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Zweite Amtszeit

16. Januar 2012

Die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf beginnt ihre zweite Amtszeit. Viele sagen: Leicht hat es die 73-jährige Friedensnobelpreisträgerin nicht. Das Land leidet unter Korruption und Arbeitslosigkeit.

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Ellen Johnson-Sirleaf (Foto: dpa)
Für weitere sechs Jahre die Zügel in der Hand: Ellen Johnson-SirleafBild: picture alliance/abaca

Der Wahlgang schien für Ellen Johnson-Sirleaf ein Kinderspiel. In der Stichwahl im November vergangenen Jahres erhielt sie 90,7 Prozent aller Stimmen, am Montag (16.01.2012) wird sie vereidigt. Doch Peter Quaqua, Präsident der Mediengewerkschaft in Liberia, klingt enttäuscht. "Zu viele Menschen fühlen sich ausgeschlossen von dem, was in der Gesellschaft passiert. Zu viele Dinge sind noch offen, die die Menschen in den nächsten Jahren erwarten." Die alten Probleme seien auch die neuen, findet Peter Quaqua. Angefangen von der weit verbreiteten Korruption im Land, über den "Bildungssektor oder die Schaffung von Jobs. Die Menschen haben das Gefühl, nichts abzubekommen vom großen Kuchen."

Der Ernst der zweiten Amtszeit

Jugendliche in Liberias Hauptstadt Monrovia (Foto: DW)
Liberias Jugend braucht Arbeit - die Arbeitslosenquote liegt bei 80 ProzentBild: DW

War die erste Amtszeit von Ellen Johnson-Sirleaf noch getragen von der Euphorie vieler Liberianer, dass der 14-jährige Bürgerkrieg nun überwunden sei, schauen ihr ihre Landsleute jetzt ganz genau auf die Finger. Auf die Wahlversprechen müssen auch Taten folgen, sagt Peter Quaqua.

Dringlichste Aufgabe: die Schaffung von Jobs. Die Arbeitslosigkeit liegt bei geschätzten 80 Prozent. Vor allem bei jungen arbeitslosen Männern verbirgt sich enormer Zündstoff für Konflikte, sagt Michael Keating, Entwicklungs-Spezialist von der Massachusetts Universität in Boston. Keatings Fachgebiet sind Post-Konflikt-Staaten, seit Jahren bereist er das westafrikanische Land. "Die Herausforderung der Zukunft wird darin bestehen, der liberianischen Jugend eine Zukunft anzubieten. Die bloße Zahl an arbeitslosen, ungebildeten liberianischen Jugendlichen ist wie ausgelaufenes Benzin, das nur darauf wartet, dass jemand ein Streichholz zündet." Schon während der Wahlen konnte man das vereinzelt beobachten, so Keating. Unmittelbar nach den Wahlen kam es in der Hauptstadt Monrovia zu massiven Ausschreitungen. Vier Menschen starben.

Öl, Erz, Kautschuk

Doch die Präsidentin hat einige Trümpfe in der Hand. Das Land ist reich an Rohstoffen. Das Anlocken von Investoren hat Johnson-Sirleaf schon in ihrer ersten Amtszeit viel Lob eingebracht. Verträge mit dem weltgrößten Stahlunternehmen Arcelor Mittal zum Abbau von Eisenerz sind abgeschlossen.

Öl-Verladeanlage (Foto: dpa)
Zukunftsvision: Ölförderung vor Liberias KüsteBild: picture-alliance/dpa

Die Ölförderung vor der liberianischen Küste durch den Konzern Chevron ist vereinbart. Die Hoffnung: mit den Konzernen kommen auch Geld und Arbeitsplätze ins Land.

Jedoch verbindet sich mit dem Abbau natürlicher Ressourcen auch gleichzeitig eine Sorge: das Problem der Korruption. "Das bleibt eine ernste Herausforderung der Präsidentin", sagt Quaqua. "Johnson-Sirleaf hat eine Amtszeit der Bestrafung versprochen. In den vergangen sechs Jahren gab es keine substantiellen Fortschritte. Es wurde viel darüber gesprochen, aber viele Menschen sind davon gekommen." Peter Quaqua fordert daher eine strafrechtliche Verfolgung. "Denn nur so werden Menschen davon abgeschreckt. Wir möchten sehen, wie Präsidentin und Regierung endlich die bestrafen, die sich der Korruption schuldig machen."

Ein anderes Versäumnis der ersten Amtszeit Johnson-Sirleafs ist die Schaffung stabiler und seriöser politischer Institutionen. Wegen Korruption entlassene Minister, ein wegen Parteilichkeit geschasster Wahlkommissionsleiter, gewaltbereite Sicherheitskräfte, die auf Demonstranten schießen. Das alles habe, so der Entwickluns-Spezialist Michael Keating, das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen schwinden lassen. Johnson-Sirleaf sei zwar eine starke Persönlichkeit, "aber ihre Regierung ist gescheitert. Oder besser: die Regierung ließ sie scheitern. Sie hat gute Vorsätze, war aber selbst nicht in der Lage, alte Muster der Vetternwirtschaft zu brechen, zum Beispiel mit der Wahl ihrer Funktionäre. So kollabierten die Ministerien entweder wegen Korruption oder Inkompetenz oder aus Mangel an auswärtiger Unterstützung."

Am Tropf der anderen

Soldatinnen der UN-Friedensmission UNMIL (Foto: AP)
8000 UN-Soldaten sind in Liberia stationiertBild: AP

Investitionen in ein funktionierendes Bildungssystem seien wichtig, so Keating. Denn eine gut ausgebildete Jugend ist die Voraussetzung einer aufgeklärten, politisierten Gesellschaft. So wichtig die Finanzspritzen und Hilfe internationaler Partner für Liberia dabei auch seien, auf Dauer wird sich die Abhängigkeit von ausländischen Institutionen nicht auszahlen, so Keating. "Das Land erscheint mir wie ein Patient am Beatmungsgerät. Es gibt diese unzähligen Versorgungsschläuche wie die UN-Mission (UNMIL), das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP)." Nahezu jede Nichtregierungsorganisation der Welt sei in Liberia vertreten, weiß Keating aus eigener Anschauung. "Es ist wirklich nicht klar, wie gesund der Patient eigentlich ist. Die Frage wird also sein, was bleibt von Liberia, nachdem all diese Kräfte gegangen sind?"

Autor: Stefanie Duckstein

Redaktion: Katrin Ogunsade