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Jesuiten wollen Opfer entschädigen

16. September 2010

Der Jesuiten-Orden will Missbrauchsopfern eine Entschädigung in Höhe von 5000 Euro anbieten. Vertretern der Opfer-Organisation "Eckiger Tisch" ist das zu wenig. Sie fordern einen Betrag "im oberen fünfstelligen Bereich".

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Ein Priester hält einen Rosenkranz und eine bischöfliche Erklärung zu den Missbrauchsfällen durch Jesuiten-Pater in der Hand (Foto: dpa)
Jesuiten haben in katholischen Einrichtungen Kinder missbrauchtBild: picture-alliance/ dpa

Der Jesuitenorden will als erste Gemeinschaft der katholischen Kirche Opfern sexueller Übergriffe Entschädigungen anbieten, unabhängig von den deutschen Bischöfen. Der oberste Vertreter der Jesuiten in Deutschland, Provinzial Stefan Kiechle, sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Summe werde "im vierstelligen Bereich" liegen. Man diskutiere, pauschal und einmalig 5000 Euro anzubieten. Dies sei aber "noch nicht entschieden". Eine unabhängige Kommission soll klären, wer Anspruch auf das Geld hat. Es sollten dafür aber weder Spendenmittel verwendet, noch Gelder aus Projekten abgezogen werden.

Die Zahlungen seien mit der Gemeinschaft abgesprochen. Kiechle räumte ein, bei der Höhe der Entschädigungen könne es Enttäuschung geben. "Aber ich fürchte, das können wir nicht vermeiden." Der Orden dürfe auch nicht den Eindruck erwecken, Geld könne den Missbrauch ungeschehen machen. Das Geld sei ein Zeichen "unserer Ohnmacht angesichts des Leids". Um die Entschädigungen leisten zu können, seien die Jesuiten-Brüder zum Verzicht bereit. "Wir werden unseren Lebensstil einschränken müssen."

Konkretes Vorgehen noch nicht entschieden

Blick auf das von Jesuiten betriebene Canisius-Kolleg in Berlin (Foto: AP)
Ort sexuellen Missbrauchs: Das von Jesuiten betriebene Canisius-Kolleg in BerlinBild: AP

Das konkrete Vorgehen ist Kiechle zufolge noch nicht entschieden. Derzeit suche sein Orden ein gemeinsames Modell mit der gesamten katholischen Kirche in Deutschland.

Die Missbrauchsopfer bräuchten mehr als nur gute Worte und öffentliche Eingeständnisse, die den Betroffenen mit ihren Wunden die Hilfsbereitschaft der Kirche signalisierten. Das sei laut Kiechle "etwas zutiefst Christliches". Eigentlich sei dies Aufgabe der Täter. Da die meisten von ihnen aber verstorben, abgetaucht, uneinsichtig oder schwer krank seien, müsse das die "Täterinstitution" übernehmen. Daher solle die Kirche "eher symbolische Genugtuung" leisten.

Summe ist für Opfer-Vertreter nicht angemessen

Ein Erzbischof trägt in dieser Detailaufnahme sein Kreuz über dem Bischofsgewand (Foto: AP)
Die katholischen Bischöfe konnten sich bisher noch nicht auf einen Entschädigungs-Modus einigenBild: AP

Matthias Katsch, Sprecher der Opfer-Organisation "Eckiger Tisch", würdigte ebenfalls in der "Süddeutschen Zeitung", dass die Jesuiten zu einer Entschädigungszahlung bereit sind. Eine Summe von 5000 Euro sei aber "in keiner Weise angemessen".

Die Opfer-Initiative fordert vom Jesuitenorden eine Entschädigungszahlung an jedes Missbrauchsopfer "im oberen fünfstelligen Bereich". Geld könne ihre verlorene Zeit zwar nicht zurückbringen und nicht wieder heilmachen, was zerstört worden sei. Eine angemessene Zahlung könne aber Erleichterung verschaffen. Viele Opfer seien in ihrer psychischen Entwicklung massiv und dauerhaft geschädigt. Eine deutliche und für die Institutionen auch schmerzhafte Zahlung erkenne diese Leiden an.

Seit Jahresbeginn waren viele Fälle sexuellen Missbrauchs in kirchlichen und anderen Einrichtungen bekannt geworden – auch in einigen jesuitischen Einrichtungen. Die Bischofskonferenz der katholischen Kirche berät in der kommenden Woche in Fulda über Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen.

Die Bischöfe haben zwar erklärt, dass sie im Prinzip bereit seien, Opfer von sexuellen Übergriffen zu entschädigen. Wie das geschehen soll, darüber wird aber noch diskutiert. Der von der Bundesregierung eingesetzte Runde Tisch, der sich mit den Missbrauchsskandalen befasst, berät wieder am 30. September.

Autor: Marcus Bölz (kna, epd, dpa, afp)
Redaktion: Ursula Kissel