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Jojo Moyes: "Es geht um mehr als die Liebe"

Sabine Peschel9. Januar 2016

Sie hatte gleich zwei Romane in den Top Ten der Jahresbestseller 2015. Warum sind die Liebesromane der britischen Autorin in Deutschland so enorm beliebt? Wir fragten Jojo Moyes nach dem Geheimnis ihres Erfolgs.

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Hamburg Lesung Deutschland Schriftstellerin Jojo Moyes
Bild: picture-alliance/dpa/D.Reinhardt

DW: Gleich zwei Ihrer Bücher stehen weit oben auf der Jahresbestsellerliste 2015 des deutschen Buchhandels. Was macht Ihre Bücher in Deutschland so erfolgreich?

Jojo Moyes: Ich weiß es nicht. Ich denke, da müssten Sie die deutschen Leser fragen. Wenn ich wüsste, woran es liegt, hätte ich mich schon vor zehn Jahren danach gerichtet.

Im Ernst: Ich neige dazu über Personen zu schreiben, mit denen sich die Leser identifizieren können. Meine Figuren haben keine beeindruckenden Karrieren, sie sind nicht wahnsinnig ambitioniert, und es passiert ihnen nichts Außergewöhnliches. Ich schreibe über normale Menschen, die sich in ungewöhnlichen Umständen wiederfinden.

"Ein ganz neues Leben" ist die Fortsetzung Ihres internationalen Bestsellers "Ein ganzes halbes Jahr". Das Buch war einer der erfolgreichsten Liebesromane aller Zeiten. Er hatte ein tragisches Ende. In Ihrem neuen Buch erholt sich die weibliche Protagonistin Louisa von diesen tragischen Vorkommnissen. Geht es in Ihrem neuen Buch um Trauer?

Ich hoffe, es ist auch lustig und nicht nur traurig. Denn ich denke, dass die Leser Tragik tolerieren, solange sie mit Humor einhergeht und man bei der Lektüre auch lachen muss. Ich hoffe daher, dass "Ein ganz neues Leben" nicht nur melancholisch ist, sondern dass darin Humor und Tragik ineinander verwoben sind.

Buchcover Jojo Moyes Ein ganz neues Leben
Buchcover: "Ein ganz neues Leben"Bild: Wunderlich

Was unterscheidet ihre Romane von anderen Liebesgeschichten?

Ich weiß es nicht. Ich kann kaum etwas dazu sagen, ohne dabei andere Liebesromane zu verunglimpfen. Was ich aber weiß, ist, dass viele zeitgenössische Liebesromane nach einem bestimmten Strickmuster geschrieben sind. Ich dagegen mag es, wenn es unerwartete Wendungen gibt und es auch noch um andere Dinge geht als nur um die Liebe. Deshalb haben meine Bücher neben der Liebesgeschichte immer noch weitere Handlungsstränge. Ich glaube aber, dass alle großen Bücher auch eine Liebesgeschichte in sich bergen. Ich möchte also keinesfalls behaupten, dass ich keine Liebesromane schreibe - schließlich treibt die Liebe uns alle an.

Achten Sie sehr auf Sprache?

Ich bin sehr aufmerksam, was die Sprache angeht. Alles was ich schreibe, lese ich mir selber laut vor, der Rhythmus und der Klang der Sätze sind mir sehr wichtig. Es regt mich auf, wenn ein Lektor etwas streicht und das, was stehen bleibt, in meinen Augen den Rhythmus verloren hat. Manche Sätze mögen grammatikalisch nicht ganz korrekt sein, aber sie klingen einfach viel besser.

Ich denke sehr gründlich über die Thematik, die Figuren und die Handlung eines Buches nach - das unterscheidet meine Romane möglicherweise von anderen Liebesgeschichten. Ich versuche immer, eine weitere Ebene einzuführen. Wenn ich schreibe, frage ich mich: "Wovon handelt dieses Buch wirklich?" "Ein ganzes halbes Jahr" handelt von einer Frau und einem Mann und davon, wie sie versucht, ihn zu beeinflussen. Doch es stellen sich auch andere Fragen: Wie weit darf man jemandem seine Gefühle aufzwingen? Bis wohin hat man das Recht, einem anderen zu sagen, wie er sein Leben leben soll? Das sind große Fragen.

Buchcover Jojo Moyes Ein ganzes halbes Jahr
Buchcover: "Ein ganzes halbes Jahr "Bild: rowohlt Polaris

"Weit weg und ganz nah" handelte von dem Unterschied zwischen Arm und Reich. In dem Buch geht es um mehr als einen lustigen Roadtrip und eine Romanze; es schaut auch ziemlich genau darauf, was in Großbritannien und in vielen anderen Ländern passiert ist, wo die Unterschiede zwischen Arm und Reich und die Chancenungleichheit immer größer werden. Ich glaube, dass man das auch leichthin und gut lesbar machen kann. Das muss nicht zur politischen Streitschrift werden. Die liebsten E-Mails sind mir die von Lesern, die schreiben: "Ihr Buch hat mir sehr gefallen, und es brachte mich zum Lachen - aber auch zum Nachdenken." Das ist es, was ich erreichen will, schätze ich.

Ihre Bücher sind Liebesgeschichten und, oberflächlich betrachtet, unpolitisch. Eingedenk der Situation in Europa und im Mittleren Osten, könnten Sie sich vorstellen, ein Buch zu schreiben, das mehr mit dem Zeitgeschehen zu tun hat?

Nur weil man Bücher schreibt, die sich gut verkaufen, heißt das noch lange nicht, dass man ignorieren muss, was in der Welt passiert. Meiner Meinung nach kann man am besten über die Dinge schreiben, die einen gerade intensiv beschäftigen.

Unser politisches und geopolitisches Umfeld verändert sich so, dass wir in fünf Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach eine ganz andere Gesellschaft haben werden als heute. Das muss sich auch in Romanen widerspiegeln. Für mich funktioniert das, wenn es so gemacht wird, dass es die Leser nicht deprimiert, wenn auch ernsthaften Themen mit Humor und Lockerheit behandelt werden. Das macht sie besser verdaulich, so dass die Leute nicht gleich beim ersten Blick auf das Buch sagen: "Ach du meine Güte, das will ich nicht lesen, davon habe ich doch schon in den Nachrichten mehr als genug."

Im Mittelpunkt Ihrer Bücher stehen meistens Frauen. Schreiben Sie für Frauen?

Ich liebe es, wenn mir Männer schreiben, dass sie meine Bücher gelesen haben. Ich möchte nicht, dass ich ausschließlich von Frauen gelesen werde. Aber durch die Art, wie die Bücher beworben werden, läuft es schon großenteils auf ein weibliches Publikum hinaus.

Worauf ich aber sehr achte, während ich schreibe, ist, mich immer zu fragen: "Was für eine Message würde meine jugendliche Tochter diesem Buch entnehmen?" Deshalb findet man in meinen Büchern keine Frauen, die sich gegenseitig niedermachen oder heftig gegeneinander konkurrieren. Auch keinen Konflikt von berufstätigen Frauen und Frauen, die zuhause bleiben, um sich um die Erziehung der Kinder zu kümmern. Diese Geschichten, dass Frauen untereinander andauernd im Clinch liegen müssten, kennen wir längst und haben sie hinter uns. Ich glaube nicht daran, sie entsprechen nicht meiner Erfahrung.

In meinen Romanen versuche ich zu vermitteln, dass Frauen viel Gutes erreichen können, sie können freundlich und klug sein. Der Wert einer Frau hängt nicht vom Mann an ihrer Seite ab, noch vom Design ihrer Handtasche oder ihren Schuhen. Das genau ist es, wovon ich wegkommen will.

DW - Euromaxx
Die Erfolgsautorin auf ihrer Farm in EssexBild: ORF

Bevor Sie anfingen Bücher zu schreiben, haben Sie zehn Jahre lang als vielbeschäftigte Journalistin gearbeitet, in Hong Kong für die 'South China Morning Post' und in England für 'The Independent'. Jetzt haben Sie eine Traumkarriere hingelegt. Sie haben dem Journalismus den Rücken gekehrt, sind mit der Familie aufs Land gezogen und schreiben erfolgreich Bücher. Ist es so einfach und fantastisch, wie es sich anhört?

Ich muss ehrlich sein: Es ist definitiv fantastisch. Ich würde sagen, es gab keinen einzigen Tag in den letzten vier Jahren, an dem ich nicht aufgewacht bin und gedacht habe, dass gleich jemand kommen und mir das alles wieder wegnehmen würde. Ich war lange Journalistin, hatte aber auch schon viele andere Jobs: als Kellnerin und Putzfrau, oder ich habe in einer Taxizentrale gejobbt. Ich weiß, wie schnell man ganz unten ist. Also ja, jeder einzelne Tag war fantastisch! Wenn mir jemand mit 14 erzählt hätte, dass es mal so kommt – ich hätte es nicht geglaubt.

Davon abgesehen arbeite ich wirklich hart. In den letzten Wochen habe ich zum ersten Mal seit Jahren wieder einen Gang runter geschaltet. Ich habe vieles in meiner Familie verpasst, ich habe kaum Urlaub gemacht, und meine Kinder würden wahrscheinlich sagen, dass sie in letzter Zeit viel zu wenig von mir gesehen haben. 2016 werde ich viel weniger unterwegs sein. Es ist ein Tauschgeschäft, man kann eben nicht alles haben. Aber ich schätze mich sehr glücklich.

Wovon handelt Ihr nächstes Buch?

Ich weiß es noch nicht! Ich denke noch darüber nach. Aus Erfahrung weiß ich, dass ein Buch immer besser wird, je intensiver man sich vorher darüber Gedanken macht. Ich lasse meine Ideen gern ein bisschen abhängen, ehe ich mit dem Schreiben anfange. Ich teste sie aus, trage immer was an sie heran und sehe dann zu, was haften bleibt. Im Frühling kommt "Ein ganzes halbes Jahr" in die Kinos – es steht noch eine ganze Menge an.

Ist der Film schon fertig?

Ja. Er kommt am 4. März in die englischen und US-amerikanischen Kinos. Wir wissen allerdings noch nicht genau, wann er in Deutschland rauskommt. Hoffentlich nicht viel später.

Jojo Moyes (*1969) ist eine der wenigen Autoren, die den 'Romantic Novel of the Year'-Preis gleich zwei Mal gewonnen haben. Ihr erster großer Erfolg "Ein ganzes halbes Jahr" verkaufte sich weltweit über fünf Millionen Mal. Das Buch wurde mit Emilia Clarke und Sam Claflin in den Hauptrollen verfilmt. Die Autorin lebt mit Ihren Ehemann und drei Kindern auf einer Farm in Essex, England.