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Zukunft der Jobcenter

Hartmut Lüning9. Februar 2010

Die Union will es, und die SPD jetzt offenbar auch: Um die Jobcenter in Deutschland zu erhalten, sind die Parteien zu einer Änderung des Grundgesetzes bereit. Aber ist es damit getan? Arbeitsvermittlungsstelle

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Ein Passant geht am Schaufenster des Jobcenters der Bundesanstalt für Arbeit entlang. (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Betreuung aus einer Hand: Mit dieser guten Idee sind vor gut fünf Jahren die Jobcenter in Deutschland gestartet. In diesen Zentren, die auch ARGEn - also Arbeitsgemeinschaften - genannt werden, kümmet sich die jeweilige Kommune zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit um die Betreuung von Langzeitarbeitslosen. Ende 2007 stufte das Bundesverfassungsgericht diese Mischverwaltung aber als verfassungswidrig ein. Jetzt muss die Idee der Jobcenter entweder reformiert oder aber das Grundgesetz geändert werden, und zwar noch bis Ende 2010. Momentan sieht es nach einer Grundgesetz-Änderung aus. Denn nach der Union hat diesen Plänen jetzt auch die SPD grundsätzlich zugestimmt, auch wenn um die Details der Änderung noch heftig gestritten werden wird.
Ist das Modell der Jobcenter also grundsätzlich ein Erfolgsmodell, das es zu erhalten gilt?
Dieter Liminski, der Geschäftsführer der ARGE und Leiter des Amtes für Soziales und Wohnen in Bonn.Dieter Liminski ist sich da nicht so sicher, weil er die Praxis kennt. Er ist in Bonn Geschäftsführer der ARGE, und er ist zugleich auch Leiter des Amtes für Soziales und Wohnen. Diese Personalunion biete unendlich viele Vorteile, sie habe allerdings auch den Nachteil, dass er sich permanent mit einer sehr unbeweglichen Behörde, der Bundesagentur für Arbeit, auseinander setzen müsse, meint Liminski. Bei der Gesetzesänderung, die seit 2005 gilt, seien Welten aufeinander geprallt:

Dieter Liminski, der Geschäftsführer der ARGE und Leiter des Amtes für Soziales und Wohnen in Bonn. (Foto: Klaus Jansen, DW)
Dieter LiminskiBild: Klaus Jansen

"Das Gesetz und die Ausführung finde ich grottenschlecht"

"Die Philosophie des Gesetzes, die finde ich richtig und gut: Zwei Systeme in eins zusammenfassen. Das Gesetz und die Ausführung finde ich grottenschlecht. Das Schlimme ist, dass nicht eindeutig geregelt wurde, wer mit welchen Zuständigkeiten welche Möglichkeiten hat. Auf der einen Seite: Völlg zentral gesteuert durch die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg und - ohne den Mitarbeitern in den Agenturen zu nahe zu treten - kaum noch eigene Kreativität. Auf der anderen Seite: Sehr selbstbewusst auftretende Kommunen, die den Menschen im Vordergrund hatten, und eigentlich auch Spielräume hatten."

Mit diesen Spielräumen sei es jetzt aber weitgehend vorbei, meint Dieter Liminski. Und er ist deshalb dafür, die Betreuung der Arbeitslosen komplett bei der Stadt zu belassen, ohne Bundesagentur für Arbeit. Diese Lösung nennt sich Options-Kommune, davon gibt es schon ein paar Dutzend in Deutschland, und das wäre auch für Bonn eine Lösung:

"Wir wollen nicht weiter nur Juniorpartner sein"

"Das, was die Bundesagentur für Arbeit als ihre Stärke hat, das beherrschen wir mittlerweile in der ARGE auch. Wir haben das jetzt viereinhalb Jahre geübt. Wir haben Erfahrungen ausgetauscht, wir sind da sattelfest. Und man hat immer noch mehr die Möglichkeit, auf einer regionalen Struktur Einfluss zu nehmen. Es kann nicht angehen, dass ich als Kommune sozusagen der permanente Juniorpartner bin und an Entscheidungsprozessen nicht mehr mitwirken kann, aber dauernd die Konsequenzen zu tragen habe."

Und das war auch der Hauptgrund, warum das Bundesverfassungsgericht diese Zusammenarbeit als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar eingestuft hat. Aber jetzt nur das Grundgesetz zu ändern, das hält Dieter Liminski von der ARGE in Bonn für zu wenig:

"Nur das Grundgesetz anzupassen reicht nicht."

"Man wird wirklich tiefer gehen müssen. Man muss anfangen bei Arbeitsmarktpolitischen Überlegungen, man muss den ganzen Datenschutz auch überprüfen, es kann nicht angehen, dass die ARGE noch nicht einmal mit der Sozialverwaltung Daten austauschen kann. Alle Voraussetzungen, diese Reform erfolgreich umzusetzen, die sind gegen die Wand gelaufen."

Bis Ende 2010 muss jetzt die Entscheidung fallen, wie es mit den Jobcentern in Deutschland tatsächlich weitergeht. Der Deutsche Städtetag hofft auf die Grundgesetz-Änderung, denn das sei als gutes Signal für die Leistungsempfänger und Beschäftigen zu werten. Und auch das Diakonische Werk und der Deutsche Caritasverband begrüßen die grundsätzliche Einigung von Union und SPD. Denn Reformen habe es schon genug gegeben, was die Behörden und die Arbeitslosen jetzt bräuchten, das seien sichere Strukturen. Beide Wohlfahrtsverbände beklagten aber, dass schon viel Zeit verloren worden sei.

Autor: Klaus Jansen
Redaktion: Hartmut Lüning