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Politik

Japans Regierung unter Druck

Martin Fritz
13. März 2018

Neue Enthüllungen in einem Fall von möglicher Vetternwirtschaft bringen den bislang unangefochtenen Premierminister Shinzo Abe und seine Regierung ins Wanken. Martin Fritz aus Tokio.

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Japan Premierminister Abe, Finanzminister Aso
Premier Abe und Finanzminister AsoBild: picture-alliance/Maxppp

Vor einem Jahr hatte der Verkauf eines Grundstücks zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis an den ultranationalistischen Bildungsverein Moritomo Gakuen die Regierung von Shinzo Abe das erste Mal erschüttert. Damals sackte die Popularität des Premierministers auf den tiefsten Stand seiner inzwischen mehr als fünfjährigen Regierungszeit. Doch aufgrund der nordkoreanischen Raketenkrise verschwanden die Vorwürfe im Sommer des Vorjahres wieder aus den Schlagzeilen.

Nun ist der Skandal mit voller Wucht auf die Titelseiten der Tageszeitungen zurückgekehrt. Das Finanzministerium gab am Montag offiziell zu, dass 14 Dokumente zu dem Grundstücksverkauf nachträglich geändert worden seien. Dabei seien die Namen von Abe, seiner Ehefrau Akie Abe und Finanzminister Taro Aso entfernt worden. Der Bildungsverein wollte auf dem Grundstück seine erste Grundschule bauen, Frau Abe sollte ihre Ehrendirektorin werden.

Japan Shinzo Abe mit Frau Akie vor USA Besuch
(Archiv) Shinzo Abe und seine Frau Akie Bild: AFP/Getty Images

Öffentliche Entschuldigung

Der 63-jährige Regierungschef bat die Wähler am Montag vor den Fernsehkameras um Verzeihung und räumte ein, die Enthüllungen "könnten das Vertrauen in die Regierung als Ganzes erschüttern". Zugleich übertrug Abe die Aufgabe, der Sache auf den Grund zu gehen, an seinen Finanzminister. Damit wischte Abe die Forderung der Opposition nach einem Rücktritt von Aso vom Tisch.

Der 77-jährige Taro Aso, selbst ein früherer Premierminister, machte Ministerialbeamte für die Manipulationen der Papiere verantwortlich. Der Leiter der nationalen Steuerbehörde, Nobuhisa Sagawa, der damals die zuständige Abteilung leitete, übernahm bereits am Freitag die Verantwortung für den Skandal und räumte seinen Posten. Ein Mitarbeiter der Behörde in Osaka, die das Geschäft mit der Immobilie abwickelte, erhängte sich.

Kein Beweis für Vetternwirtschaft

Premierminister Abe hatte nach den ersten Vorwürfen einer Vetternwirtschaft vor einem Jahr versprochen, er werde sein Amt aufgeben und sich aus dem Parlament zurückziehen, falls sich seine Verwicklung in das Grundstücksgeschäft belegen lasse. Im Nachhinein sieht es nun so aus, als ob danach die Dokumente geändert wurden. Finanzminister Aso bestritt dagegen jeden Zusammenhang zwischen der Aussage von Abe und dem Vorgehen der Beamten.

Der eigentliche Verdacht, dass Abe sich für den Verkauf der Immobilie zu einem Preis deutlich unter Wert an einen politisch gleichgesinnten Bekannten seiner Frau eingesetzt habe, bleibt jedoch weiter unbewiesen. Der damalige Vereinsleiter von Moritomo Gakuen gehört - wie viele Mitglieder der Abe-Regierung - der rechtsgerichteten kultischen Vereinigung Nippon Kaigi (Japankonferenz) an, die sich das alte kaiserliche Japan zurückwünscht. In dem Kindergarten des Bildungsvereins wird ein kaiserliches Edikt von 1890 unterrichtet. Darin forderte der Kaiser seine Untertanen dazu auf, sich wenn nötig für das Vaterland zu opfern.

Japan Finanzminister Taro Aso
Finanzminister Taro AsoBild: Getty Images/AFP/Kazuhiro Nogi

Kritik aus den eigenen Reihen

Das plötzliche Aufflammen des fast vergessenen Skandals wird in Japan als Indiz verstanden, dass sich der politische Wind gegen Premier Abe gedreht hat. Die Manipulationen der Papiere wurden zuerst von der Zeitung Asahi Shimbun veröffentlicht, die in den Abe-Jahren unter massiven Druck der Konservativen geraten war. Trotzdem setzten ihre Reporter die Recherchen fort. Der Meinungswandel zeigt sich auch darin, dass Aso aus den eigenen Reihen kritisiert wird.

Die Öffentlichkeit müsse die Wahrheit erfahren, forderte der Vize-Generalsekretär der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP), Shinjiro Koizumi. Abes langjähriger LDP-Rivale Shigeru Ishiba bezweifelte, dass gewöhnliche Beamte die Papiere ohne Anweisung geändert hätten. Diese Aussagen deuten auf einen wachsenden Unmut in der LDP mit Abe, der die Partei schon einmal von 2006 bis 2007 führte und jetzt seit September 2012 LDP-Chef ist. 

Reformpolitik in Gefahr

Analysten warnten davor, dass die Turbulenzen die Umsetzung von geplanten Wirtschaftsreformen verzögern könnten. Außerdem verliere die Regierung in Zeiten von Strafzöllen und der Nordkoreakrise ihre Handlungsfähigkeit. Ein Rücktritt des politischen Schwergewichts Aso hätte nach Ansicht des deutschen Politologen Sebastian Maslow von der Universität Kobe erhebliche Auswirkungen. "Damit würde eine zentrale Stütze der Abe-Regierung einbrechen", meinte Maslow.

Japan LDP-Programmchef Fumio Kishida in Tokio
Abes innerparteilicher Gegner: Außenminister Fumio KishidaBild: Reuters/Kim Kyung-Hoon

Der Ökonom Takuji Okubo von Japan Macro Advisors hält die Wiederwahl von Abe als Vorsitzender der LDP im September für gefährdet. Bislang hatte es nach einer glatten Bestätigung als Parteichef ausgesehen. Nun dürften seine innerparteilichen Gegner Morgenluft wittern. Als Folge des Skandals reiche seine Autorität womöglich nur noch für die Rolle des Königsmachers, meinte Okubo. Davon könnten der ehemalige Außenminister Fumio Kishida oder Innenministerin Seiko Noda profitieren.