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Rolle rückwärts

Martin Fritz12. April 2014

Ungeachtet des Atomunfalls von Fukushima hält Japans Regierung an der Nuklearenergie fest. Auch eine schnelle Energiewende wird es nicht geben, obwohl womöglich nur ein Drittel der Reaktoren zurück ans Netz geht.

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Atomkraftwerk in der Präfektur Fukui (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die rechtskonservative Regierung in Japan zieht andere Schlussfolgerungen aus dem massiven Atomunfall von Fukushima als Deutschland. Der neue Energieplan, den das Kabinett von Premierminister Shinzo Abe am Freitag (11.04.2014) beschloss, bezeichnet die Atomkraft als "wichtige Stromquelle" für die Grundversorgung. Damit wurde der Beschluss der liberalen Vorgängerregierung von Yoshihiko Noda, bis 2040 aus der Atomenergie auszusteigen, rückgängig gemacht. "Der neue Energieplan dient dazu, eine realistische und ausbalancierte Energiestruktur zu ermöglichen", betonte Industrieminister Toshimitsu Motegi in Tokio.

Als Voraussetzung müssen die japanischen Atomkraftwerke jedoch erheblich verschärfte Sicherheitsauflagen erfüllen. Jenen Reaktoren, die von der reformierten Atomaufsichtsbehörde als sicher eingestuft werden, will die Regierung den Weiterbetrieb erlauben. Die ersten beiden Reaktoren könnten diese Freigabe schon vor dem Sommer erhalten. Umfragen zufolge ist die Mehrheit der Bevölkerung zwar gegen die Weiternutzung der Anlagen. Doch bei allen Wahlen seit Fukushima hat sich diese Haltung nicht auf die Ergebnisse ausgewirkt. Mit ihrem Energieplan erfüllt die Regierung aber einen Wunsch der Wirtschaft, die die Atomenergie als zuverlässige Stromquelle behalten will.

Neue Atommeiler möglich

Der neue Energieplan erlaubt auch die Konstruktion neuer Reaktoren. Die Regierung werde die notwendige Menge an Atomstrom festsetzen, heißt es in dem Papier. Aber Analysten bezweifeln, ob sich der Bau neuer Anlagen durchsetzen lässt. Wegen der ablehnenden Haltung der Bevölkerung müssten sie wohl an denselben Stellen entstehen, wo bereits Kraftwerke in Betrieb sind. Da der Strommarkt bis zum Ende des Jahrzehnts liberalisiert wird, rechnet sich der Bau neuer Meiler womöglich ohnehin nicht. Auch die Zukunft der abgeschalteten Meiler sieht eher düster aus.

Menschen mit Schutzanzügen in der evakuierten Zone von Fukushima (Foto: epa)
Größter Atomunfall in diesem Jahrtausend: die Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011Bild: picture-alliance/dpa

Seit dem vergangenen Sommer haben acht Stromversorger erst für siebzehn ihrer 48 Reaktoren einen Neustart bei der Atomaufsicht beantragt. Weitere vierzehn Atommeiler sind politisch heftig umstritten. So wird der Atomkomplex Fukushima 2 von Betreiber Tepco mit vier Reaktoren von der traumatisierten Bevölkerung kategorisch abgelehnt. Der Atomkomplex Hamaoka mit drei Reaktoren steht in einer dicht besiedelten Erdbebenzone. Die siebzehn übrigen Meiler werden vermutlich nie wieder in Betrieb gehen, weil sich die teuren sicherheitstechnischen Nachrüstungen vor allem wegen ihres Alters nicht mehr rechnen.

Keine prozentuale Festlegung

Wegen dieser unsicheren Aussichten verzichtet die Regierung im Energieplan auf eine prozentuale Vorgabe für die verschiedenen Stromquellen. Das will man in zwei bis drei Jahren nachholen. Analysten bezweifeln, dass Atomstrom bis dahin mehr als 10 Prozent des Verbrauchs ausmachen wird. Von einer "wichtigen" Stromquelle könne daher keine Rede sein. Daher wird Japan weiterhin vermehrt teure fossile Brennstoffe importieren müssen, die auf einen Anteil von etwa 80 Prozent kommen dürften. Dennoch hält die Regierung in ihrem Energieplan an der Wiederaufbereitung von Plutonium und Uran als Brennstoff fest. Der experimentelle Schnelle Brüter in Monju wird zwar aufgegeben, doch man will die Anlage als Forschungsreaktor zur Reduzierung von nuklearen Abfällen weiterentwickeln.

Premierminister Abe im japanischen Parlament (Foto: Reuters)
Forciert die Rückkehr zur Atomkraft: der japanische Premierminister Shinzo AbeBild: Reuters

Die Wiederaufbereitungsanlage in Rokkasho soll nach vielen Verzögerungen ihren Betrieb im Herbst aufnehmen. Sie war ursprünglich das Herzstück eines geschlossenen Kreislaufs für Plutonium und Uran, um Japan bis zum Jahr 2100 in der Stromversorgung autark zu machen. Ohne Schnelle Brüter ergibt die Wiederaufbereitung der Brennstäbe jedoch keinen Sinn. "Diese Politik ist gar nicht vernünftig, da es nach der Wiederaufarbeitung nicht weitergeht", kritisierte Taro Kono, Sprecher einer Gruppe von Atomkraft-Gegnern innerhalb der regierenden Liberaldemokratischen Partei. Auch Nachbarländer wie China dürften bald die Frage aufwerfen, wozu Japan das Plutonium eigentlich produziert.

Wenig Ehrgeiz bei erneuerbaren Energien

Bei den erneuerbaren Energien zeigt Regierungschef Abe wenig Ehrgeiz. Hinter den Kulissen stritten sich seine Liberaldemokraten und ihr Koalitionspartner, die buddhistische Neue Komeito, längere Zeit über eine prozentuale Vorgabe für Strom aus "grünen" Quellen. Die Neue Komeito hatte im Wahlkampf einen Stromanteil aus erneuerbaren Quellen bis 2030 von über 30 Prozent ohne und 35 Prozent mit Wasserkraft versprochen.

Auffangbehälter für radioaktives Wasser in Fukushima (Foto: Reuters)
Mehr als 300 Tonnen radioaktives Wasser versickerten täglich in FukushimaBild: Reuters

Nun heißt es im Energieplan lediglich, der Anteil von "grünem" Strom soll über früher bekanntgegebene Ziele hinausgehen. Im letzten Plan war dies ein Anteil von 20 Prozent bis 2030. Das würde auf eine bescheidene Verdoppelung binnen anderthalb Jahrzehnten hinauslaufen: Derzeit stammen 1,6 Prozent des Stroms aus Wind, Sonne, Erdwärme und Biomasse und 8,4 Prozent aus Wasserkraft. Die niedrigen Zahlen belegen jedoch auch, dass eine schnelle Energiewende nach deutschem Vorbild in Japan kaum möglich wäre.