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Interview mit dem Dalai Lama

Das Interview führte Hans Jürgen Mayer24. Juli 2007

Bis zum 27. Juli hält der Dalai Lama in Hamburg Vorträge über den Buddhismus. Doch das religiöse Oberhaupt der Tibeter nutzt dabei auch die Gelegenheit, auf die Unterdrückung seiner Heimat durch China hinzuweisen.

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Der Dalai Lama (AP Photo/Fabian Bimmer)
"Ich möchte meine Heimat wiedersehen" - der Dalai LamaBild: AP

DW-WORLD.DE: Eure Heiligkeit, wie ist die Menschenrechtslage in Tibet?

DALAI LAMA: Die Lage ist immer noch sehr ernst. Vor kurzem traf ich einen Tibeter, der acht Jahre in einem chinesischen Gefängnis saß. Sein einziges Verbrechen war, dass er gegenüber anderen, in einem Dorf nahe Lhasa, seine eigenen Gefühle äußerte.

Hat Sie die harsche chinesische Reaktion überrascht, nachdem Sie sich beim Empfang im Hamburger Rathaus über die Probleme Tibets geäußert haben?

Überhaupt nicht. Selbst wenn ich schweige, verdammen mich die Chinesen ständig. Das machen sie einfach die ganze Zeit.

Wie beurteilen Sie die Haltung der deutschen Bundesregierung gegenüber Tibet? Bundeskanzlerin Angel Merkel reagiert sehr deutlich auf Menschenrechtsverletzungen. Glauben Sie, dass Deutschland sich ausreichend für Tibet einsetzt?

Die Bundesregierung verhält sich wie andere Regierungen auch - grundsätzlich hat sie Sympathien für uns und äußert ihre Sorge. Die Frage ist, ob das ausreicht? Wenn Sorge über die Lage Tibets geäußert wird, dann schätzen wir das. Es ist notwendig und hilfreich.

Was sind Ihre Ziele, wenn Sie andere Länder bereisen?

Mein Hauptziel und Motiv dieser Reisen ist nicht die Tibet-Frage, sondern die Förderung der menschlichen Werte. Damit die Menschen und ihre Familien und die Gemeinschaft, in der sie leben, glücklicher werden. Ich möchte, dass die Menschheit insgesamt glücklicher wird. Ich sehe das als meinen Beitrag. Jeder Mensch hat meiner Meinung nach eine Verantwortung für eine bessere Welt. Das ist meine Überzeugung und darum versuche ich, das zu fördern.

Ich möchte auch einen Beitrag zur religiösen Harmonie leisten. Wenn ich in Indien lehre, kommen auch immer mehr Chinesen. Manchmal versucht die chinesische Regierung sie daran zu hindern, nichtsdestotrotz - ein paar Chinesen kommen immer. Viele dieser Chinesen haben mir gesagt, dass ihnen - nachdem sie das reale Leben der tibetischen Gemeinschaft mit eigenen Augen gesehen haben - die enorme Diskrepanz zu dem aufgefallen wäre, was sie in China über Tibet gehört hätten. Letzendlich bewirkt das etwas Positives.

Eure Heiligkeit, Sie haben angedeutet, dass Sie unter bestimmten Bedingungen der letzte Dalai Lama sein könnten. Unter welchen Umständen könnte dies eintreten?

Schon 1969 habe ich erklärt, dass das tibetische Volk darüber entscheidet, ob die Institution des Dalai Lama weiter bestehen soll. Wenn eine Mehrheit der Tibeter beschließen sollte, dass diese alte Institution des Dalai Lama keine wirkliche Bedeutung mehr habe für die tibetische Nation, dann wird sie zu existieren aufhören. Sollte ich bald sterben, dann ist ziemlich sicher, dass die meisten Tibeter diese Institution beibehalten wollen. Sollte ich aber weitere 20-30 Jahre leben, könnte es anders sein. Das ist in Ordnung. Das wäre ein Ende mit Würde.

Haben Sie die Hoffnung, Tibet noch einmal wieder zu sehen?

Oh, ja. Jeder Tibeter empfindet Heimweh und möchte seine Heimat wiedersehen. Ich auch. Gleichzeitig bin ich aber ein buddhistischer Mönch, darum ist der eigene Geburtsort für mich persönlich nicht so wichtig. Es gibt ein tibetisches Sprichwort: "Dort wo es einem gut geht, da ist die Heimat. Und die, die einem etwas Gutes antun, die sind dann die Eltern“. Ich genieße die sehr positive Atmosphäre hier in Hamburg. In den letzten neun Tage hat es sich wirklich wie mein Zuhause angefühlt. Viele Menschen, auch die Journalisten, haben gestrahlt - wie Freunde.

Der 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatso, wurde am 6. Juli 1935 geboren. Mit zwei Jahren erkannten Mönche ihn als die Inkarnation des Gottkönigs. Der Dalai Lama ist das geistliche Oberhaupt der Tibeter.