zu einer halben Million Menschen waren gegen Ahok auf die Straße gegangen. Mehrfach musste er im Wahlkampf vor Gericht erscheinen. Auf einmal war es ein Problem, dass der 50-Jährige gleich zwei Minderheiten in Indonesien angehört: Er hat chinesische Wurzeln. Und er ist Christ; einer von vielleicht 26 Millionen im größten muslimisch geprägten Land der Erde mit insgesamt 260 Millionen Einwohnern.

Mordaufrufe von Hetzern

Traditionell gilt der Inselstaat als Heimat einer moderaten Ausprägung des Islams, dem fast 90 Prozent der Bevölkerung angehören. Doch wenn jetzt in der Hauptstadt ein Mann wegen eines Satzes im Wahlkampf vor Gericht gezerrt wird, der ihn erst das Amt und um ein Haar den Kopf gekostet hätte - längst kursieren Mordaufrufe von Hetzern gegen Purnama im Internet -, dann wirft das ein Schlaglicht auf das Verhältnis der Religionen im Land.

Die Gouverneurswahl in Jakarta, die mit Baswedan übrigens kein Fundamentalist, sondern ein früherer Universitätsrektor und Minister gewann, war nicht zuletzt ein Stimmungstest dafür, wie Indonesien künftig mit seinen Minderheiten umgeht. Bislang galt der Staat mit 17.500 Inseln als Modell für die Vereinbarkeit von Demokratie und Islam.

Doch während Purnama weiter auf sein Urteil wartet - mit dem Richterspruch wird für Mitte Mai gerechnet -, zeigen sich Menschenrechtler zunehmend besorgt über den wachsenden Einfluss der Radikalen. Diese befolgen gerade nicht die Aufrufe von Staatspräsident Joko Widodo, dem Vorgänger Purnamas im Gouverneursamt, der immer wieder zur Einheit mahnte.

Intoleranz und Anfeindungen wüchsen, bedauert etwa Asienexperte Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker: "Der erbittert ausgetragene Wahlkampf, in dem Religion und Rassismus von Politikern zur eigenen Machtsicherung instrumentalisiert wurden, hat tiefe Gräben hinterlassen - und Indonesien gespalten."

jj/se (dpa, afp, rtr, kna)