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Japan-Krise erreicht deutsche Firmen

6. April 2011

Vier Wochen nach dem Erdbeben werden deutsche Unternehmen nervös - vor allem diejenigen, die von japanischen Exporten abhängen. Denn in Japan stehen derzeit viele Bänder still und immer mehr Lieferungen fallen aus.

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Mercedes SL Roadster werden am Fließban im Werk von DaimlerChrysler in Bremen gefertigt (Foto: AP)
Es genügt ein einziges fehlendes Teilchen - und die Produktion steht stillBild: AP

Zwar laufen die Bänder beim Autobauer Opel wieder, aber es war ein Vorgeschmack darauf, was in ein paar Wochen auf die deutsche Autoindustrie insgesamt zukommen könnte: Die Rüsselsheimer Tochter des US-Konzerns General Motors hatte die Produktion des Kleinwagens Corsa im Werk Eisenach kurzzeitig aussetzen müssen, weil sein japanischer Zulieferer nicht liefern konnte und deshalb ein wichtiges elektronisches Bauteil für die Motorsteuerung fehlte.

Der Puffer ist verbraucht

Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer (Foto: DPA)
Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer: "Japan wirkt sich immer stärker auf Hightech-Sektor aus."Bild: picture-alliance/ dpa

Nach Berechnungen des Marktforschungsinstituts IHS Automotive kam 2010 ein Drittel aller Chips für die Automobilindustrie weltweit aus Japan. Noch befänden sich viele Teile aus Japan auf dem Seeweg oder in Lagern. "So langsam wird’s aber eng", sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach bei Köln im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Er rechnet damit, dass es in zwei bis drei Wochen zu mehr Ausfällen für die deutsche Autoindustrie kommen werde.

Noch produzieren Daimler, Volkswagen oder BMW wie bisher, versuchen sich aber auf Zulieferer außerhalb Japans zu stützen. Bei Standardkomponenten sie dies möglich, sagt Bratzel. Davon gäbe es in jedem Auto aber nur relativ wenige. Und selbst wenn ein Autohersteller ein Bauteil bei zwei Herstellern bezieht, heißt das noch lange nicht, dass er vor Ausfällen sicher ist. Denn gerade in Zeiten, in denen Autozulieferer weltweit ausgelastet sind, wie momentan der Fall, können sie ihre Produktion nicht einfach beliebig erhöhen, um die Lücke aus Japan zu schließen.

Hightech-Branche fürchtet höhere Preise

Mehrere Computer-Chips in drei Reihen (Foto: IPO)
Chips, aber auch Wafer und Sensoren werden teurerBild: IPQ

Aber nicht nur die Autoindustrie blickt mit Sorge nach Japan. In einer Stichprobenumfrage gaben knapp zwanzig Prozent der befragten Elektronikhersteller an, bereits Lieferprobleme zu haben. 50 Prozent der Hersteller und Händler erwarteten Einschränkungen in den kommenden Wochen oder Monaten, wie der Branchenverband Bitkom mitteilte.

BDI-Präsident Hans-Peter Keitel befürchtet eine ähnliche Entwicklung für die gesamte deutsche Industrie: "Wir gehen davon aus, dass es in der Tat zu Störungen kommen wird", sagte er auf der Hannover Messe. Die Lage in Japan hat laut dem IT-Branchenverband Bitkom auch Folgen für die Preise: Rund 20 Prozent der befragten Unternehmen aus der Hightech-Branche haben schon erhöhte Preise beobachtet, bei Endprodukten wie auch einzelnen Bauteilen. 50 Prozent erwarten, dass sie erhöhte Preise in den kommenden Wochen und Monaten noch zu spüren bekommen werden.

Sorge gilt der Energieversorgung

Gabelstapler transportiert drei Kisten (Foto: DW-TV)
Auch in einem Gabelstapler können Teile aus Japan steckenBild: DW-TV

Michael Hauger von der Kion Group, dem weltweit zweitgrößten Hersteller von Gabelstaplern, ist von den Lieferengpässen aus Japan nur wenig betroffen. Am Montag nach dem Erdbeben hat ihm sein japanischer Lieferant von Verbrennungsmotoren per E-Mail mitgeteilt, dass die Lieferkette auch weiterhin steht, so Hauger gegenüber DW-WORLD.DE. Bis jetzt hat er Wort gehalten - und selbst wenn es doch zu Schwierigkeiten kommen sollte: 95 Prozent seiner Verbrennungsmotoren bezieht Kion nicht aus Japan.

Trotzdem blickt Hauger mit Sorge auf das Land: Noch immer sei die Energieversorgung der japanischen Firmen nicht gesichert und niemand wisse, wie sich die Atomkatastrophe letztlich auswirke. "Die Sicherheitszone um Tschernobyl hat einen Radius von 260 Kilometer", beginnt Hauger sein Gedankenspiel. Noch betrage das evakuierte Gebiet um Fukushima herum 20 Kilometer. Was aber wenn es die Ausmaße von Tschernobyl erreicht? "Dann", sagt Hauger, "wären Sie schon in Tokyo."

Würde Japans Hauptstadt durch die Strahlen belastet, wären die Folgen "fatal", glaubt Manfred Hoffmann, Direktor der Deutschen Industrie- und Handeslkammer (DIHK) in Japan. Für die deutsche Wirtschaft, für die Wirtschaft weltweit - in erster Linie aber für die betroffenen Menschen in Japan.

Autor: Jutta Wasserrab
Redaktion: Henrik Böhme