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Wachsende Kritik an Zuma

Ludger Schadomsky17. Dezember 2012

Südafrikas Regierungspartei ANC steht vor der Zerreißprobe. Trotzdem gilt die Wiederwahl von Staatspräsident Jacob Zuma zum Parteivorsitzenden als sicher. Korruption und Inkompetenz belasten indes die Wirtschaft.

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Jacob Zuma (STEPHANE DE SAKUTIN/AFP/GettyImages)
Bild: AFP/Getty Images

"Wir rufen Euch Ahnen an, bei ihm zu sein, ihn zu führen gegen diejenigen, die sich gegen ihn verschwören". Auch im modernen Südafrika werden die Ahnen bemüht, wenn es wirklich wichtig wird. Und so opferte die Familie von Südafrikas Staatschef Jacob Zuma Ende November zwölf Kühe, um dessen Wiederwahl bei dem am Sonntag (16.12.2012) beginnenden Parteitag des ANC (African National Congress) zu sichern. Zuma selbst demonstrierte in Leopardenfell und mit Schwert Führungsstärke für die Fotografen. Mögen die Ahnen dem Amtsinhaber gewogen sein - seine eigene Partei und Südafrikas Wahlvolk jedenfalls verweigern dem Zulu Zuma zunehmend die Gefolgschaft.

Jacob Zuma präsentiert sich im Leopardenfell (STRINGER/AFP/Getty Images)
Die Insignien der Macht: Jacob Zuma im LeopardenfellBild: AFP/Getty Images

Unter dem Kampagnenkürzel "ABZ" ("Anything but Zuma" - "Alles besser als Zuma") haben sich die innerparteilichen Putschisten zu einem formidablen Bündnis zusammengeschlossen. Nicht nur ANC-Schwergewichte wie Tokyo Sexwale, auch einfache Parteigänger fordern eine Ablösung Zumas als Parteichef.

Sogar das moralische Über-Ich Südafrikas, der Nobelpreisträger und ehemalige Erzbischof Desmond Tutu, "betet" laut eigener Aussage für den Fall des ANC und den der Regierung. Sie alle werfen dem Präsidenten vor, die drängenden Probleme im Land nicht entschieden genug anzupacken: eine schwächelnde und durch die Streiks der letzten Monate zusätzlich belastete Wirtschaft, die epidemische Arbeitslosigkeit und Korruption.

Erzbischof Desmond Tutu (Foto: Horst Galuschka +++(c) dpa - Report)
Beten für den Wechsel: Desmond TutuBild: picture-alliance/dpa

Eliten bereichern sich

Die Frauenrechtlerin Rhoda Kadalie war Anti-Apartheid-Aktivistin der ersten Stunde und ist heute Südafrikas scharfzüngigste Kolumnistin. Längst hat sie ihr ANC-Parteibuch aus Protest zurückgegeben. Während des Parteitags ist sie gar nicht im Land, sondern auf einer USA-Reise, um dem "Elend nicht beiwohnen zu müssen", wie sie sagt. "Die Regierenden halten das Land in Geiselhaft, während sie miteinander ihr Katz- und Maus-Spiel treiben. Denen geht es nur um den Zugriff auf Ressourcen, nicht um Regierungsführung", so Kadalie. Das Regierungsprogramm Black Economic Empowerment (BEE), also die gezielte Förderung Schwarzer nach dem Ende der Apartheid, sei für sie nur noch Black Economic Enrichment nach dem Motto: "Wie fülle ich mir am schnellsten die Taschen."

Während der ANC seit Monaten auschließlich mit hausgemachten Querelen beschäftigt ist, verliert das Land international weiter an Wettbewerbsfähigkeit. Aufgrund der politischen Ungewissheit hätten zwei Rating-Agenturen Südafrikas Kreditwürdigkeit herabgesetzt, warnt Analyst Gareth Newham vom Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria. Das Staatsdefizit sei in die Höhe geschossen, und der Bergbausektor habe weit weniger ausländische Direktinvestitionen angezogen als vorausgesagt. "Das kommt daher, dass der Fokus der Regierung, also von Präsident Zuma und seinen Ministern, auf internen Machtkämpfen sowie dem Machterhalt um der eigenen Privatinteressen willen liegt. Und eben nicht auf politischer Führung zur Lösung der Probleme des Landes", so Newham.

Investoren verlieren Vertrauen

Julius Malema (Foto: SOUTH AFRICA - Tags: POLITICS)
Scharfmacher Julius MalemaBild: Reuters

Dass der inzwischen gefeuerte Präsident des ANC-Jugendverbandes, Julius Malema, den Parteivorsitzenden und Staatspräsidenten Zuma öffentlich einen Analphabeten nennt und "Phansi Zuma, phansi" ("Nieder mit Zuma") skandiert, ist schlimm genug. Schwerer wiegt noch, dass den Regierenden zu den wirklich drängenden Problemen des Landes nichts einfällt - etwa bei der Landverteilung, der Rohstoff-Politik, dem Aufbau einer wettbewerbsfähigen Industrie, beim Produktivitätszuwachs oder zu Ausbildungsstandards. Derweil klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander: Zwei Drittel von Südafrikas 50 Millionen Einwohnern muss heute mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen.

Andreas Wenzel ist Generalsekretär der "Südliches Afrika-Initiative der deutschen Wirtschaft" (SAFRI) und damit so etwas wie Südafrikas oberster Lobbyist in Deutschland. Er fordert endlich Politik statt Parolen: "Wir brauchen Klarheit darüber, welchen Kurs Südafrika in der Wirtschaftspolitik einschlägt." Auch benötige man deutliche Worte zum Thema Verstaatlichung, etwa von Minen. Es müsse eine Gewähr dafür geben, "dass diese Diskussionen nicht in eine konkrete Regierungspolitik münden".

Wenzel weiß zwar um den Druck, den Gewerkschaften gemeinsam mit den Kommunisten als traditionellem Partner des ANC, sowie der mächtige ANC-Jugendverband aufbauten. Aber: "Es ist jetzt ganz wichtig für den Investitionsstandort und Wirtschaftpartner Südafrika, dass der ANC international klare Signale sendet. Denn natürlich steht Südafrika auch im Wettbewerb mit den lateinamerikanischen und asiatischen Märkten." Wie viele Beobachter wünscht sich der deutsche Lobbyist eine stärkere Rolle des bekannten Geschäftsmannes und ANC-Vorstandsmitglieds Cyril Ramaphosa, der Zuma als eine Art Premierminister sekundieren könnte.

Altes Spiel: Jäger und Gejagte

"Der ANC leidet unter Cliquenwirtschaft, Zerrissenheit und internen Flügelkämpfen, Bestechlichkeit und Korruption, übler Nachrede und dem massenhaften Kauf von Wählerstimmen." So ein vernichtendes Urteil über die ehemalige Befreiungsorganisation, die mit dem Parteislogan "Ein besseres Leben für alle" wirbt, kommt für gewöhnlich aus dem Mund von Oppositionsführerin Helen Zille. Unlängst war es aber Jacob Zuma selbst, der seiner Partei die Leviten las. Späte Einsicht oder Wahlkampftaktik?

Cyril Ramaphosa vom ANC (Photo credit should read MOELETSI MABE/AFP/Getty Images)
Hoffnungsträger? ANC-Vorstandsmitglied Cyril RamaphosaBild: Moeletsi Mabe/AFP/Getty Images

Die Opferzeremonie in Zumas Heimatdorf Nkandla war Augenzeugen zufolge eine harmonische Veranstaltung mit Grillfleisch und traditionellem Hirsebier. Der ANC-Kongress in Mangaung, wie die Stadt Bloemfontein in der Sotho-Sprache heißt, wird für den amtierenden Präsidenten eine ungleich schwierigere Aufgabe - und das, obwohl seine Nominierung nach übereinstimmender Meinung von Beobachtern als so gut wie sicher gilt. "Jacob Zuma wird aus der ANC-Konferenz wohl als Sieger hervorgehen", glaubt Gareth Newham vom ISS. Allerdings werde er es "mit einer sehr zerstrittenen Partei zu tun haben; mit Parteimitgliedern, die ihm nicht über den Weg trauen und die ihn nicht als Vorsitzenden wollen". Viele der Delegierten sähen ihren Parteivorsitzenden gar als "große Gefahr für das Überleben des ANC nach 2014", so der Analyst.

Und das ehemalige ANC-Mitglied Rhoda Kadalie fügt hinzu, der ANC sei "einfach nicht in der Lage, das Land auf dem Kurs zu halten, auf den Nelson Mandela es damals gesetzt hat. Und ob nun Vizepräsident Kgalema Montlante oder Zuma gewählt werden - für mich ist keiner der beiden genug."

Der Tagungsort Mangaung bedeutet in der Sotho-Sprache "Platz der Geparden". Beobachter erwarten, dass das beliebte ANC-Spiel "Jäger und Gejagte" dort in eine neue Runde geht.