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"Putin will Truppen nicht abziehen"

Nina Werkhäuser8. Januar 2015

Kreditzusagen und moralische Unterstützung bekam der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk bei seinem Besuch in Berlin. Die Chancen auf einen baldigen Frieden in der Ostukraine hält er für gering.

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Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk vor einer ukrainischen Fahne (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Dolzhenko

Die meiste Zeit redet Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk (Artikelbild) vom Krieg. Vom Krieg mit Russland und den Problemen, die damit für sein Land, die Ukraine, verbunden sind. Er tut das bei seinem Auftritt in der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik" in flüssigem Englisch und in klaren, manchmal scharfen Sätzen. Dabei klingt er zuweilen desillusioniert und bitter. "Die gute Nachricht ist: wir haben das Jahr 2014 überlebt." Aber wie? Die Krim scheint auf absehbare Zeit verloren und das diplomatische Ringen um ein Ende der Kämpfe im Osten des Landes hat keine Lösung gebracht. Mehr als 4.700 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit dem Beginn des Konflikts ums Leben gekommen. Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin hat der als Hardliner geltende Jazenjuk vor allem eines übrig: Verachtung. Putin trage "eine Maske des Zynismus", halte sich nicht an Abmachungen und zeige kein Interesse daran, seine Truppen aus der Ostukraine abzuziehen.

"Nicht die Kirschen rauspicken"

Wenig überraschend wurde Jazenjuk daher in Berlin mit einer Frage konfrontiert, die sich bei seinem letzten Besuch im vergangenen Jahr noch nicht stellte: Könnte der Konflikt zu einem dauerhaften werden oder gar einfrieren? Nicht, wenn dem Minsker Friedensabkommen vom vergangenen September noch einmal Leben eingehaucht werde, sagte der 40-jährige Ministerpräsident. Das Abkommen sei derzeit die einzige verfügbare Verhandlungsgrundlage. "Aber", schränkte er ein, "es ist kein Menü, aus dem Russland sich die Kirschen rauspicken kann. Das Abkommen hat zwölf Punkte, die alle Konfliktparteien umsetzen müssen, auch Russland."

Das sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel genauso: Alle Punkte des Minsker Abkommens seien wichtig, sagte sie nach ihrem Gespräch mit Jazenjuk im Kanzleramt. Nur eine vollständige Umsetzung könne zu einer Aufhebung der Sanktionen gegen Russland führen. Insbesondere beim Thema Krim, die Russland im März 2014 völkerrechtswidrig annektiert hat, habe sie aber "im Moment wenig Hoffnung", erklärte Merkel. Sie trat damit Forderungen aus einigen EU-Ländern entgegen, die Sanktionen schrittweise zu lockern.

Der ukrainischer Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk (l.) mit Bundeskanzlerin Merkel im Kanzleramt (Foto: dpa)
Jazenjuk und Bundeskanzlerin MerkelBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Hoffnung auf erneute Verhandlungen?

Friedensfahrpläne, die nicht eingehalten worden seien, habe es schon oft gegeben, sagte die Bundeskanzlerin. "Das heißt, wir müssen jetzt Vertrauen aufbauen." Das soll ein Gipfeltreffen zwischen dem russischen und dem ukrainischen Präsidenten in der kasachischen Hauptstadt Astana leisten, das für den 15. Januar geplant ist. Im Moment finden Vorgespräche unter Beteiligung Deutschlands und Frankreichs statt. Erst danach werde sich zeigen, ob das Gipfeltreffen wirklich sinnvoll sei, sagte Merkel. Für Jazenjuk ist die zentrale Bedingung für weitere Verhandlungen, dass Russland seine Truppen aus dem Osten der Ukraine zurückzieht. Dazu könne er aber keine Bereitschaft erkennen. Außerdem müsse Russland die gemeinsame Grenze für Nachschub an Waffen und Kämpfern schließen. "Die ukrainischen Behörden kontrollieren die Grenze nicht", sagte Jazenjuk. Er hat wiederholt gefordert, einen Grenzzaun zwischen Russland und der Ukraine zu errichten.

Ein bei den Kämpfen zerstörtes Haus in Donezk im Osten der Ukraine (Foto: Reuters)
Ein bei Kämpfen zerstörtes Haus in Donezk im Osten der UkraineBild: REUTERS/I. Tkachenko

Witschaftlich schwer angeschlagen

Für die ukrainische Regierung bedeutet die aktuelle Situation ein Kampf an zwei Fronten: An der militärischen im Osten und der innenpolitischen im restlichen Land. Beides hängt eng miteinander zusammen: "Der Krieg im Osten kostet uns fünf Millionen Euro täglich", rechnete Jazenjuk vor. Das Geld fehlt an anderer Stelle und soll durch Kredite internationaler Geldgeber und durch höhere Steuern und Abgaben eingetrieben werden, ausdrücklich auch für die schwerreichen Oligarchen. Die Bundesregierung sagte der Ukraine Kreditgarantien in Höhe von 500 Millionen Euro für den Wiederaufbau in der Ostukraine zu. Er wolle keine Geschenke, betonte Jazenjuk, sein Land werde jeden Euro zurückzahlen.

Die internationalen Geldgeber drängen auf Reformen in der Ukraine, die aber nur schleppend anlaufen und teils unpopulär sind so wie die Steuererhöhungen. "Ambitioniert und sehr entschlossen", nannte Merkel die Reformagenda. Angesichts des Wertverlusts der ukrainischen Währung, steigender Preise und der weiter grassierenden Korruption wächst allerdings auch die Unzufriedenheit im Land - zusammen mit dem Krieg im Osten eine gefährliche Gemengelage. Gefragt nach einem Ausweg sagte Jazenjuk: "Zusammenhalten und weiter Druck auf Russland machen" - und klang dabei nicht sehr optimistisch.