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Japans Wirtschaft unter Schock

16. März 2011

Beben an der Börse, stillstehende Fließbänder in den Fabriken: die apokalyptischen Katastrophen in Japan haben die Wirtschaft des Landes lahm gelegt.

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Symbolbild Börsencrash in Japan (Grafik: DW)
Bild: DW

An der japanischen Börse herrschte zeitweise Endzeitstimmung. Am Montag rauschte der Nikkei-Index mit über sechs Prozent Minus in den Keller. Am Dienstag sackte der Leitindex um weitere zehn Prozent ab und löste ein Beben an den weltweiten Finanzmärkten aus.

Ein Fotograf macht Foto von der Kurstafel an der Tokioter Börse (Foto: AP)
Über zehn Prozent brach der Nikkei-Index am Dienstag einBild: AP

Inzwischen hat sich die Börse in Tokio etwas von den Verlusten erholt, doch die Aussichten für die japanische Wirtschaft trüben sich weiter ein. Die vom Erdbeben und Tsunami betroffenen Präfekturen machen zwar nur 15 Prozent der Wirtschaftsleistung Japans aus, doch die zerstörte Infrastruktur trifft das gesamte wirtschaftliche Leben. Mindestens sechs Häfen sind so schwer beschädigt worden, dass eine Wiederinbetriebnahme erst in Monaten, gar Jahren möglich ist.

Hauptproblem Energieversorgung

Explosion im AKW Fukushima (Foto: AP)
Explosionen in AKWs haben zum Engpass bei der Stromversorgung geführtBild: AP

Doch wären die Japaner glücklich, wenn sie nur damit zu kämpfen hätten. Das größte Risiko sieht Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft "in der Abhängigkeit von der Kernenergie und den Effekten der Abschaltung der Kernkraftwerke beziehungsweise Unterbrechung der Energieversorgung".

Die Stromunterbrechung hat viele Konzerne bereits in die Knie gezwungen. Toyota, Honda, Nissan, aber auch Elektronikunternehmen wie Sony, Panasonic und Canon haben ihre Produktion stillgelegt oder heruntergefahren. Besonders hart trifft es die Autoindustrie. Die Schäden an den Fabriken, die stillstehenden Fließbänder und die erwartete Flaute auf dem Binnenmarkt könnten Japans Autobauer um Jahre zurückwerfen, fürchten Experten.

Schuldenberg wächst

Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank (Foto: Deka Bank)
Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka BankBild: Deka Bank

Auf umgerechnet bis zu 130 Milliarden Euro schätzt die Schweizer Bank Credit Suisse die Schäden der Katastrophen. Darin sind mögliche Schäden durch eine atomare Bedrohung nicht enthalten. Die japanische Notenbank hat drastische Notmaßnahmen angekündigt. Rund 200 Milliarden Euro an Hilfsgeldern will sie für den Wiederaufbau zur Verfügung stellen. In der Stimulierung der Konjunktur ist die drittgrößte Volkswirtschaft geübt, meint Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank: "Die Größenordnungen, in denen jetzt die Wiederaufbauleistungen fallen, sind für japanische Verhältnisse nicht außergewöhnlich." Er geht davon aus, dass die Japaner mit dieser Strategie aus der Vergangenheit weiter machen werden. "Aber es macht die prekäre Lage des Staatshaushalts im Blick auf die nächsten zehn bis 15 Jahre nicht leichter", sagt Kater weiter.

Fest steht, dass Japan das Konsolidierungsziel in diesem Jahr verfehlen wird. Das Haushaltsdefizit wird von 7,7 Prozent auf über zehn Prozent ansteigen. Zudem hat das Land die höchste Schuldenquote unter den Industrienationen. Die Gesamtverschuldung ist doppelt so hoch wie seine jährliche Wirtschaftsleistung. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat Ende Januar Japans Bonität abgewertet. Dass das Land trotz immenser Verschuldung dennoch die gute Note von AA- beibehalten kann, liegt daran, dass Japan zu 95 Prozent bei seinen eigenen Bürgern verschuldet ist.

Gläubiger sind die eigenen Bürger

Professor Rolf Langhammer, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (Foto: dpa)
Professor Rolf Langhammer, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in KielBild: picture-alliance/ dpa

Japan habe nicht das Problem, dass man in einer Währung verschuldet ist, in der man keine Erträge hat, sagt Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft: "Es ist nicht so wie bei der Asien-Krise 1997, als die Länder alle in Dollar verschuldet waren und ihre Erträge in heimischer Währung hatten. Dann ist natürlich die große Gefahr, dass die Erträge in einheimischer Währung überkompensiert werden durch die Schuldenverpflichtung, wenn die Währung abwertet."

Bei Japan ist das nicht der Fall - im Gegenteil, international ist Japan ein Gläubiger, hält eine der größten Devisenreserven auf der Welt. Grund ist der Handelsbilanzüberschuss, den Japan durch seine Exporte erwirtschaftet. Solange die Wirtschaft bei seinen Handelspartnern boomt und die Bürger ihre Staatsanleihen halten, solange kann der japanische Staat die Doppelrolle des Gläubigers nach außen und des Schuldners nach innen spielen. Bisher sind die Japaner besonnen geblieben. Doch das könnte sich ändern, wenn sich die radioaktive Wolke auf den Großraum Tokio zubewegt. 35 Millionen Menschen wären dann zu Hause zum Nichtstun verdammt. Dramatische Folgen hätte das für Japans Wirtschaft. Denn die Hauptstadt galt schon immer als Konjunkturlokomotive des Landes. Die Wirtschaftsleistung Tokios entspricht der von ganz Australien.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel