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Politik

Janssen: "Trump will die EU schwächen"

Zorica Ilic
20. Januar 2017

Durch Trump und Putin könnte ein neues Ungleichgewicht auf dem Balkan entstehen, warnt der Politikwissenschaftler Siebo Janssen. Auch ein neuer bewaffneter Konflikt in der Region sei möglich.

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Russland Stankt Petersburg Masken von Putin und Trump
Masken von Putin und Trump in einem Souvenirladen in St. PetersburgBild: picture-alliance/AP Photo/D. Lovetsky

DW: Die Europäer sind sehr besorgt, wenn es um Donald Trumps Präsidentschaft geht. Welche Entwicklungen erwarten Sie in den transatlantischen Beziehungen?

Siebo Janssen: Es gibt drei Punkte, die ich besonders kritisch sehe. Erstens die Wirtschaft: Sie basiert auf Freihandel, und der Freihandel zwischen der Europäischen Union und den USA ist ein ganz wichtiger Aspekt. Donald Trump will ihn offensichtlich radikal einschränken, da würde es möglicherweise auf einen Handelskrieg zwischen der EU und den USA hinauslaufen. Der zweite Punkt: Er hat - anders als Barack Obama und John Kerry als US-Außenminister - kein Interesse daran, dass die EU gestärkt wird, dass sie besser in der Lage ist, mit ihren politischen Problemen umzugehen. Im Gegenteil, er will die EU schwächen und destabilisieren, offensichtlich in Zusammenarbeit mit Wladimir Putin. Der russische Präsident verfolgt ein ähnliches Interesse: Das äußert sich unter anderem darin, dass er zum Beispiel rechtspopulistische bis rechtsradikale Parteien in Europa finanziell unterstützt. Da baut er sich eine neue Achse auf, die uns nicht lieb sein kann als Europäer - wir geraten in eine Sandwichposition. Und der dritte Punkt: Trump hat erklärt, dass er nicht mehr an die NATO glaubt, dass er sie für obsolet hält. Und das ist keine gute Nachricht für die osteuropäischen Staaten, weil sie immer sehr stark auf die NATO gesetzt haben.  

Sie haben Putin erwähnt: Viele Europäer haben Angst vor einer möglichen Allianz zwischen Putin und Trump, aber Trump selbst hat gesagt: "Wenn ich mich mit Putin verstehen werde, ist das doch ein Vorteil".

Generell ist eine Entspannung zwischen den USA und Russland immer zu befürworten. Das Problem ist nur: Wir haben in Russland einen autokratischen Herrscher, der sich wenig um Menschenrechte und Demokratie schert, und in den USA haben wir jetzt jemanden, der es offensichtlich mit den ganz grundlegenden Voraussetzungen von Demokratie und Zusammenleben nicht so besonders ernst nimmt. Das kann in einer Krisenzeit, wo es eigentlich darum geht, die Freiheitswerte und die offenen Gesellschaften zu stärken - was wir hier in der EU versuchen - nicht das Ziel von politischer Zusammenarbeit sein. Entspannung ja, aber nicht auf Kosten von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten!

In der Westbalkan-Region gibt es verschiedene politische Einflüsse. Die Interessen von Russland und den USA sind hier sehr oft unterschiedlich. Was können wir auf dem Westbalkan von Trumps Präsidentschaft und einer Annäherung zwischen ihm und Putin erwarten?

Auf dem Balkan haben wir immer noch mehr oder weniger ausgeprägt die alten nationalistischen Regime, die seit dem Zerfall Jugoslawiens tonangebend waren oder es immer noch sind. Dort verlaufen nach wie vor alte Bruchlinien. Bis jetzt war es so, dass der Westen beziehungsweise die USA gesagt haben: Wir möchten diesen Konflikt dauerhaft beenden und für einen politischen Ausgleich sorgen. Ich fürchte, dass jetzt mit Putin, der ein ganz klares Interesse hat, die Serben zu stärken, und auf der anderen Seite Trump, ein Ungleichgewicht auf dem Balkan entstehen wird. Und dass die Serben den Ton verschärfen.

Kosovaren in Sorge über Trump-Präsidentschaft
Trump-Plakat im KosovoBild: DW/M. Nazar

Donald Trump hat gesagt, dass die NATO obsolet sei. Gleichzeitig will Russland, dass die Balkan-Länder, die noch nicht NATO-Mitglieder sind, der Militärallianz auch in Zukunft nicht beitreten. Was erwarten Sie in diesem Bereich?

Ich denke, es wird in den nächsten Jahren keine NATO-Erweiterung geben. Trump wird kein Interesse daran haben. Und ohne die USA wird es dort keine wesentliche sicherheitspolitische Entwicklung geben. Die USA sind immer einer der Grundpfeiler der NATO gewesen, und wenn sie sich teilweise zurückziehen, dann verliert das Bündnis an Bedeutung. Damit sind auch alle Erweiterungen in Frage gestellt - und das ist eindeutig ein Erfolg für Putin.  

Könnte es dann sein, dass Donald Trump den Westbalkan Wladimir Putin überlässt?

Er wird sich aus diesen Fragen völlig heraushalten - und sie zu einer europäischen Angelegenheit erklären. Aber da die Europäer in diesem Punkt auch gespalten sind - Kosovo wird zum Beispiel von manchen europäischen Ländern, zum Beispiel Spanien, nicht anerkannt - wird das meines Erachtens ganz klar in eine Richtung gehen: Russland wird faktisch dort eine starke Rolle spielen und auch seinen Einfluss geltend machen.

In der ganzen Region herrscht wieder Unsicherheit. Im Kosovo verbreitet sich die Angst vor einer Teilung. Ist sie berechtigt? Und ist es möglich, dass die USA die eigenen Truppen aus der Region bald abziehen werden?

Das ist sicherlich eine berechtigte Angst, der serbische Premier hat indirekt mit Krieg gedroht, die Kosovo-Albanische Führung hat ebenso martialisch reagiert. Die Kosovo-Albaner wollen das ganze Kosovo, die Serben wollen es nicht als unabhängigen Staat anerkennen und zumindest den Nordteil zurückgewinnen. Darin steckt viel Konfliktpotenzial. Mittelfristig gehe ich davon aus, dass die US-Truppen aus der Region zurückgezogen werden. Die Frage ist, ob die Europäer willens und in der Lage sind, dort so massiv Truppen zu stationieren, sodass ein Konflikt dauerhaft verhindert wird? Ich habe mit vielen Menschen auf dem Balkan gesprochen, unter anderem mit Vertretern von NGOs: Alle sagen, dass in den nächsten drei bis vier Jahren dort ein bewaffneter Konflikt ausbrechen könnte, falls der Westen nicht stärker versuchen würde, Demokratie und Zivilgesellschaft zu fördern. Das sehe ich im Moment nicht - wegen der isolationistischen Tendenzen in den USA.

Der Politikwissenschaftler und Historiker Dr. Siebo Janssen arbeitet am Institut für Anglo-Amerikanische Geschichte der Universität zu Köln. Zu seinen Schwerpunkten gehört neben den USA auch das ehemalige Jugoslawien.