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Joachim Gauck: Bürger müssen mehr an Politikgestaltung mitwirken

4. Juni 2010

Joachim Gauck, Kandidat für die Wahl zum Bundespräsidenten, im Interview der Deutschen Welle

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Joachim Gauck am Freitag (4.6.2010) in der Bundespressekonferenz in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Frage: Herr Gauck, mit welcher Botschaft möchten Sie Bundespräsident werden?

Antwort: Erst einmal habe ich mich heute bedankt bei den Menschen, die gemeint haben, ich sei ein geeigneter Kandidat. Ich verstehe mich nicht so sehr als Kandidat eines Lagers, denn ich bin parteilos. Ich möchte mitwirken daran, dass sich mehr Bürger als bisher an der Politikgestaltung und an den politischen Debatten beteiligen. Dieses Auseinanderfallen der politischen Klasse und der Normalbevölkerung gefällt mir nicht und gefällt vielen Menschen nicht im Land. Wir müssen alle daran mitwirken, dass sich das ändert und dass wir die Bevölkerung und die ausübende Politik dichter beinander bekommen.

Frage: Welche Zeichen könnten Sie in diesen schwierigen Zeiten - weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise, Vertrauensschwund in die politische Klasse - setzen?

Antwort: Der Bundespräsident ist kein Ersatz-Finanzminister und auch kein Ersatz-Wirtschaftsminister. Jeder Bundespräsident wird sich hüten, dort allzusehr reinzureden. Es gibt manchmal Krisensituationen, in der der Bundespräsident zu sprechen hat, und ich werde - ähnlich wie ich es jetzt tue, wo ich als Bürger ohne Amt mich beteilige an den öffentlichen Debatten - immer davor warnen, zu sehr in Furcht zu verfallen. Das erscheint mir leicht die Gefahr. Gegenwärtig sind viele Bevölkerungen in Westeuropa der Ansicht, dass die Glücksversprechungen, mit denen sie aufgewachsen sind, sich ewig erweitern lassen, und ich glaube das nicht. Ich glaube, dass die Tatsache, dass es schwierige Phasen gibt, begriffen werden muss.

Es müssen Konsolidierungen erfolgen. Da wird es schwierige Lasten geben. Und dann muss in der Bevölkerung der Glaube wachsen, dass die Regierenden das nicht gegen die Bevölkerung tun. Da kann der Bundespräsident natürlich stärker mitwirken als andere, die Furcht zu bannen und den Menschen zu sagen, dass sie nicht Opfer ihrer eigenen Ängste werden, sondern dass sie eine Menge Möglichkeiten haben. Aber Angst macht kleine Augen und da ensteht wenig Fantasie. Deshalb brauchen wir eine breiteres Bemühen darum, Menschen zu ermächtigen, in der Krise auch Auswege zu entwickeln.

4. Juni 2010
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