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Japans Reformpläne des "dritten Weges"

7. Juli 2010

Der japanische Premierminister Naoto Kan will sein Land aus der Wirtschaftskrise holen. Er hat einen sogenannten "dritten Weg" vorgeschlagen: Wirtschaft ankurbeln und Sozialstaat ausbauen lautet die Kernidee.

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Naoto Kan will Japan auf einem "dritten Weg" aus der Krise führenBild: AP
Wirtschaftskrise in Japan
Die Bauprojekte sind in den vergangenen Jahren krisenbedingt zurückgegangenBild: AP

Er ist gerade erst ein paar Wochen im Amt, und schon muss sich der japanische Premierminister Naoto Kan am kommenden Sonntag (11.07.2010) zur Wahl stellen: Die Stimmberechtigten in Japan sind aufgerufen, die künftige Zusammensetzung des Oberhauses zu bestimmen. Der Urnengang ist die erste wichtige Wahl in Japan seit dem erdrutschartigen Sieg der DPJ, der japanischen Demokratischen Partei im August vergangenen Jahres. Im japanischen Unterhaus verfügt die DPJ bereits jetzt über eine solide Mehrheit. Ein Sieg im Oberhaus würde sie mit der Macht zu tiefgreifenden Reformen ausstatten. Die sind vor allem in der Wirtschaft nötig.

Liberalismus plus Sozialdemokratie

Im Wahlprogramm der DPJ wird eine Parlamentsreform angekündigt, eine Politik von unten und der sogenannte "dritte Weg", von dem Premierminister Naoto Kan bereits mehrfach gesprochen hat. Als "erster Weg" gelten die staatlichen Investitionsprogramme der 60er und 70er Jahre. Als "zweiter" die Politik der Deregulierung und neoliberaler Reformen unter Premierminister Junichiro Koizumi. Der "dritte Weg" soll nun die Ideen von Liberalismus mit jenen der Sozialdemokratie verbinden: die Wirtschaft in Gang bringen und den Wohlfahrtsstaat stärken.

Die Rechnung, die Kans Wirtschaftsexperten in Tokio angestellt haben, sieht in etwa so aus: Mit staatlichen Mitteln sollen in den kommenden Jahren neue Arbeitsplätze entstehen, die Rede ist von einigen Millionen. Diese Belebung am Arbeitsmarkt stärkt das Vertrauen in die Wirtschaft. Die Menschen konsumieren wieder mehr, und diese Binnennachfrage kurbelt die Wirtschaft an. Deswegen steigen die Steuereinnahmen und spülen Geld in den öffentlichen Haushalt. Der Staat kann in die soziale Absicherung investieren, in Gesundheitsvorsorge oder Sozialversicherungen.

Wie soll das finanziert werden?

Altenheim in Japan
Nur eine von vielen Herausforderungen: die Überalterung der Gesellschaft.Bild: picture-alliance/ dpa

Es sind kühne Thesen, doch Naoto Kan muss wagemutige Ideen bringen, denn die japanische Wirtschaft stagniert seit zwei Jahrzehnten. Das Land ächzt unter einer gigantischen Schuldenlast von fast 200 Prozent des staatlichen Bruttoinlandsproduktes – der höchsten Verschuldung sämtlicher Industrieländer. Die japanische Bevölkerung wird immer älter. Die sozialen Unterschiede werden auch in Japan immer größer. Und bereits heute sprechen viele davon, dass die ländlichen Regionen im Vergleich zu den Ballungsräumen Tokio und Osaka sträflich vernachlässigt werden.

Anhebung der Mehrwertsteuer?

Wie die ersten Schneisen für diesen "dritten Weg" geschlagen werden sollen, darüber war in Tokio bislang jedoch noch nichts Genaues zu hören. Allerdings hat Kan bereits laut über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nachgedacht. Mit derzeit fünf Prozent ist sie nicht übermäßig hoch. Von einer Anhebung wären jedoch vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen betroffen, denn sie brauchen den Großteil des ihnen zur Verfügung stehenden Geldes, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Hinzu kommt: die Erhöhung der Mehrwertsteuer reicht nicht aus, um die Schulden abzubauen.

Autorin: Silke Ballweg

Redaktion: Esther Broders